Stoff für Science-Fiction-Fans: Drei Wochen, nachdem der deutsche Astronaut Alexander Gerst Anfang Juni zu seiner zweiten Weltraum-Mission „Horizons“ aufbrach, folgte ihm sein neuer „Kollege“ Cimon ins All. Ziel der beiden: die internationale Weltraumstation ISS. Das Besondere: Cimon ist ein Roboter, so rund und groß wie ein Medizinball. Er kann sich selbstständig im Raumlabor bewegen und dem Astronauten bei Experimenten, alltäglichen Arbeiten und Reparaturen helfen.

Cimon wurde im Auftrag des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) von Airbus in Bremen und Friedrichshafen gebaut und mit künstlicher Intelligenz (KI) von IBM versehen. In der ISS soll das fliegende Helferlein die Forscher vor allem bei Routinearbeiten unterstützen. Dafür kann das Gerät auf einem acht Zoll großen Display Filme, Skizzen und Texte anzeigen. Zudem kann Cimon auch sprechen und Alexander Gerst selbstständig an seiner Stimme erkennen.

Echte Dialoge zwischen Astronauten und Cimon

Möglich macht’s die KI-Software Watson von IBM. Damit ist Cimon lernfähig. Er kann Checklisten und Arbeiten nicht nur nach vorgegebenen Schemata abarbeiten, sondern in einen echten Dialog mit den Astronauten treten.

Manfred Jaumann, Leiter Microgravity Payloads bei Airbus, ist sichtlich stolz auf die kluge Kugel. „Wir haben mit Cimon den ersten KI-basierten Missionsbegleiter erschaffen“, sagt er. „Damit sind wir die Ersten in Europa, die eine Art fliegendes Gehirn auf die ISS bringen und so künstliche Intelligenz für ihre Besatzung nutzbar machen.“

Pionierarbeit haben die Airbus-Entwickler auch in Sachen Fertigung geleistet. So ist die komplette Außenschale im 3-D-Druck entstanden.

Seit 2016 arbeitet ein 50-köpfiges Team aus Wissenschaftlern und Ingenieuren von Airbus, DLR, IBM und der Universität München an dem smarten Flugbegleiter. In Bremen waren zeitweise bis zu fünf Ingenieure mit dem runden Roboter beschäftigt. Ihre Aufgabe war es, Navigation und Fluglageregelung der fliegenden Kugel zu entwickeln und zu programmieren.

Ziemlich beste Freunde dank smarter Technologie

Der Bremer Entwicklungsingenieur Josef Sommer erklärt: „Damit sich Cimon in der Schwerelosigkeit bewegen kann, ist er mit 14 kleinen Propellern ausgestattet. Sie ermöglichen ihm, sich in jede Richtung zu bewegen und zu drehen.“ Um sich zu orientieren, hat Gersts elektronischer Buddy eine eingebaute Stereokamera, mit der er anhand bestimmter Markierungen im Columbus-Labor seine Position exakt bestimmen kann.

Mit einer zweiten Kamera erkennt er seinen menschlichen Kollegen Gerst, auf den er auch trainiert wurde. Die KI-Software wurde mit Stimmbeispielen, Fotos und der Lieblingsmusik von Astro-Alex (so Gersts Twitter-Name) „gefüttert“, ebenso wie mit Ablaufprozeduren und Bauplänen des europäischen ISS-Moduls Columbus.

Damit sich umgekehrt auch Gerst mit seinem elektronischen Kollegen anfreunden kann, durfte er bei der Auswahl des Bildschirmgesichts und der Stimme mitentscheiden. Wenn er nach Cimon ruft, erkennt ihn der künstliche Kollege dank seiner eingebauten Mikrofone.

„Wir denken, dass Cimon ein nützlicher Helfer auf der Station sein wird“, sagt Valerie Schröder. Die Luft- und Raumfahrt-Ingenieurin hat die Software für die Lage- und Navigationsregelung entwickelt. Schröder: „Cimon entlastet die Astronauten nicht nur bei ihren Aufgaben, sondern leistet auch einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit, da er als Frühwarnsystem bei eventuellen Problemen fungieren kann.“

Während der gerade laufenden Horizons-Mission wird Cimon zunächst drei Tests gemeinsam mit Alexander Gerst bearbeiten. Mensch und Maschine werden mit Kristallen experimentieren, gemeinsam den Rubik-Zauberwürfel lösen und ein komplexes medizinisches Experiment durchführen.

Fähigkeiten längst nicht ausgeschöpft

Bei seinem ersten Weltraumeinsatz ist Cimon von seinen Fähigkeiten her noch relativ begrenzt. Mittelfristig aber wollen ihn die Raumfahrtforscher auch für komplexere Aufgaben einsetzen. So soll sich der künstliche Begleiter beispielsweise mit gruppendynamischen Effekten beschäftigen, die bei längeren Missionen im All eine entscheidende Rolle spielen können. Soziale Interaktion zwischen Mensch und Maschine könnte eine wichtige Rolle für den Erfolg von Langzeitmissionen spielen, so die Entwickler. Außerdem könnte ein Nachfolgemodell noch mit jeder Menge mehr Fähigkeiten ausgestattet werden.

Josef Sommer denkt beispielsweise an einen Arm, mit dem Cimon dem Astronauten Werkzeuge anreichen kann. Aber auch bei der Gesichtserkennung seien die Potenziale längst nicht ausgeschöpft. Warum sollten Cimons Nachfolger nicht am Gesichtsausdruck des Astronauten erkennen können, in welcher Stimmung der gerade ist und entsprechend darauf reagieren?

So könnte die Maschine aktiv zum Stressabbau beim Menschen beitragen. Und da Lachen bekanntlich gut für die Stimmung ist, hat Cimon auch schon den einen oder anderen Witz gelernt.

Mission Horizons

Nächster Halt ISS

Mittwoch, 6. Juni, 13.12 Uhr. Pünktlicher Bilderbuchstart der Sojus-Rakete vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur. Der Deutsche Alexander Gerst, der Russe Sergei Prokobjew und die Amerikanerin Serena Auñón-Chancellor sind auf dem Weg zur Internationalen Raumstation ISS, wo sie ein gutes halbes Jahr verbringen werden.

Gerst kommt dabei die Ehre zuteil, erst als zweiter Europäer Kommandant der Raumstation zu sein. Bisher war dies den Astronauten und Kosmonauten aus den USA und Russland vorbehalten. Während der Mission „Horizons“ wollen der deutsche Geophysiker, der russische Kampfpilot und die amerikanische Ärztin rund 300 Experimente durchführen, 35 davon aus deutschen Unis und Forschungseinrichtungen.

Schon vor ihrer Ankunft im All wurden zahlreiche Experimente per Raumtransporter zur ISS verfrachtet. Im April startete vom US-Weltraumbahnhof Cape Canaveral eine Falcon-Rakete, einen Monat später brachte eine amerikanische Antares-Rakete Experimente nach oben. Darunter auch eines, das von den jungen Zuschauern der „Sendung mit der Maus“ eingereicht wurde. Die spannende Frage, die Astro- Alex nun beantworten darf: Kann man auf der ISS eine mit Luft angetriebene Mini-Rakete fliegen lassen?

Lothar Steckel
Autor

Als Geschäftsführer einer Bremer Kommunikationsagentur weiß Lothar Steckel, was Nordlichter bewegt. So berichtet er für aktiv seit mehr als drei Jahrzehnten vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie, Logistik- und Hafenwirtschaft, aber auch über Kultur- und Freizeitthemen in den fünf norddeutschen Bundesländern.

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