Lübz. Reifenwechsel auf der Tour, für den Trucker ist das ein hartes Stück Arbeit. Nicht unbedingt muss der alte Pneu anschließend zur Entsorgung. „Man kann Reifen auch runderneuern“, sagt Kay-Uwe Mülot. „Das spart Rohstoffe und ist billiger als der Kauf von neuen“, so der Geschäftsführer der Mülot Autotechnik Reifen in Lübz beim Besuch des aktiv-Redakteurs. Runderneuerung ist die Spezialität des Mittelständlers.

Und es ist ein Stück weit auch eine Kunst. Mülot packt sich einen alten Lkw-Reifen: „Der sieht aus, als sei er durch halb Europa gerollt. Dabei hat sich mancher Stein ins Gummi gedrückt. Die müssen alle raus, bevor wir loslegen.“

„Das könnte ich auch mit geschlossenen Augen“

Das ist die Aufgabe von Harry Lorenz. Er entfernt die Steine und beseitigt dann mit der Raumaschine millimetergenau den Laufflächenbelag. Jeder Handgriff sitzt. „Das könnte ich auch mit geschlossenen Augen“, sagt Lorenz. Kein Wunder, er arbeitet schon mehr als 29 Jahre für Mülot Autotechnik in Mecklenburg-Vorpommern.

Nun nimmt sich Vulkaniseurmeister Michael Biddrich den Reifen vor. Er zeigt auf die kleinen Löcher, wo zuvor die Steine waren. Die müssen ausgebohrt werden, „wie beim Zahnarzt“, erklärt Biddrich. „Und wie beim Zahnarzt machen wir die Löcher auch wieder zu – mit Plomben aus Rohgummi.“ Anschließend bringt Biddrich mit der Maschine ein Klebeband – natürlich auch aus Rohgummi – auf, damit die neue Lauffläche hält. Nun kommt der entscheidende Moment: Der Reifen erhält sein neues Profil.

    Dreieinhalb Stunden im Ofen bei 110 Grad sorgen für festen Halt

    Damit der Reifen wieder auf die Straße darf, müssen sich der vorhandene Gummi und das neue Profil felsenfest verbinden. „Das muss auf molekularer Ebene passieren“, erklärt Biddrich. Dazu wird das neue Profil erst kräftig aufgepresst. Anschließend kommt der Reifen mit 16 anderen dreieinhalb Stunden bei 110 Grad Celsius in den Ofen. Und fertig ist der runderneuerte Reifen.

    Jetzt kann er wieder durch halb Europa rollen wie in seinem ersten Leben. Das ist viel billiger als ein komplett neuer Reifen. Biddrich: „Wir brauchen nur etwa ein Viertel der Rohstoffe eines neuen Reifens.“ Und der Energieaufwand ist um die Hälfte niedriger. „Das macht auch aus ökologischer Sicht Sinn.“

    Aber jeder Pneu ist anders. Keiner weiß das besser als Steffen Giesen. Er begutachtet jeden reinkommenden Reifen. Sein geschulter Blick scannt das Gummi auf Schwachstellen. „Fuhr der Lkw häufig auf Baustellen, sind die Risse tiefer“, erklärt er. Auf Asphalt nutze sich das Profil gleichmäßiger ab. Giesen gibt den Kollegen Hinweise, damit das Runderneuern optimal gelingt.

    Geschäft wurde durch Billigimporte aus Fernost härter

    Erfahrung ist da ganz wichtig. Nach den ersten 1.000 Reifen bekomme man einen Blick dafür, sagt sein Chef. „Beim Reparieren eines Reifens ist hohes handwerkliches Geschick erforderlich“, ergänzt Firmenchef Mülot. „Das können nicht viele.“ Dazu gehört auch eine fundierte theoretische Ausbildung. Mülot schickt seine Mitarbeiter deshalb regelmäßig zu Schulungen – übrigens bei der Firma Tip Top, einem anderen bekannten Kautschukbetrieb. „Damit wir stets auf dem neuesten Stand der Reparturtechnik sind.“ Zertifikate an den Wänden von Bürobau und Produktionshallen belegen das Engagement.

    Zudem bildet das Unternehmen aus, aktuell vier junge Leute. Firmenchef Mülot selbst hat eine Facharbeiterausbildung gemacht, dann ein Studium in der Reifenstadt Fürstenwalde, bevor er in den Familienbetrieb ging. „Ich kenne nur den Geruch von Gummi“, sagt er. Und auch wenn das Geschäft durch Billigimporte aus Fernost härter geworden ist, bleibt er zuversichtlich: „Wir stehen auch in Zukunft für Service, Vertrauen und Sicherheit.“

    Das Unternehmen

    Die Mülot Autotechnik Reifen GmbH & Co. KG beschäftigt unter anderem in Lübz, Lübeck und Bad Segeberg 60 Mitarbeiter. Sie ist spezialisiert auf das Runderneuern von Lkw-Reifen und bietet einen Reparaturservice. Eigene Servicefahrzeuge beliefern die Kunden. Zunehmend nutzen auch private Autobesitzer den Service.

    Entsorgungswege

    Was mit den Altreifen hierzulande passiert:

    • 396.000 Tonnen alte Pneus werden stofflich wiederverwertet.
    • 175.000 Tonnen nutzt man zum Energieerzeugen.
    • 26.000 Tonnen alte Reifen werden runderneuert.
    Werner Fricke
    Autor

    Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.

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