Wolfen. Hell und sauber ist das Labor. Hin und wieder klimpert ein Reagenzglas oder ein Erlenmeyerkolben, ein Gerät surrt, ein Computer verschafft sich mit dem Gebläse frische Luft. Gabriele Beutel und ihre Kollegin Bärbel Hille arbeiten konzentriert an ihren Untersuchungen, notieren diverse Werte, sprechen über Auffälligkeiten.

Alltag bei Organica Feinchemie Wolfen. Der mittelständische Synthese-Spezialist mit 90 Beschäftigten stellt jährlich etwa 200 hochkomplexe Produkte her, von manchen nur ein paar Kilo, von anderen einige Tonnen. Getestet werden sie alle: „Die angelieferten Rohstoffe, Zwischenprodukte von mehrstufigen Synthesen, Proben aus der laufenden Produktion, die fertigen Chemikalien“, zählt Beutel auf.

Ich habe eine abwechslungsreiche Arbeit und immer gut zu tun

Viskosität, Gehalt eines Stoffs in einem anderen, Schmelzpunkt, Wasseranteil, spektroskopische Analysen … Die Liste lässt sich endlos fortsetzen. Viel Arbeit auf jeden Fall, meistens im Stehen. Und immer viel Schreiberei, denn alles muss dokumentiert und protokolliert werden. „Ich habe eine sehr abwechslungsreiche Arbeit und immer gut zu tun, Gott sei Dank“, sagt die Chemielaborantin und klopft auf Holz. Manchmal ist sie mit drei Analysen gleichzeitig beschäftigt. Wenn sie zum Feierabend zu Hause ankommt, spürt sie, was sie getan hat. Deshalb ist sie schon seit den 1980ern in einer Gymnastikgruppe, „gut für Beine und Rücken“, erklärt sie lächelnd.

Seit 1976 hat die gebürtige Wolfenerin denselben Arbeitsweg. Gleich nach der Lehre hat sie die Stelle in der bekannten Filmfabrik Wolfen bekommen. „15 Kolleginnen teilten sich damals das gleiche Labor. Das war aber nicht so modern und umfassend wie heute ausgestattet“, erinnert sie sich. „Wir hatten zum Beispiel nur zwei Präzisionswaagen, da musste man sich oft anstellen.“

Das war aber kein Grund für Müßiggang: „Früher haben wir auch bloß gearbeitet.“ Mit dem Umbruch 1989/90 zog die große Unsicherheit ins Labor der Filmfabrik Wolfen ein. Manche Kollegin suchte sich selbst einen neuen Job, anderen wurde gekündigt. Für Gabriele Beutel und Bärbel Hille ergab sich diese Chance: Bodo Schulze, Betriebsleiter der Abteilung „Zwischenprodukte“, nahm die zwei Fachfrauen mit in seine Firma Organica Feinchemie, eine Ausgründung aus der Filmfabrik.

Nur zum Anfang liefen die Geschäfte zäh, rasch änderte sich das. Die Gewinne flossen ins Unternehmen zurück, auch das Labor wurde renoviert, modernisiert und bestens ausgestattet. „Das war eine anstrengende und dennoch sehr schöne Zeit, ständig gab es Neues zu lernen“, blickt die fast 60-jährige Chemielaborantin zurück, die damals an der Volkshochschule extra Englisch lernte. Für die Arbeit, aber auch, um sich auf Reisen unterhalten zu können: Im Ruhestand will sie sich mit ihrem Mann, der als Schichtleiter in der Chemie arbeitet, einen großen Traum erfüllen – mit dem Auto in einem Jahr Australien umrunden.

Region feiert unter dem Motto „Wir leben Chemie“ 125-jähriges Jubiläum

Bis dahin ist aber noch ein wenig Zeit. 2018 ist für Gabriele Beutel und die Region Bitterfeld-Wolfen erst mal ein Jubeljahr: 125 Jahre zuvor legte eine Elektrolyse-Anlage den Grundstein für die hiesige Chemiebranche. Im Mai starten die Feierlichkeiten mit einem Firmenlauf, Anfang Juni folgt eine Festwoche inklusive Überraschungen, vielleicht kommt auch die Kanzlerin. Auf der Webseite 125-jahre-chemieregion.de gibt’s alles rund ums Jubiläum.

Persönlich

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Die Auswahl war vor Ort nicht sehr groß. Chemie hatte mich schon in der Schule interessiert. Chemielaborantin lag da nahe.

Was reizt Sie am meisten?

Die Abwechslung bei der Arbeit, kaum ein Tag gleicht dem anderen. Und als Teil des Ganzen sorgt man mit dafür, dass am Ende ein gutes Produkt entsteht.

Worauf kommt es an?

Ordnung, Sauberkeit, Präzision und Korrektheit sind ganz wichtig. Und ohne Freude an der Arbeit hält man nicht lange durch.