Axel Nawrocik erinnert sich noch an den Tag, als er das erste Mal durch die engen und verwinkelten Decks eines 140 Meter langen Maschinenraum-Moduls stieg. Das war vor einem Dreivierteljahr; das Riesenteil befand sich noch im Rohbau. „Der Gedanke, dort nicht so schnell wieder herauszufinden, hat mir einige Schweißperlen auf die Stirn getrieben“, blickt der 32-Jährige auf letzten August zurück. Er hatte gerade seinen neuen Job als Bauleiter auf der Neptun Werft in Warnemünde angetreten.

Heute sind Kontrollgänge durch die Maschinenraum-Module – in der Fachsprache Floating Engine Room Unit (FERU) genannt – für den Ingenieur Alltag. Aber dennoch alles andere als Routine.

Vier Decks mit Antriebs- und Versorgungssystemen

Vor einigen Jahren hatte die Neptun Werft begonnen, sich verstärkt auf den Bau von FERUs zu konzentrieren, die für Kreuzfahrtschiffe bestimmt sind. Innerhalb der Meyer-Gruppe, zu der Neptun gehört, liefert der traditionsreiche Schiffbaubetrieb an der Warnow die komplett ausgerüsteten FERUs an die Meyer-Werften in Papenburg und in Turku (Finnland). Sie bilden das jeweilige „Herzstück“ der Kreuzliner, die dort entstehen.

In den komplexen Modulen sind auf vier Decks alle Antriebs- und Versorgungssysteme der schwimmenden Hotels untergebracht. Von Motoren über Stromaggregate, Heizungs- und Klimatechnik bis hin zu Tanks für Flüssiggas (LNG).

Straffe Taktplanung als Erfolgsgeheimnis

In diesen Wochen inspiziert Nawrocik, der seit diesem März als Gesamtbauleiter „den Draufblick auf das Projekt haben muss“, täglich das Modul für ein neues Schiff der US-Reederei Carnival Cruise, das zurzeit in Turku gebaut wird.

Die finnischen Schiffbau-Kollegen erwarten das schwimmfähige Maschinenraum-Modul Ende Mai. Zwei Hochseeschlepper werden den stählernen Koloss von Warnemünde über die Ostsee gen Norden bringen. „Dem Liefertermin ist alles untergeordnet“, erklärt Nawrocik. „Entsprechend haben wir den Bauablauf in einer straffen Taktplanung detailliert aufgeschlüsselt. Der Marshall-Plan für alle Beteiligten.“

Vermeintliches Chaos hat durchaus System

Der Gesamtbauleiter muss bei jedem Schritt auf dem Stahlboden des obersten FERU-Decks Obacht geben, um nicht über angeschweißte Stahlelemente, abgelegte Rohre und verschlungene Kabel zu stolpern. Schutzgeländer, Schweißgeneratoren, mit kleineren Bauteilen gefüllte Kisten, angelieferte, teils noch verpackte Aggregate wie Elektromotoren und Pumpen vermitteln auf den ersten Blick auf dem lichten Deck einen chaotischen Eindruck.

Die Module der Neptun Werft bilden das Herzstück für Kreuzfahrtschiffe

Doch dieser trügt, versichert Thomas Hörster, Chef der gesamten Bauleitung auf der Neptun Werft. Der 40-jährige Rostocker ist ebenso wie sein Gesamtbauleiter häufig in der neuen Produktionshalle anzutreffen. Das 180 Meter lange, 65 Meter breite und 58 Meter hohe Gebäude ist eigens für den Bau der Maschinenraum-Module errichtet und vor einem Jahr in Betrieb genommen worden. Das aktuelle FERU und einige vorgefertigte, aber noch nicht verbaute Stahlkomponenten füllen fast die Hallenfläche aus.

Jeden Morgen treffen sich die Bauleiter auf dem FERU mit den Meistern und Vorarbeitern zum Meeting. „90 Prozent aller Probleme lassen sich im Gespräch vor Ort direkt und schnell lösen“, ist Hörster überzeugt.

Improvisieren gehört dazu

Seit dem 1. Februar ist er der Chef hier. 2006 hatte der gelernte Zentralheizungs- und Lüftungsbauer bei Neptun angefangen und sich mit den Jahren nach einem Techniker-Studium für den Chefposten in der Bauleitung qualifiziert.

Er sei sehr kommunikativ und durchsetzungsfähig – so hat Gesamtbauleiter Nawrocik seinen Vorgesetzten in den zurückliegenden neun Monaten schätzen gelernt. Eigenschaften, auf die es ankommt, wenn trotz straffer Taktplanung ein Zeitverzug droht. Weil beispielweise ein Kran in der Halle ausfällt, es plötzlich Platzprobleme gibt oder statt des Steuerbord-Schiffsmotors der für die Backbord-Seite zuerst angeliefert worden ist. „In so einer Situation hilft kein Lamentieren“, sagt Hörster in entschlossenem Ton.

Mehr als 10.000 Rohre pro Modul

Was der Bauleitungschef damit meint, ist durch große Öffnungen ein Deck tiefer zu sehen. Die zwei Hauptmaschinen des Carnival-Schiffes sind bereits eingebaut und mit hellen Planen abgedeckt. „Wenn da die nächste Decksektion draufkommt, ist der Deckel zu.“

Deshalb streift Gesamtbauleiter Nawrocik im frühen Baustadium durch die Decks – und führt sich in den verschiedenen Abschnitten gern vor Augen, in welchen Arbeitsschritten die jeweiligen Installationen zu erfolgen haben. Neben unzähligen Systemmodulen und Kilometern von Kabeln werden bis zu 12.000 Iso-Rohre in einem Maschinenraum-Modul verbaut.

Mehr Bauleiter für höhere Produktivität

Bei Neptun hat sich für den Vater zweier Kinder voriges Jahr ein Kreis geschlossen. Auf der Warnemünder Werft nebenan, die heute zu MV Werften gehört, hatte er einst Konstruktionsmechaniker gelernt und anschließend ein duales Studium zum Diplom-Wirtschaftsingenieur absolviert. Danach durchlebte der in Pruchten bei Barth wohnende Schiffbauer eine Pleiten-Odyssee von mehreren Stahl- und Anlagenbaufirmen, für die er arbeitete.

Das ist vorbei. Bei Neptun soll künftig neben der Modul-Montage auch der Bau von Flusskreuzfahrtschiffen und Gastankern noch produktiver werden. Dafür will der Schiffbauer das Team der Bauleiter von jetzt 13 auf 16 aufstocken.

Begegnung mit …

Chef der Bauleitung: Thomas Hörster ist seit 2006 auf der Neptun Werft.
Chef der Bauleitung: Thomas Hörster ist seit 2006 auf der Neptun Werft. Bild: Thomas Schwandt

Thomas Hörster: Nach Feierabend aufs Rad

Wenn ihn ein Tag auf der Werft so richtig geschlaucht hat, weil er als Chef der Bauleitung unzählige Dinge zu bedenken, zu besprechen und zu regeln hat, schwingt sich Thomas Hörster nach Feierabend gern auf sein Roadbike und radelt die „große Runde“. Da können schon mal bis zu 80 Kilometer zusammenkommen. „Auf den langen Kanten schalte ich total ab und genieße die einsame Ruhe auf der Strecke“, sagt der 40-jährige Rostocker.

Tagsüber tonnenschwerer Stahl, abends Heavy Metal

Mit dem Rad ist er schon als Kind oft unterwegs gewesen. „Ohne es aber zu sportlichem Ruhm zu bringen, angeblich war ich zu pummelig“, erinnert sich Hörster und sagt lächelnd: „Wäre ich beim Radsport gelandet, hätte ich eines Tages die Tour de France gewonnen.“ Aus seiner Geburtsstadt stammen erfolgreiche Radrennfahrer, etwa André Greipel, mehrfacher Deutscher Meister und Tour-de-France-Etappensieger. Es blieb beim Hobby.

Ob im Job auf der Werft oder in der Freizeit: Hörster kann von schwerem Stahl zuweilen nicht genug bekom­men. Wenn es ihn wieder einmal packt, spielt er Gitarre und singt in der Rostocker Metal-Band „Exela“, die er als 17-Jähriger mitgegründet hat.

Mein Job

Wie kamen Sie zu Ihrem Job?

Als externer Beschäftigter bei Neptun wurde ich 2006 vom Meister der Rohrschlosserei gefragt, ob ich auf der Werft anheuern möchte. Es hat sich auch finanziell gelohnt.

Was gefällt Ihnen besonders?

Ich mag es, mit unterschiedlichsten Menschen zusammenzuarbeiten, wie es sie auf einer Werft in großer Zahl gibt.

Worauf kommt es an?

Auf gute Kommunikation und auf Teamfähigkeit – das ist genauso wie zu Hause in der Familie.