München. „Unser Geschäft bleibt samstags wegen Personalmangels geschlossen.“ Schilder dieser Art lesen Stadtbummler immer häufiger an Läden im Freistaat. Denn bereits heute fehlen vielerorts Mitarbeitende. Und das ist erst der Anfang, zeigt die neue Studie „Regionale Arbeitslandschaften“, die das Forschungsinstitut Prognos im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) erstellt hat.

Sie berechnet bis ins Jahr 2035 voraus, wie sich für einzelne Berufsgruppen sowohl das Angebot an Arbeitskräften als auch die Nachfrage in den Regionen entwickeln – zumindest dann, wenn sich die heute erkennbaren Trends ungebrochen fortsetzen. Bertram Brossardt, vbw-Hauptgeschäftsführer, fasst zusammen: „Der Fachkräftemangel besteht weiter.“ Mit einer Lücke von rund 400.000 Personen falle er niedriger aus, als in früheren Studien berechnet, auch dank des Zuzugs von Flüchtlingen.

Mangel: In Bayern werden im Jahr 2035 rund 400.000 Arbeitskräfte fehlen.

Grundsätzlich zeigt sich ein Nord-Süd-Gefälle: In Franken werden deutlich mehr Menschen fehlen als etwa in Schwaben. Ausgenommen sind Ballungszentren, hier ist bayernweit die Lage entspannter. Fast überall sind es dieselben Berufsfelder, in denen großer Mangel herrscht (siehe Grafik). In einigen Berufen wird es jedoch bayernweit ein Überangebot geben.

Eine weitere Erkenntnis: Die Nachfrage nach Arbeitskräften wird zwar insgesamt leicht sinken. Dies kompensiert jedoch nicht den Fachkräftemangel. Wie es in den einzelnen bayerischen Regionen aussieht, zeigt der Überblick.

Unterfranken: Hoher Mangel an Arbeitskräften mit der Stadt Würzburg als Lichtblick

Unterfranken bildet geografisch den Mittelpunkt der Europäischen Union. Die Region ist ländlich geprägt, mit wenigen Ballungszentren wie Würzburg oder Schweinfurt. Laut Studie fällt hier der Saldo zwischen dem Angebot an Arbeitskräften und der Nachfrage besonders stark aus.

So werden etwa im Kreis Rhön-Grabfeld im Jahr 2035 rund 17 Prozent mehr Arbeitskräfte nachgefragt, als zur Verfügung stehen. In Zahlen ausgedrückt: Es werden etwa 38.000 Arbeitskräfte fehlen.

In Bad Kissingen wird die Nachfrage das Angebot um 16,5 Prozent übersteigen. In den Kreisen Main-Spessart, Aschaffenburg und Schweinfurt überwiegt die Nachfrage das Arbeitskräfteangebot mit jeweils rund 15 Prozent ebenfalls deutlich. Auch in der Stadt Würzburg ist die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage hoch, jedoch mit 10 Prozent die niedrigste in der Region.

Oberfranken: Ausgeprägter Mangel an Arbeitskräften

Neun Landkreise und die vier kreisfreien Städte Bamberg, Bayreuth, Coburg und Hof bilden den Regierungsbezirk Oberfranken im Nordosten Bayerns. Die Region ist ein traditioneller Industrie- und Produktionsstandort mit einer der höchsten Industriedichten Europas bezogen auf die Bevölkerung. Entsprechend hoch ist die Nachfrage nach Arbeitskräften – doch die Bevölkerung altert, die Anzahl an Menschen im arbeitsfähigen Alter nimmt stetig ab, die Region schrumpft.

Schon heute fehlen 47.000 Arbeitskräfte, bis ins Jahr 2035 vergrößert sich diese Lücke auf rund 78.000 Arbeitskräfte. Besonders in der Stadt Kronach wird sich der Mangel bemerkbar machen: Hier wird die Nachfrage nach Personal um 22 Prozent über dem Angebot liegen. In der Stadt Bamberg, die regional am wenigsten betroffen ist, wird die Nachfrage dennoch etwa 10 Prozent über dem Angebot liegen.

Mittelfranken: In den Zentren ist die Fachkräftelücke kleiner

Mit seinen starken städtischen Ballungszentren Nürnberg, Fürth sowie Erlangen-Höchstadt zeigt sich in Mittelfranken ein differenziertes Bild. Denn in den Städten wird der Mangel an Arbeitskräften weniger stark ausgeprägt sein als in den ländlichen Regionen.

So ist der Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen am stärksten vom Mangel an Arbeitskräften betroffen: Die Nachfrage wird dort um etwa 14 Prozent das Angebot übersteigen.

Insgesamt ist für Mittelfranken die Lage jedoch günstiger als in den beiden fränkischen Schwesterregionen Unter- und Oberfranken. Denn hier wird die Bevölkerung voraussichtlich insgesamt um rund 3,7 Prozent wachsen – das macht sich auch beim Arbeitskräfteangebot bemerkbar. Insbesondere die Stadt Fürth profitiert: Hier wird, auch dank des starken Zuzugs, die Lücke zwischen Nachfrage und Angebot nur bei 5,7 Prozent liegen.

Oberpfalz: Regensburg zieht Menschen an

Nach der Landeshauptstadt München ist die Welt noch am ehesten in Regensburg in Ordnung. Hier sagt die Studie für das Jahr 2035 die bayernweit zweitniedrigste Lücke zwischen Nachfrage und Angebot an Arbeitskräften voraus: Sie wird dort etwa 3 Prozent betragen.

Insgesamt jedoch zeigt die Region, die heute etwa 1,1 Millionen Einwohner zählt, ein zweigeteiltes Bild. Dies ist auch auf die vermutete Bevölkerungszu- und -abnahme zurückzuführen. So wird etwa der Mangel an Arbeitskräften mit rund 17 Prozent im Landkreis Neustadt an der Waldnaab besonders hoch sein – dort wird ein Rückgang der Bevölkerung erwartet. Ähnlich sieht es im Kreis Amberg-Sulzbach aus, wo die Arbeitskräftenachfrage etwa 15 Prozent über dem Angebot liegen wird. Auch dort schrumpft die Einwohnerzahl stetig, während sie insbesondere im Kreis Regensburg wächst.

In Niederbayern wächst die Bevölkerungszahl

Niederbayern ist der Fläche nach der zweitgrößte Regierungsbezirk im Freistaat. Mit dem europaweit größten BMW-Werk in Dingolfing spielt die Automobil- und Zuliefer-Industrie eine große Rolle. Die Bevölkerungszahl wird insgesamt wachsen. Ausnahme ist der Landkreis Regen: Dort sinkt die Einwohnerzahl. Daher wird dort die Lücke zwischen Nachfrage nach Arbeitskräften und Angebot mit 14 Prozent am größten sein.

In den Kreisen Freyung-Grafenau, Rottal-Inn und Passau wird die Nachfrage das Angebot um etwa 12 Prozent übersteigen, in den Kreisen Deggendorf (10,7 Prozent) sowie Straubing-Bogen (9,1 Prozent) sieht die Lage ein wenig freundlicher aus. Wie in fast allen anderen Regionen Bayerns sind die städtischen Metropolen besser aufgestellt. So wird etwa in der Stadt Passau die Arbeitskräftenachfrage rund 7 Prozent höher sein als das Angebot.

Schwaben ist die zweitstärkste Region im Freistaat

Neben Oberbayern zählt Schwaben zu den am dynamischsten wachsenden Regionen im Freistaat. Schon heute ist Schwaben der Regierungsbezirk mit der zweithöchsten Einwohnerzahl Bayerns. In Zukunft wird die Bevölkerungszahl selbst in den am geringsten vom Wachstum profitierenden Kreisen Lindau, Dillingen und Donau-Ries zumindest stabil bleiben. So wird in diesen Kreisen auch die Lücke zwischen Nachfrage und Angebot an Arbeitskräften besonders hoch sein und von etwa 13 Prozent in Lindau bis 11,5 Prozent in Dillingen reichen. Auch in den Kreisen Unterallgäu sowie Günzburg fehlen im Jahr 2035 jeweils mehr als 10 Prozent Arbeitskräfte.

Die Stadt Augsburg und der umliegende Landkreis bilden ein starkes Zentrum. Hier wird die Fachkräftelücke nur etwas über 5 Prozent (Stadt) und gut 4 Prozent (Kreis Augsburg) betragen.

In Oberbayern erreicht der Arbeitkräftemangel schon im Jahr 2025 seinen Höhepunkt

Oberbayern besitzt eine Strahlkraft weit über die Grenzen Deutschlands hinaus. Die Landeshauptstadt München sowie das Umland bilden eine der stärksten Wirtschaftsregionen Europas. Das zieht Menschen an – die Bevölkerung wächst. Durch die starke Orientierung auch Richtung Zukunftstechnologien ist aber auch die Nachfrage nach Fachkräften besonders hoch: Schon im Jahr 2025, deutlich früher als in allen anderen Regionen, erreicht Oberbayern den Höhepunkt des Fachkräftemangels, etwa 181.000 Arbeitskräfte werden fehlen.

Bis zum Jahr 2035 verkleinert sich die Lücke etwas und wird sich bei rund 106.000 fehlenden Arbeitskräften einpendeln. In München wird die Nachfrage dann mit 0,6 Prozent knapp das Angebot übersteigen. Schlusslicht ist der Landkreis Garmisch-Partenkirchen mit einer Arbeitskräftelücke von 13 Prozent.

Alix Sauer
Leiterin aktiv-Redaktion Bayern

Alix Sauer hat als Leiterin der aktiv-Redaktion München ihr Ohr an den Herausforderungen der bayerischen Wirtschaft, insbesondere der Metall- und Elektro-Industrie. Die Politologin und Kommunikationsmanagerin volontierte bei der Zeitungsgruppe Münsterland. Auf Agenturseite unterstützte sie Unternehmenskunden bei Publikationen für Energie-, Technologie- und Mitarbeiterthemen, bevor sie zu aktiv wechselte. Beim Kochen und Gärtnern schöpft sie privat Energie.

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