Osterode. Detlev Seidel überlegt nicht lange. „Wir sind Teil von Osterode – und Osterode ist Teil von uns“, bringt der Geschäftsführer Operations der Piller Group seine Botschaft auf den Punkt. Kein Wunder: Das Familienunternehmen ist seit genau 100 Jahren in der Harz-Stadt zu Hause – und hat dies mit einem außergewöhnlichen Fest gefeiert.
Im Kurpark, also im Herzen der Stadt, plätscherte der Piller-Brunnen, ein Springbrunnen, den Firmengründer Anton Piller anno 1952 den Bürgern der Stadt zum 800-jährigen Stadtjubiläum geschenkt hatte. Und einige Tausend Osteroder genossen rund um den Brunnen ein besonderes Sommerfest, unter anderem mit Live-Band und einer beeindruckenden Lasershow.
Geschäftsführer Seidel spricht von einem gelungenen Projekt: „Wir wollten mit diesem Fest unsere Verbundenheit mit Stadt und Region dokumentieren.“ Beim Jubiläum waren ihm und seinem Organisationsteam nicht so sehr die Lieferanten oder Kunden wichtig – „sondern die Mitarbeiter und die Bürger“.
Industrie 4.0 ist hier kein großes Thema: Piller sieht sich als handwerkliche Industriemanufaktur
Standortbestimmung: Was wird wichtig für die nächsten 100 Jahre? „Wir haben den Mut, Dinge zu tun, die andere nicht tun. Und den Mut, Dinge nicht zu tun, die andere tun.“ Wenn viele von Industrie 4.0 sprechen, KI und Big Data zur Strategie ausrufen, sagt Seidel selbstbewusst: „Das sind wir nicht.“
Piller sei letztlich eine handwerkliche Industriemanufaktur: Rationalisierung durch Automatisierung sei nur schwer möglich. „Wir zahlen den hohen IG-Metall-Tarif. Um trotzdem profitabel zu bleiben, müssen wir unnötige Ausgaben vermeiden.“ Das geht so weit, dass alle Dienstwagen als junge Gebrauchtwagen gekauft werden und bei den Dienstreisen in die Welt niemand Business Class fliegt. „Bodenständigkeit ist uns wichtig! Die Denke eines Großkonzerns liegt uns fern“, betont der Geschäftsführer. Damit trifft Seidel genau die Meinung seines Gesellschafters, Tony Langley.
Der kam aus England zur Feier und durfte sich wegen der großen Bedeutung des Unternehmens für Osterode ins Goldene Buch der Stadt eintragen, zusammen mit seinen Söhnen, die inzwischen auch in der Leitung der Langley Holdings mitwirken. Diese Firmengruppe beschäftigt weltweit über 5.000 Menschen. Beim Festakt sagte Langley auf Deutsch, frei nach Kennedy: „Ich bin ein Pilleraner.“
Blackouts verhindern – da helfen Piller-Produkte mit
Von den Piller-Produkten profitieren wir übrigens indirekt alle: Das Unternehmen ist spezialisiert auf Systemlösungen für unterbrechungsfreie Stromversorgung, Energiekonditionierung und Frequenzumformung. Heißt zum Beispiel: Wenn Banken, Rechenzentren oder Krankenhäuser einen Netzausfall haben, verhindern Anlagen von Piller einen Blackout.
Als die Firma 1909 vom Ingenieur Anton Piller in Hamburg gegründet wurde, war „Blackout“ noch kein gängiger Begriff. Piller stellte damals Orgel- und Schmiedegebläse her, später Ventilatoren, Elektromotoren, Generatoren. Den Grundstein für eine erfolgreiche Zukunft legten in den 80er Jahren die unterbrechungsfreien Stromversorgungen. Die Technologie ist im Grunde schon Jahrzehnte alt – doch Piller hat die Anlagen immer größer und leistungsfähiger gemacht und ist so zum Weltmarktführer geworden.
Wer mit dem Geschäftsführer durch die Hallen geht, erfährt von exotischen Einzelanfertigungen für bestimmte Kunden und von kleinen Aggregaten, die trotz des Trends zur Größe im Programm bleiben. Seidel kann auch Geschichten erzählen von US-Konkurrenten, die trotz hoher Verluste ihren Managern Millionenabfindungen zahlen. So etwas passt nicht zu Seidel und nicht zu Piller, hier ist man bodenständig – und damit volksnah.
Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.
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