An den Tankstellen könnten bald zwei neue Diesel-Kraftstoffe erhältlich sein. Die Einführung gilt nur noch als Formsache. Michael Gebhardt, Sprecher des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs ADAC, und Daniel Kaddik vom Bundesverband Freier Tankstellen bft erklären, was Autofahrer erwartet. 

Um welche Kraftstoffe handelt es sich?

Zum einen geht es um B10, einen fossilen Dieselkraftstoff, dem bis zu 10 Prozent Biodiesel beigemischt werden. Der bisher angebotene Diesel heißt B7, da der Anteil von Biodiesel hier nur bei 7 Prozent liegt. Zur Produktion von Biodiesel können Raps, aber auch Speisefette, tierische Fette und andere Abfallstoffe eingesetzt werden. Neu an den Zapfsäulen könnte zudem fossilfreies HVO 100 angeboten werden, wobei HVO für „Hydrotreated Vegetable Oil“ steht. „Dabei handelt es sich vorwiegend um pflanzliche Öl- und Fettreste, die in der Raffinerie mit Wasserstoff behandelt werden“, so ADAC-Experte Gebhardt. Theoretisch könnten auch Schlachtabfälle zur Produktion verwendet werden.

Was sind die Vorteile dieser neuen Dieselarten?

Der Treibhausgas-Ausstoß neuer, aber auch gebrauchter Fahrzeuge, soll sich durch die neuen Kraftstoffe verringern. Beim B10-Diesel ist das Einsparpotenzial laut Gebhardt relativ gering, bestehe er doch immerhin zu 90 Prozent aus konventionellem Kraftstoff. Mit HVO 100 könnten Autofahrer im Idealfall jedoch bis zu 90 Prozent weniger CO2 ausstoßen. Auch die Flotte bestehender Diesel-Fahrzeuge könne auf diese Weise deutlich sauberer werden. Das Potenzial sei groß: Allein in Deutschland gebe es aktuell knapp 20 Millionen Fahrzeuge mit Dieselmotor.

Wann werden die neuen Kraftstoffe zugelassen?

Im März 2024 hat der Bundesrat grünes Licht gegeben, zuletzt auch das Bundeskabinett. Nun muss die Neuregelung noch im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden, bis sie endgültig umgesetzt werden kann. Allgemein wird davon ausgegangen, dass die neuen Kraftstoffe etwa ab Anfang Mai zugelassen sind.

Wie teuer wird der synthetische Kraftstoff an der Tankstelle?

Dass B10 teurer wird als B7, glaubt ADAC-Mann Gebhardt nicht. HVO 100 könnte jedoch zwischen 5 und 20 Cent pro Liter mehr kosten als herkömmlicher Diesel. Ähnliche Preise würden jedenfalls im europäischen Ausland verlangt, wo HVO 100 zum Teil bereits seit Längerem angeboten wird. Von einem Preisaufschlag von 10 bis 20 Cent gegenüber fossilem Diesel geht auch der bft mit rund 2.800 Mitgliedstankstellen aus.

Diese Mehrkosten hingen unter anderem mit höheren Produktionskosten zusammen. Eine CO2-Abgabe und eine zusätzliche Mehrwertsteuer fielen bei HVO 100 jedoch nicht an. Der Akzeptanz durch Privatfahrer sei dieser deutliche Aufschlag sicher nicht zuträglich, sagt Gebhardt: „Der Privatmensch muss schon ein sehr ausgeprägtes grünes Gewissen haben, dass er bis zu 20 Cent mehr zahlt pro Liter.“ Für Betreiber größerer Flotten oder Spediteure mit bestimmten CO2-Zielvorgaben könnte HVO 100 jedoch interessant sein. Der bft geht davon aus, dass kurz- und mittelfristig 80 Prozent der HVO-100-Nutzung gewerblich sein werden. Für die „Defossilisierung der Logistikbranche“ sei dies sehr wichtig, so bft-Geschäftsführer Kaddik.

Darf man die neuen Kraftstoffe einfach so nutzen?

Davon rät der ADAC ab. „Sie haben ein Gewährleistungs- und Garantieproblem, wenn Sie einen Kraftstoff tanken, für den Ihr Auto nicht freigegeben ist“, sagt Gebhardt. Eine Freigabe für jedes Automodell vom Hersteller ist also unerlässlich. Neuwagen seien in der Regel für B10 und HVO 100 freigegeben, so der ADAC-Sprecher. Dann befindet sich ein „B10“-Aufkleber im Tankdeckel beziehungsweise die Abkürzung XTL, was für „X to Liquid“ steht. Das ist der Überbegriff für ein beliebiges Ausgangsmaterial, das in einen flüssigen Energieträger umgewandelt wird. Darunter fällt unter anderem auch HVO 100. Bei älteren Modellen muss der Hersteller nachträglich eine Freigabe erteilen. ADAC-Umfragen ergaben hier jedoch große Lücken. „Da ist noch einiges zu tun von der Herstellerseite“, so Gebhardt.

Eine aktuelle Liste der B10/XTL-Verträglichkeit hat die Deutsche Automobil Treuhand GmbH DAT erstellt. 

Werden die neuen Kraftstoffe bald überall zu haben sein?

Davon geht der ADAC nicht aus. „Das wird eher allmählich kommen“, so Sprecher Gebhardt. Tankstellenbetreiber seien generell nicht verpflichtet, die neuen Kraftstoffe einzuführen. Das Problem seien auch die begrenzten Kapazitäten. Bft-Geschäftsführer Kaddik bestätigt diese Einschätzung. Die Tankstellen-Betreiber verfügten nur über eine begrenzte Anzahl von Tanks: „Sie müssen sich also entscheiden, welche Kraftstoffsorte sie unter Umständen für HVO 100 aus dem Sortiment nehmen.“ Für die Benzinsorten E5 und die Dieselsorte B7 gelte jedoch Bestandsschutz: „Das heißt, diese beiden Sorten müssen Autofahrern auch in Zukunft angeboten werden.“

Vermutlich würden zunächst nur „einige wenige“ Tankstellen HVO 100 einführen können. Auch für B10 sei zunächst keine flächendeckende Einführung zu erwarten. Sollte der Bestandsschutz wegfallen, „sind wir aber überzeugt, dass HVO 100 überall zu tanken sein wird“, so Kaddik. Freie Tankkapazitäten würden voraussichtlich eher mit HVO 100 belegt als mit B10. Der bft fordere, dass zumindest Super E5 nicht mehr vorgehalten werden müsse: „Damit wäre der Platz an den Zapfsäulen frei für HVO.“ Super E5 sei motortechnisch jedenfalls „nicht mehr relevant“.

Tobias Christ
Autor

Nach seinem Germanistik-Studium in Siegen und Köln arbeitete Tobias Christ als Redakteur und Pauschalist bei Tageszeitungen wie der „Siegener Zeitung“ oder dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Derzeit schreibt er als freier Journalist Beiträge für Print- oder Onlinemedien. Für aktiv recherchiert er vor allem Ratgeberartikel, etwa rund um die Themen Mobilität und Arbeitsrecht. Privat wandert der Kölner gern oder treibt sich auf Oldtimermessen herum.

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