Hildesheim. Am Ende erhält jede Schülerin einen kleinen „Hipster Bag“, gefertigt aus alten Leinen-Postsäcken – als Dankeschön und zur Erinnerung. Die hat Firmenchefin Birgit Weiterer für die 17 jungen Frauen mitgebracht, die am „Women’s Talk“ teilnahmen. Bei diesem neuen Veranstaltungsformat während der „Nacht der Bewerber“, einer großen Ausbildungsmesse in Hildesheim, bekommen Schülerinnen Tipps von erfahrenen Unternehmerinnen: Wie haben sie es geschafft, Karriere zu machen?

Für Birgit Weiterer etwa war nach dem Abi rasch klar, dass sie ins elterliche Unternehmen einsteigt. „Das habe ich nie bereut – weil ich da gestalten und führen kann“, erklärt die Geschäftsführerin der Karl Weiterer Sack- und Planenfabrik. Die 51-Jährige leitet diesen Familienbetrieb in dritter Generation.  

Berufswahl führt zu einer Arbeitswelt, in der Managerinnen selten sind

Auf ganz andere Weise sind dagegen die Wege vieler junger Frauen nach dem Schulabschluss scheinbar vorgezeichnet: Die meisten entscheiden sich für eine Lehre im Büro, in der Arzt- oder Zahnarztpraxis. Junge Männer werden am liebsten Kfz-Mechatroniker, Industriemechaniker oder Elektroniker. Ähnlich verschieden sind die Fächervorlieben von Frauen und Männern an der Hochschule. Heraus kommt eine Berufswelt, in der Managerinnen selten sind.

Der „Women’s Talk“ soll da ein wenig gegenhalten, den jungen Frauen Lust auf eigene Wege machen. Deshalb reden Chefinnen hier Klartext. Wie Weiterer. „Mein Tag ist zwar lang und kennt keinen pünktlichen Feierabend“, sagt die Chefin von 28 Mitarbeitern. „Dafür ist er aber unendlich spannend und abwechslungsreich.“ Dazu tragen auch die Dienstreisen ins Ausland bei.

„Ich drücke in meinem Leben jetzt die Reset-Taste“

Ihr Beispiel zeigt den jungen Frauen: „Ihr könnt das! Wagt etwas!“ Das ist die Botschaft, die die Veranstalter vom Verband Unternehmer Hildesheim den Schülerinnen mitgeben wollen.

Man müsse mutig sein, gibt auch die studierte Sozialpädagogin Carolin Reulecke den Schülerinnen mit auf den Weg. Für Reulecke war nach 21 Jahren bei der Stadt Hildesheim klar: „Ich drücke in meinem Leben jetzt die Reset-Taste. Ich mach noch mal was komplett anderes!“ Inzwischen ist sie seit neun Jahren Geschäftsführerin von Lammetal in Lamspringe, einer Einrichtung für Menschen mit Assistenzbedarf: Reulecke trägt Verantwortung für über 300 Mitarbeiter und 480 Menschen mit Handicap. „Meine Aufgabe ist es, den gesamten Ablauf zu managen. Nicht allein, sondern in einem Team von 21 Führungskräften.“ Ob Geschäftsführerin einmal ihr Traumjob gewesen sei, will eine Schülerin wissen. „Nein, daran hatte ich nie gedacht“, berichtet Reulecke. „Aber jetzt ist es mein Traumjob – definitiv.“ Das Beispiel zeigt: Die Berufswahl verläuft selten streng rational, Berufswege führen nicht immer nur geradeaus.

Was aber immer nötig ist, macht Psychiaterin Nino Weis deutlich: „Es muss ganz tief im Herzen eine Leidenschaft für den Beruf da sein“, betont die leitende Oberärztin der Ameos-Klinik.

Fachkräftemangel verbessert die Chancen von Frauen

Silke Ewe, Geschäftsführerin der Bodystreet Hildesheim Studios, kennt das. „Mich kann man nicht ins Büro setzen, das wusste ich schon sehr früh“, sagt sie. Nach einer Lehre zur Einzelhandelskauffrau hat sie sich weitergebildet und coacht nun seit Jahren in Sachen Gesundheit. Ewes Rat an die jungen Frauen: „Man sollte gucken: Wo liegen meine Stärken? Und wenn man etwas wirklich will, dann macht man das auch. Das ist wie bei einem kleinen Kind, das irgendwann aufsteht und anfängt zu laufen.“

Die Juristin Anne Mävers bestätigt das gerne. „Im fünften Semester wusste ich endgültig: Im Studium bin ich richtig.“ Heute ist sie Leiterin Recht und Personal des Autozulieferers KSM Castings. Und sie ist überzeugt, dass sich die Chancen für Frauen in der Berufswelt durch den Fachkräftemangel verbessern.

Die Schülerinnen sind interessiert dabei. Elisa Kopte zum Beispiel, die dann das Fazit zieht: „Diese Veranstaltung hat mich bestärkt. Vor allem, dass man nicht von Anfang an punktgenau wissen muss, was man machen will, sondern auch mal einen zweiten Anlauf nehmen kann.“  

    Noch nicht gleichauf

    Frauen stellen in der deutschen Arbeitswelt...

    • 47 Prozent aller Erwerbstätigen
    • 29 Prozent der Führungskräfte
    • 35 Prozent der Selbstständigen im Alter von 25 bis 54
    Werner Fricke
    Autor

    Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.

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