Bad Wimpfen. Ihre Faszination für die Chemie entdeckte Franziska Hilmer schon im Kindergarten: „In einer Flasche habe ich Backpulver und Essig vermischt, dabei entstand Kohlenstoffdioxid. Dieses Gas hat einen Luftballon aufgeblasen, der über den Flaschenhals gestülpt wurde.“

So erzählt es die Chemikantin beim Besuch von aktiv im Betrieb. Die 21-Jährige arbeitet bei Solvay in Bad Wimpfen. Am Standort produziert das Unternehmen Fluor-Spezialitäten wie Aluminium-Lötflussmittel für Wärmetauscher für die Automobil-Industrie und andere mobile oder stationäre Anwendungen wie Klimaanlagen. Auch fluorhaltige Synthesebausteine zur Herstellung von Pflanzenschutz- und Arzneimitteln kommen aus Bad Wimpfen.

Schwerpunkt der Produktion sind Lötflussmittel für Aluminium

„Ich überwache und steuere die Fertigung der Produkte“, so fasst Hilmer ihre Aufgaben zusammen – immer dicht dran an den Fertigungsanlagen. Ihre langen Haare hat sie zum Pferdeschwanz gebunden, vor Schichtbeginn schlüpft sie in eine blaue Latzhose, ein langärmeliges Hemd und Arbeitssicherheitsschuhe. Dazu Helm und Schutzbrille, in den Hosentaschen stecken griffbereit die Arbeitshandschuhe. „Im Sommer wird einem manchmal sehr warm: Da freut man sich auf die Arbeit am Leitstand, denn dort gibt es eine Klimaanlage“, sagt sie und lacht.

14 verschiedene Lötflussmittel zum Aluminiumlöten stellen Hilmer und ihre Kollegen auf der dreistöckigen Anlage mit unzähligen Kilometern Leitungen und riesigen Mischbottichen her – rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr.

Wozu braucht man das? „Aluminium bildet an der Luft sofort eine Oxidationsschicht, die das Löten unmöglich macht“, erklärt Hilmer. Das Solvay-Flussmittel auf Fluorbasis schmilzt bei Erwärmung und löst die Oxidschicht: Bei einer Temperatur von 600 Grad lassen sich so Aluminiumteile verbinden.

Handwerklich arbeiten

„Viele Rohstoffe sind flüssig, unser Endprodukt ist aber ein Pulver – das ist total spannend, was da passiert“, findet Hilmer. 2017 hatte sie ihre Ausbildung begonnen und wurde später im Bad Wimpfener Werk übernommen. Heute kennt sie so gut wie jeden Winkel der Anlage: „Ich finde es toll, hier mal schrauben zu können, ich arbeite gerne handwerklich.“

Und mit Werkzeug kann sie gut umgehen (zusammen mit ihrem Vater hat sie einen Land Rover Defender zum Campingfahrzeug umgebaut). Ventile prüfen, Leckagen beheben, Dichtungen oder Siebe in der Anlage tauschen – all das macht die Chemikantin gerne. Neben Reparaturen kümmert sie sich auch um die regelmäßige Wartung und Kontrolle der Anlage und überwacht den Fertigungsprozess. Etliche Parameter wie Füllstände, Drücke oder Durchflüsse gilt es dabei im Blick zu behalten.

Kurze Schichtzyklen erleichtern das Leben mit dem verschobenen Rhythmus

Viele der Rohstoffe werden automatisch aus Tanks über Rohrleitungen zur Weiterverarbeitung gepumpt. „Einiges muss aber von Hand ausgewogen werden, das erfordert exaktes Arbeiten“, sagt Hilmer. Sie schätzt diese Abwechslung: Je nach Einteilung sitzt sie am Leitstand und kontrolliert die Monitoranzeigen und Videobilder aus der Anlage. Oder sie ist als sogenannter Läufer unterwegs, kümmert sich direkt an der Anlage darum, dass alles nach Plan läuft. Für die Dokumentation hat sie ein Klemmbrett mit Checkliste dabei, vieles wird aber digital mit einem Tablet erfasst.

„Man kann viel von den Älteren lernen“, so Hilmer. „Wir sind ein tolles Team und alle, die schon länger dabei sind, erklären gerne, worauf es ankommt.“ Mit dem Fünf-Schicht-System ist sie übrigens schnell klargekommen. „Wenn ich nach Hause komme, fahre ich runter und kann schnell einschlafen. Durch die kurzen Schichtzyklen gewöhnt sich der Körper nicht an den verschobenen Rhythmus.“ Mit dem Schichtkalender kann sie ihre Freizeit weit im Voraus planen: Sie schwimmt gerne und spielt Volleyball.

Nachgefragt

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Chemie hat mich schon immer fasziniert. Auf Berufsmessen habe ich mich dann über die Ausbildungsmöglichkeiten informiert. Zum Glück habe ich schnell einen Ausbildungsplatz als Chemikantin in meiner Region gefunden, davon gibt es hier im Raum Heilbronn nämlich gar nicht so viele.

Was reizt Sie am meisten?

Die Aufgaben sind immer unterschiedlich, ich muss viel über Chemie wissen. Gleichzeitig muss man auch anpacken, mit Werkzeug arbeiten und schrauben – und das macht mir großen Spaß.

Worauf kommt es an?

Man muss zuverlässig und aufmerksam arbeiten. Extrem wichtig ist auch, dass man teamfähig ist und gerne mit anderen zusammenarbeitet. Wir sind ein tolles Team, man kann viel von den Älteren lernen.

Andrea Veyhle
Autorin

Nach dem Germanistik- und Anglistik-Studium absolvierte Andrea Veyhle ein Volontariat und arbeitete für eine Agentur. Seit 2007 ist sie freiberuflich für verschiedene Verlage tätig. Für aktiv berichtet sie in Reportagen über die Chemie in Baden-Württemberg und stellt mit Porträts die vielseitigen Berufsbilder der Branche vor. Außerdem erklärt sie, wo uns chemische Produkte im Alltag begegnen. In ihrer Freizeit experimentiert sie gerne in der Küche, Kalorien strampelt sie auf dem Rennrad wieder ab.

Alle Beiträge der Autorin