Bietigheim-Bissingen. Ein Autodach so sauber lackieren, dass man im weißen Hemd neben der Lackieranlage stehen könnte, ohne Spritzer abzubekommen – das Roboter-Lackiersystem EcoPaintJet von Dürr kann das! Sein Trick: Der Applikator legt Bahnen statt einer zerstäubenden Lackierung. Das reduziert den Aufwand an Zeit, Energie und außerdem Müll.

Lackieranlagen sind Energiefresser in der Produktion

Der Hintergrund: Immer mehr Käufer möchten einen Wagen mit individuellem Outfit. Der Trend geht zur Zweitfarbe. Zwar läuft die Lackierung schon lange vollautomatisch ab, aber wenn das Dach eine andere Farbe bekommt, ist der Aufwand bisher noch groß: die Karosserie aus der Anlage ausschleusen, abkleben, lackieren, Folie entfernen, wieder einschleusen, den Folienmüll entsorgen.

Ein weiterer Haken: Nur 60 bis 80 Prozent der Farbe landen auf dem Auto, der Rest wabert als Sprühnebel durch die Luft und muss abgeschieden werden. Daher ist die Lackieranlage der Haupt-Energieverbraucher in der Autoproduktion! Kein Wunder, dass Farb- und Autohersteller Wege suchen, den Lacknebel zu reduzieren. Daran haben die Entwickler bei Dürr lange getüftelt.

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Die Software berechnet exakte Bahnen

Das Ergebnis funktioniert so: Zuerst vermisst das System die Oberfläche per Kamera. Aus den Messdaten errechnet eine Software die Lackierbahnen inklusive Neigung des Autodachs. Die Farbe kommt aus einer kleinen Düsenplatte am Ende eines Roboterarms, der sich surrend und in großen Schwüngen längs über dem Autodach hin- und herbewegt. Wenn sich die Düsen öffnen oder schließen, klackt es leise.

Der EcoPaintJet von Dürr: Große Leistung aus kleinen Düsen.

Gerade mal einen Zehntelmillimeter groß – fast so fein wie ein menschliches Haar – sind die rund 50 winzigen Löcher, durch die der Lack aus 30 Millimeter Entfernung auf die Oberfläche trifft. Und zwar zu 100 Prozent genau da, wo er hingehört – in so exakten Bahnen, dass der Rest der Karosserie nicht mehr abgeklebt werden muss.

Zweifarbige Automodelle aus der Serienproduktion

Sparsamer und umweltfreundlicher geht jetzt auch die Lacktrocknung. Insgesamt können 50 bis 65 Prozent der Energie in der Lackierkabine eingespart werden. Für die bahnbrechende Erfindung hat das Unternehmen aus Bietigheim-Bissingen den Deutschen Innovationspreis 2020 bekommen.

Audi setzt den EcoPaintJet schon in der Serienfertigung ein. Seitdem gibt es Modelle mit brillantschwarzem Dach. Projekte mit anderen Autobauern laufen bereits. Künftig sollen auch seitliche Dekorstreifen oder individuelle Designs möglich sein. Auch in der Möbel-Industrie ist der EcoPaintJet – in kleinerer Ausführung – schon angekommen: Hier lackiert er künftig Holzplatten.

Ursula Wirtz
aktiv-Redakteurin

Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.

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