Das mannshohe Modell des Tiefseekrans RL-K 7500 im Foyer der Liebherr-Akademie Rostock ist in Originalgröße ein echter Kaventsmann. Die Konstruktion kann Lasten bis 300 Tonnen heben und 3.400 Meter tief ins Meer absenken. Entwickelt und gebaut wurde sie vom Kranbauer Liebherr-MCCtec Rostock.
Ihr kleines Pendant wurde von Umschülern der Liebherr-Akademie angefertigt. „Das war eine echte Herausforderung für alle“, erinnert sich Michael Kuntke. Der 52-jährige Fachausbilder für Metall hatte die Klasse seinerzeit betreut. „So ein Modell gelingt nur in Teamarbeit, und hier konnten die Jungs beweisen, was sie draufhaben.“
Am Tiefseekran vorbei führt der Weg in die Lehrwerkstätten und Schulungsräume der im September 2011 eröffneten Lehreinrichtung. Bis zu 6.000 Teilnehmer an verschiedensten Bildungsformaten zählt die Akademie jährlich. Darunter sind im Schnitt mehr als 160 Liebherr-Azubis aus zehn Lehrberufen, hinzu kommen maximal 40 Nachwuchskräfte von anderen Firmen.
„Den größten Anteil haben Mechatroniker-Azubis“, sagt Akademie-Leiter Ralf Harder (54). „Aber wir bilden auch in speziellen Berufen wie Lagerlogistiker und Werkstoffprüfer aus.“
Die Erstausbildung zählt zu den Grundsäulen der Lehrstätte, sie gab seinerzeit den Ausschlag für ihre Errichtung. Denn damals, vor rund zehn Jahren, „waren Schweißer und Elektroniker in der Region kaum zu kriegen“, wie Harder weiß, der in der Akademie zu den Männern der ersten Stunde gehört.
Schiffbau-Boom an der Ostsee verlangt nach Fachkräften
Fast zeitgleich mit ihm kam Wolfgang Heuer (63) an Bord, der es anfangs fast für einen Scherz hielt, als am 1. April 2010 der Plan zum Bau des Akademie-Gebäudes verkündet wurde. Es entstand als „Anhängsel“ zur damals errichteten größten Werkhalle, die eine Länge von über 700 Metern hat. Die räumliche Nähe erwies sich bald als vorteilhaft. Heuer: „Die Ausbildung ist nahe dran am Betriebsalltag, was zusätzlich motiviert.“
Eine Zukunft bei Liebherr könnte sich auch Paul Karp vorstellen. Der 24-Jährige absolviert derzeit eine vierwöchige „Kompetenzfeststellung“. Diese war ihm nach einigen „vergeblichen Maßnahmen“ von der Arbeitsagentur vermittelt worden. „Dabei versuchen wir mit praktischen Aufgaben herauszufinden, wo die Teilnehmer ihre Stärken haben“, sagt Ausbilder Michael Kuntke.
Beim Schweißen hat Paul Karp nicht von ungefähr gut abgeschnitten. „Das Schweißen habe ich mal in einer Produktionsschule ausprobiert. Da hat’s gefunkt.“
Wenn alles klappt, folgt eine fünfmonatige Fachausbildung. Die Chancen auf einen Job danach sind gut wie selten, denn Schweißer werden in Mecklenburg-Vorpommern aktuell verstärkt gesucht, auch bedingt durch den neuen Kreuzschifffahrtbau im Land.
Das Wirtschaftsministerium hat daher in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft eine groß angelegte Qualifizierungsoffensive gestartet, um den Fachkräftebedarf rasch decken zu können. Thomas Lambusch, Präsident des Arbeitgeberverbands Nordmetall, bewertet es als „ein richtiges Signal zur richtigen Zeit, Arbeitnehmer zu unterstützen, sich auf neue Produkt- und Prozessanforderungen einzustellen“.
Akademie-Leiter Harder sieht durch den Aufschwung im Schiffbau an der Ostseeküste ebenfalls „einiges an Arbeit auf uns zukommen“. Die Ausbilder wissen aber auch, dass der Umstieg von frisch geschulten Schweißern in den Produktionsprozess nicht ohne Tücken ist: „Die Arbeitsanforderungen sind sehr hoch.“
Aus der Not wurde eine Tugend gemacht, 2012 entstand die Idee von der Coaching-Insel. Diese befindet sich in Halle 4 nahe der Akademie. In diesem Bereich sind 20 bis 30 Mitarbeiter von Liebherr und Zeitarbeitsfirmen beschäftigt. Sie fertigen unter produktionsnahen Bedingungen mächtige Klappholme und Abstützplatten für die Hafenmobilkrane.
Dabei werden sie fachkundig angeleitet, gemäß dem Credo der Akademie, das Wolfgang Heuer umreißt: „Wir schaffen Kompetenzen, damit unsere Absolventen in der Wirtschaft bestehen können.“
Der Ingenieur arbeitet seit 2015 als Ausbilder in der Liebherr-Akademie
Schon in der Schule reizte Wolfgang Tews die Technik, mit der sich Nachrichten und Sprache übermitteln lassen. Damals gab es noch Telefone mit Wählscheibe. Antiquiert angesichts der „heute paradiesischen Zustände in der Telekommunikation“, befindet der 57-Jährige, der als Ausbilder für Elektrotechnik an der Liebherr-Akademie arbeitet.
Das Interesse an Telefonen bestimmte auch den beruflichen Weg des Rostockers. Er wurde Facharbeiter für Nachrichtentechnik, arbeitete im Fernmeldeanlagenbau, studierte Nachrichtentechnik und wechselte dann vor etwa 30 Jahren in die Berufsausbildung.
Tews schätzt den Umgang mit jungen Menschen. Es sei reizvoll, ihnen Fachwissen mitzugeben. Bei seinen sechs Enkeln allerdings sind die Rollen eher umgekehrt, wenn es um Smartphones und Ähnliches geht. „Die Kinder wachsen damit auf“, resümiert er. „Da kann man kaum Schritt halten.“
Aus- und Weiterbildung auf 8 000 Quadratmetern
Die 2009 gegründete Liebherr-Akademie gehört zur Liebherr-MCCtec Rostock GmbH, in der Hafenmobil-, Schiffs- und Offshore-Schwerlastkrane sowie Reach-Stacker zum Stapeln und Umschlagen von Containern hergestellt werden.
Die staatlich anerkannte Einrichtung verfügt auf 8 000 Quadratmeter Ausbildungsfläche über modern eingerichtete Lehrwerkstätten und Schulungsräume.
Neben interner und externer Erstausbildung zählen die Fachausbildung in Elektro- und Steuerungstechnik sowie Metall-, Schweiß- und Zerspanungstechnik zu den Tätigkeitsfeldern. Daneben werden Bildungsmanagement, berufliche Frühorientierung, E-Learning und kaufmännische Ausbildung angeboten. Die Einrichtung bildet in insgesamt zehn Lehrberufen aus.
Mein Job
Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Ich arbeite seit gut 30 Jahren in der Ausbildung. 2015 kam dann ein Angebot der Liebherr-Akademie, und ich nahm an.
Was gefällt Ihnen besonders?
Mich reizt die Aufgabe, Azubis das beizubringen, was für den Job relevant ist. Ich selbst bleibe dabei auch immer auf neuestem Wissensstand.
Worauf kommt es an?
In diesem Job ist es vor allem wichtig, den jungen Menschen ein verlässlicher Ansprechpartner zu sein, der aufbaut, aber zugleich auch Grenzen aufzeigt.