Bühl. Auf den ersten Blick unterscheiden sich die Kunststoffgranulate in den verschiedenen Eimerchen nur in ihrer Farbe. Das Know-how, das hinter den Produkten von Bada steckt, sieht man den kleinen zylinderförmigen Stückchen nicht an. Das Unternehmen produziert im badischen Bühl hochwertige technische Kunststoffe: Sie werden individuell für jeden Kunden entwickelt. „Unsere thermoplastischen Kunststoffe lassen sich durch Wärme in Form bringen“, erklärt Jochen Ring beim Besuch von aktiv und lässt das blaue Granulat durch seine Finger rinnen.
Der 40-Jährige ist Anwendungstechniker und tüftelt mit sieben Kollegen so lange an den Rezepturen, bis alle Wünsche der Kunden erfüllt sind. Rund 20.000 Tonnen Kunststoff kann das Unternehmen mit 100 Mitarbeitern jährlich herstellen. Gut zwei Drittel davon gehen an die Automobil- und Elektro-Industrie. Dort werden sie weiterverarbeitet, beispielsweise zu Teilen für den Innenraum von Fahrzeugen oder zu Komponenten für die Elektroinstallation.
Spezielle Zusätze machen das Material UV-beständig, haltbar und feuerfest
Die Kunststoffe müssen – je nach Verwendung – viele sehr unterschiedliche Kriterien erfüllen: „Wird ein Kunststoff im Auto eingesetzt, etwa für Ablagen, muss er UV-beständig sein, darf nicht vergilben oder spröde werden“, beschreibt Ring. Auch die Farbe des Materials beschäftigt den Chemiker. Schließlich sollen im Auto benachbarte Komponenten den gleichen Farbton haben – unabhängig vom verwendeten Material. Kunststoffteile für die Elektro-Industrie müssen dagegen strenge Flammschutz-Kriterien erfüllen: Sie dürfen bei einem Kurzschluss selbst bei hohen Temperaturen nicht glimmen oder brennen. Deshalb setzt man den Kunststoffen bei Bada verschiedene Zusatzstoffe (Additive) zu.
„Im Prinzip durchläuft das Material vier Stadien“, berichtet Ring. „Das Roh-Granulat wird aufgeschmolzen, die Additive werden zugesetzt, die flüssige Masse wird mit Druck zu dünnen Strängen extrudiert und dann wieder zu Granulat geschnitten.“ Jochen Ring kann gut erklären – ein Vorteil in seinem Beruf. Er ist eine Art Vermittler: „Ich bringe die Anforderungen der Kunden mit dem technisch Machbaren und Sinnvollen zusammen“, sagt er. Dazu braucht er nicht nur Fachwissen: „Man muss viel mit den Kunden und Vertriebsmitarbeitern sprechen und vor allem auch zuhören.“
„Ich will wissen, warum ein Plastikteil zerbricht“
Sein Interesse am Werkstoff ist auch nach Feierabend ungebrochen: „Ich teile diese Berufskrankheit mit vielen Materialwissenschaftlern“, scherzt Ring, „ich muss jedes Kunststoffteil, das ich in die Finger bekomme, ganz genau ansehen.“ Wie bei seinem Hobby: Der Landauer spielt im Verein Tischtennis. „Früher waren Tischtennisbälle aus Zelluloid“, berichtet er. „Weil das Material aber sehr leicht entflammbar ist, gilt es als Gefahrgut und wurde durch Kunststoff ersetzt.“ So ganz zufrieden ist er mit dem neuen Spielmaterial nicht: Teurer und weniger langlebig seien die neuen Bälle. „Ich habe mir zum Spaß schon überlegt, wie man sie verbessern könnte“, sagt er.
In seinem Job gehört es auch zu seinen Aufgaben, die Eigenschaften der Kunststoffe zu prüfen: In der Produktion spritzen Bada-Mitarbeiter das Material zu kleinen Probeplättchen, so groß wie eine Visitenkarte. Die müssen im Labor bei der Qualitätskontrolle eine Menge aushalten: Sie werden an eine Flamme gehalten, bei der Schlagprobe saust ein Hammer auf das in eine Vorrichtung eingespannte Material, bei der Zugprobe wirken Kräfte gleich von zwei Seiten ein. „Ich will wissen, warum ein Plastikteil zerbricht“, sagt Ring und lacht.
Den Begriff „Plastik“ verwendet der Chemiker eigentlich nicht gerne. Schließlich arbeitet er mit hochwertigen technischen Kunststoffen, die auf eine lange Lebensdauer ausgelegt sind. „Aber manchmal ist es hilfreich, sich etwas unkomplizierter auszudrücken und auf Fachchinesisch zu verzichten. Das erleichtert das gegenseitige Verständnis enorm.“
Nachgefragt
Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Schon in der Schule fand ich Naturwissenschaften spannend. Es interessiert mich einfach, wie die Dinge zusammenhängen. Also habe ich Chemie studiert und promoviert.
Was reizt Sie am meisten?
Ich habe jeden Tag mit neuen, immer wieder anderen Themen zu tun. Denn jeder Kunde hat andere Ansprüche und Erwartungen.
Worauf kommt es an?
Neben dem technischen Fachwissen braucht man Einfühlungsvermögen und muss gut mit Menschen umgehen können. Bei der Entwicklung neuer Produkte muss man Kollegen und Kunden genau zuhören.
Nach dem Germanistik- und Anglistik-Studium absolvierte Andrea Veyhle ein Volontariat und arbeitete für eine Agentur. Seit 2007 ist sie freiberuflich für verschiedene Verlage tätig. Für aktiv berichtet sie in Reportagen über die Chemie in Baden-Württemberg und stellt mit Porträts die vielseitigen Berufsbilder der Branche vor. Außerdem erklärt sie, wo uns chemische Produkte im Alltag begegnen. In ihrer Freizeit experimentiert sie gerne in der Küche, Kalorien strampelt sie auf dem Rennrad wieder ab.
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