Den Tag, an dem die Drohne erstmals abhob und eine elegante Runde über dem Schulgelände in Neumünster drehte, wird Jakob Jacobsen (17) vermutlich nie vergessen. Wochenlang hatte der Gymnasiast mit seinen Teamkameraden an dem Fluggerät getüftelt, und immer wieder gab es neue Herausforderungen, denn die Schüler hatten ein ehrgeiziges Ziel: Sie wollten einen ferngesteuerten Senkrechtstarter bauen, der nicht nur kontrolliert fliegen kann, sondern auch Bilder nach unten schickt, möglichst wackelfrei und scharf, versteht sich.
Im Mai 2016 war es endlich so weit: Die 2,5 Kilo schwere Konstruktion flog, und auf dem Monitor der Fernbedienung erschien ein klares Bild, aufgenommen von einer Minikamera am Rumpf des Hexacopters. „Dieser Begriff bezieht sich auf die Anzahl der Propeller“, erklärt Ratje Reimers. „Hexa ist das griechische Wort für die Zahl sechs.“
Wie und warum fliegt eine Hummel? Das war die Ausgangsfrage des Projekts
Reimers hat das Projekt konzipiert und vom ersten Tag an begleitet. Der langjährige Informatiklehrer der Immanuel-Kant-Schule in Neumünster ist zwar schon im Ruhestand, aber sein Herz schlägt immer noch für die Naturwissenschaften, Technik und die pädagogische Arbeit. Für die Schüler ein Glücksfall, denn mit dem pensionierten Oberstudienrat haben sie den richtigen Betreuer für so ein Vorhaben.
Die erforderlichen Finanzmittel gab es von dem Förderprogramm „lüttIng. „(luetting.de), das vom Arbeitgeberverband Nordmetall, von der Werner-Petersen-Stiftung und vom Schleswig-Holsteinischen Bildungsministerium unterstützt wird. Die Initiative wurde entwickelt, um jungen Menschen praktisches Wissen im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) zu vermitteln.
„Unser Ziel ist es, Schülerinnen und Schüler für Technik und technische Berufe zu begeistern“, so Nordmetall-Referent Thomas Küll. „Ein wichtiges Element ist dabei die Zusammenarbeit mit Partnern aus dem Wirtschafts- oder Hochschulbereich. Die Jugendlichen bekommen so Unterstützung bei ihren Projekten und spannende Einblicke in die Entwicklung und Fertigung eines technischen Produkts.“
Wer als Schülergruppe dabei sein will, muss einen Antrag stellen, in dem das Vorhaben erklärt wird. Es folgt eine Präsentation vor einer Fachjury, die über die Aufnahme in das Programm entscheidet. Für jedes lüttIng.-Projekt erhalten die teilnehmenden Schulen eine Förderung von bis zu 5.000 Euro pro Jahr.
Das Projekt der Drohnenbauer aus Neumünster begann mit einer simplen Ausgangsfrage: „Was können Techniker von der Natur lernen?“ Betreuer Ratje Reimers: „Im Kern geht es um die Analyse von Regelkreisen, die in Natur und Technik in allen Varianten auftreten. Nehmen Sie zum Beispiel die Hummel: Trotz ihres relativ hohen Eigengewichts kann sie erstaunlich gut fliegen und punktgenau landen. Technisch gesehen eine Höchstleistung in Sachen Regeltechnik.“
Damit war das Ziel der Gruppe definiert: Der Bau einer flugfähigen Drohne, die mit einer selbst programmierten Regelung zur Steuerung ausgestattet ist.
Ausgerechnet bei der Präsentation vor der Jury gab’s eine Bruchlandung
Die Mitglieder des Teams, anfangs sieben Schüler zwischen 11 und 16 Jahren, machten sich mit Feuereifer an die Arbeit. Zunächst wurde ein kleiner Quadrocopter angeschafft, um erste Erfahrungen mit derartigen Fluggeräten zu sammeln und Verständnis für die Grundlagen zu entwickeln. Wenn das Wetter gut war, wurde draußen auf dem Sportplatz geflogen, bei Regen ging es in die Turnhalle.
„Das hat echt Spaß gemacht“, erzählt Tobias Krahe (14). „Plötzlich war einem klar, wozu man diese ganzen mathematischen und physikalischen Formeln braucht, die im Gymnasium auf dem Lehrplan stehen.“ Die Schüler lernten Programmiersprachen und das Lesen von Bauplänen, befassten sich eingehend mit Mess- und Regeltechnik und konnten ganz nebenbei ihr Kompetenz in Sachen Projektarbeit testen.
Damit beeindruckten sie auch ihren Betreuer. Im Zwischenbericht zum Projekt notierte Reimers: „Die AG ist hoch motiviert. Das wurde bei der Bereisung der Jury im März 2015 und im Februar 2016 deutlich. Das Einarbeiten neuer AG-Teilnehmer durch die erfahrenen Bastler vermittelt zusätzliche Kompetenzen für die Älteren, da sie Arbeitsabläufe erklären und delegieren lernen müssen.“
Anfang 2016 nahm die Drohne dann langsam Gestalt an. Nach vielen Versuchen hatte sich die Gruppe am Ende für sechs Propeller entschieden, da die Konstruktion damit stabiler in der Luft liegt. Außerdem erreicht man so mehr Auftrieb für das Gerät, das mit maximaler Nutzlast beladen fast fünf Kilo wiegt.
Natürlich gab es auch Rückschläge. Paul Lojewski (17) erzählt: „Ausgerechnet bei der Präsentation vor der lüttIng.-Jury kam es zu einer Bruchlandung. Der Hexacopter flog gegen ein Podium und verlor zwei Propeller. Echt peinlich …“
Jakob will Ingenieur werden. Und Paul Physiklehrer
Das Projekt hat unter dieser kleinen Panne jedoch nicht gelitten. Auch die Motivation der Teilnehmer nicht. Jakob Jacobsen: „Ich habe unheimlich viel gelernt, und ich glaube, das gilt auch für die anderen. Ich hätte nie gedacht, dass Schule so viel Spaß machen kann.“
Sein Berufswunsch steht bereits fest. Er will Ingenieur werden. Und sein Teamkamerad Paul Lojewski peilt eine pädagogische Karriere an. Als Physiklehrer.
Der gebürtige Westfale ist seit über 35 Jahren im Medienbereich tätig. Er studierte Geschichte und Holzwirtschaft und volontierte nach dem Diplom bei der „Hamburger Morgenpost“. Danach arbeitete er unter anderem bei n-tv und „manager magazin online“. Vor dem Wechsel zu aktiv leitete er die Redaktion des Fachmagazins „Druck & Medien“. Wenn er nicht für das Magazin „aktiv im Norden“ in den fünf norddeutschen Bundesländern unterwegs ist, trainiert er für seinen dritten New-York-Marathon.
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