Es zischt und dampft. Dann summt das Kleidertransportband in der Aufbereitung des Textildienstleisters WKS im niedersächsischen Wilsum, und eine meterlange Kolonne aus Hosen, Kleidern, Blusen und Röcken setzt sich in Bewegung, fein säuberlich auf Bügeln aufgehängt.

Gundi Emme lässt sich von dem emsigen Treiben um sich herum nicht stören. Mit ruhiger Hand zieht sie einen Pinsel mit Textiltusche über das feine Muster einer Hose. „Das hier ist Handarbeit am Detail“, sagt die gelernte Produktprüferin beim aktiv-Besuch. „Da brauche ich volle Konzentration.“ Nach wenigen Minuten sind die hellen, unansehnlichen Streifen auf dem Hosenstoff verschwunden. Bei 30 Hosen einer namhaften Bekleidungsmarke hat sie heute schon diesen Fehler behoben. Sie werden bald im Handel hängen, fehlerlos als A-Ware – dank Gundi Emme.

„Wir sorgen dafür, dass Kleidung und Stoffe wieder ‚chic und schön‘ werden“, sagt WKS-Vertriebsleiter Gregor Kischel. Hört sich einfach an, ist aber eine Menge Arbeit.

Dabei ist es egal, ob die Teile direkt vom Produzenten kommen oder aus dem Retourengeschäft großer Modemarken. Zum einen korrigieren die Problemlöser aus Wilsum etwa unterschiedliche Farbverläufe in Sakko und dazugehöriger Hose, die durch fehlerhafte Fertigung entstehen. Zum anderen entfernen sie aber auch Gebrauchsspuren wie Öl- und Make-up-Flecken oder Fadenzieher in Kleidern, Blusen oder Röcken.

„Wir sorgen dafür, dass Kleidung und Stoffe wieder ‚chic und schön‘ werden“

WKS- Vertriebsleiter Gregor Kischel

Pro Woche laufen bis zu 15.000 Teile durch die Aufbereitung. Hinzu kommt die Warenschau nebenan: Dort gehen wöchentlich etwa 80.000 Meter Web- und Jerseyware durch die Qualitätskontrolle. „Es kann durchaus sein, dass wir einen Stoff zweimal sehen. Einmal als Rohware in der Warenschau und einmal als Fertigteil in der Aufbereitung“, sagt Kischel.

Was macht das Zelt im Warenlager?

Insgesamt liegen im Lager des Textildienstleisters drei Millionen Meter Stoff auf Abruf. Und das ist noch lange nicht alles. Neuerdings stehen dort auch Zelte, weil der Outdoor-Spezialist Vaude einen Mietservice für ausgesuchte Produkte wie Zelte, Rucksäcke oder Jacken anbietet. „Wir übernehmen dafür die Aufbereitung und Logistik“, sagt Kischel.

Beim Aufbau sprang mal ein Frosch aus den Stofffalten

Was das heißt, zeigt Ramona von Beesten. Sie kämpft gerade mit den Stangen eines Zwei-Mann-Zelts. „Um es auf Vollständigkeit oder Flecken und Löcher zu prüfen, müssen wir es komplett aufbauen“, sagt die 20-Jährige. Vorsichtig entwirrt sie das Stoffknäuel vor sich. Die Zurückhaltung ist angebracht, denn so manches Zelt verbirgt auch Überraschungen. Vor Kurzem sei ihr beim Aufbau tatsächlich ein Frosch aus den Falten gesprungen, berichtet von Beesten. Der hüpfe jetzt über die Wiese auf dem benachbarten Grundstück.

Für den Mietservice ist WKS seit Juli verantwortlich. „Etwa 500 Teile haben wir schon ausgeliefert und auch wieder zurückbekommen“, sagt Kischel. Sie werden gereinigt, wenn nötig vervollständigt und ausgebessert, anschließend wieder verpackt und im Mietservice des Online-Shops von Vaude angeboten. Das kommt an. Gerade hat eine Jugendorganisation wieder sechs Zelte gemietet.

Aufbereitung als Einstieg in die Kreislaufwirtschaft

„‚Mieten statt Kaufen‘ ist ein Trend, den besonders naturverbundene Konsumenten aufnehmen“, sagt Kischel. Vaude-Kunden könnten so zunächst günstig testen, ob ihnen ihr neues Outdoor-Hobby gefällt. Und: „Solche Initiativen sind auch der Einstieg in die textile Kreislaufwirtschaft. Da können wir mit unserem Know-how richtig punkten“, sagt Kischel.

„Solche Initiativen sind auch der Einstieg in die textile Kreislaufwirtschaft. Da können wir mit unserem Know-how richtig punkten“

WKS-Vertriebsleiter Gregor Kischel

Das tut WKS auch bei einem anderen Neukunden, der Hamburger Outdoor-Marke Elkline. Sie bietet Kunden an, gebrauchte Kleidung der Marke – wie etwa Jacken – zurückzugeben. „Der Kunde schickt die Teile direkt zu uns. Hier durchlaufen sie unseren Aufbereitungsprozess“, sagt der Verkaufsleiter.

Die grüne Jacke zum Beispiel, die gerade auf einem Tisch in der Aufbereitung liegt, hat eine Frau aus Hannover eingesandt. „Wir begutachten das Kleidungsstück. Je nach Zustand erhält die Kundin online einen Gutschein von bis zu 100 Euro“, erklärt Kischel. Nach der Aufbereitung, zu der auch im Bedarfsfall eine neue Imprägnierung gehört, zeigt die Jacke zwar noch leichte Pilling-Stellen – also kleine Knötchen oder Fusseln – unter den Achseln, ist aber ohne Einschränkung einsetzbar.

EU-Strategie: Textilien müssen langlebig sein

Rund 500 Jacken hat WKS so seit Mai bearbeitet. Alle erhalten ein Etikett, das sie als geprüft, gereinigt und aufbereitet kennzeichnet. Ihr neues Leben beginnt dann im Geschäft auf speziellen Flächen zu reduziertem Preis.

Das Interesse der Branche an solchen Verwertungsideen wächst rasant. „Die Unternehmen brauchen eine Antwort auf die EU-Strategie für nachhaltige und zirkuläre Textilien.“ Die verlangt die Abkehr von Fast Fashion und umweltfreundlichere, langlebigere Kleidung bis 2030. Eine Forderung: Ideen zu entwickeln, die die Wiederverwendung und Reparatur von Textilien im großen Umfang ermöglichen. Kischel: „Genau da kommen wir ins Spiel. Das ist unsere Kernkompetenz und tägliches Geschäft.“

Anja van Marwick-Ebner
aktiv-Redakteurin

Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.

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