Karlsruhe. Was bringt die geplante Abgasnorm Euro 7 der Umwelt? Und wie müssen Hersteller ihre Autos dafür umrüsten? aktiv fragte Professor Thomas Koch, Leiter des KIT Instituts für Kolbenmaschinen. Er arbeitete zuvor bei Daimler in der Motorenentwicklung für Nutzfahrzeuge.

Warum plant die EU gerade jetzt eine neue Abgasnorm?

In den letzten 30 Jahren gab es alle drei bis fünf Jahre eine neue Abgasnorm. Jedes Mal wurden die Vorgaben verschärft – was absolut richtig war! Jetzt ist nur noch ein Schritt zu gehen, dann wäre aus meiner Sicht alles perfekt. Und wenn man den gehen will, dann jetzt. Sonst bliebe keine Zeit mehr bis zum geplanten Verbrenner-Aus. Allerdings bringt der jetzt gewählte Ansatz große Probleme mit sich.

Worum geht es konkret?

Zum einen betrifft die neue Euro-7-Norm Diesel wie Benziner und erstmals auch Elektrofahrzeuge. Zum anderen soll sie bestimmte Ausnahmen bei der Emissionsmessung schließen: Zum Beispiel werden zurzeit die ersten zwei Minuten nach dem Start, wenn Motor und Katalysator noch kalt sind, nicht in die Messung einbezogen. Ebenso wie bestimmte Fahrzustände, etwa wenn sich ein voller Partikelfilter reinigt und naturgemäß mehr Emissionen verursacht. Ich finde es generell gut, diese Ausnahmen anzugehen. Allerdings muss gemäß dem Euro-7-Entwurf ein großer Mehraufwand betrieben werden – und der hat keine Relevanz für die Stadtluftqualität.

„Wenn ein Neuwagen bei minus zehn Grad mit Wohnwagen am Haken und Sebastian Vettel am Steuer die Großglocknerstraße hochrast, muss er laut Euro 7 auch auf den ersten Metern die Emissionswerte einhalten.“

Professor Thomas Koch

Warum nicht?

Weil die Euro-6d-final-Norm für Diesel hier schon exzellent ist! Nehmen wir die berüchtigte Messstelle Stuttgart-Neckartor: Dort fahren am Tag rund 70.000 Fahrzeuge vorbei. Würde man da ab sofort nur noch neueste Diesel-Modelle durchlassen, wären wir hier heute schon im Jahresmittel bei einem Stickstoffoxid-Wert von 1 bis 2 Mikrogramm pro Kubikmeter. Der Grenzwert liegt aber bei 40 Mikrogramm! Euro 7 würde das nur marginal verbessern.

Bei Euro 7 geht es aber eher um extreme Fahrbedingungen, weniger um den Regelverkehr wie am Neckartor.

Stimmt. Aber der Punkt ist: Wenn Sie ein Kaltfahrzeug haben, das bei minus zehn Grad startet und mit Wohnwagen am Haken und Sebastian Vettel am Steuer die Großglocknerstraße hochrast, müssen Sie laut Euro 7 auch auf den ersten Metern die Emissionswerte einhalten. In der Überlagerung der schwierigen Randbedingungen ist das physikalisch unmöglich!

Welchen Aufwand müssten Hersteller betreiben, um Euro 7 gerecht zu werden?

Der Katalysator bräuchte eine elektrische Vorheizung, und dafür ist ein leistungsfähiges elektrisches Bordnetz nötig. Hier kommt es darauf an, was im Auto vorhanden ist: Weil eine Mercedes-S-Klasse schon über ein solches Netz verfügt, hält sich der Mehrpreis hier in Grenzen. Ganz anders sieht das bei Kompaktautos aus: Im unteren Preissegment wird’s richtig teuer.

Michael Aust
aktiv-Redakteur

Michael Aust berichtet bei aktiv als Reporter aus Betrieben und schreibt über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach seinem Germanistikstudium absolvierte er die Deutsche Journalistenschule, bevor er als Redakteur für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Mitarbeiter-Magazine diverser Unternehmen arbeitete. Privat spielt er Piano in einer Jazz-Band. 

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