Lorch. Das Sägeblatt nähert sich der nagelneuen E-Klasse von Mercedes. Schon fliegen Funken, das Werkzeug frisst sich durch die Karosserie. Thomas Amm sieht entspannt zu und lächelt. Er ist Geschäftsführer des Unternehmens Binz in Lorch (Ostwürttemberg). Hier werden täglich Oberklasse-Neuwagen zersägt!
„Das ist erst der Anfang“, erklärt Amm. Die Autos werden verlängert und umgebaut, zu Stretchlimousinen und Bestattungswagen. Bis zu 400 solcher Fahrzeuge entstehen pro Jahr unter den Händen von 140 Mitarbeitern. In einer riesigen Halle bauen sie Rückbänke und Verkleidungsteile aus, zerlegen dicke Kabelstränge. Amm schildert: „In einem Auto steckt sehr viel Elektronik. Das macht unsere Arbeit besonders knifflig.“
Zur Verlängerung werden Leichtbauteile eingefügt
In einer anderen Halle fertigen Mitarbeiter Leichtbauteile, die zur Verlängerung eingefügt werden. Dann wird geschweißt, gespachtelt und geschliffen, bis die neue Karosserie perfekt ist. Die Mitarbeiter gestalten das Innenleben neu, puzzeln die Elektronik wieder zusammen und schicken das Auto in die Lackierstraße. Der Umbau dauert zehn bis zwölf Wochen.
Die Binz-Belegschaft baut auch Mercedes-Sprinter zu Polizeifahrzeugen um. Die werden zwar nicht zersägt, bekommen aber Zusatzausstattung wie Signal- oder Funkanlagen.
Eine Stretch-Limousine misst nach dem Umbau 6,10 Meter und hat nun sechs Türen! Kostenfaktor: ab etwa 100.000 Euro. Größter Geschäftszweig des Unternehmens aber sind Bestattungsfahrzeuge. Auch der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl wurde in einem Binz zur letzten Ruhestätte gefahren. Übrigens kommen auch die meisten Stretch-Limousinen von Binz bei Bestattungen zum Einsatz, denn in vielen Ländern werden sie hier üblicherweise als Begleitfahrzeuge eingesetzt.
Mit dem Verlängern von Fahrzeugen hat der Betrieb seit 1936 Erfahrung. Und macht das deshalb auch für andere Hersteller, die dann ihren eigenen Aufbau montieren.
Es kommt vor allem auf Zuverlässigkeit an
„Die Fahrzeuge müssen vor allem zuverlässig sein“, sagt Amm. Weil er vorher Manager in der Bestattungsbranche war, weiß er, was noch zählt: „Rund um Friedhöfe sind Lärm und Emissionen unpassend.“
Daher hat Binz letztes Jahr als erster Umrüster ein elektrisches Serien-Bestattungsfahrzeug herausgebracht: auf Basis des Tesla. Amm zeigt das Vorführmodell. Als er die Heckklappe öffnet, hebt sie sich ungewohnt langsam und ganz leise. Wenn es schon zur letzten Ruhe geht, dann wenigstens würdevoll.
Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.
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