Deutschland hat ein unterschätztes Problem. Es ist nicht so auffällig wie die bröselnde Infrastruktur, die alternde Gesellschaft oder die analoge Bürokratie. Aber es wird gefährlich für unseren Industriestandort: Unternehmen müssen hierzulande zu viel Steuern auf ihre Gewinne bezahlen.

Okay, weniger Steuern – das hätten wir wohl alle gerne. Aber wir vergleichen unsere Steuerlast normalerweise nicht mit der von Menschen etwa in Polen oder Österreich. Unternehmen im globalen Wettbewerb aber tun genau das: Sie vergleichen die Standortfaktoren. Vor allem auch, wenn es um Investitionen geht.

Viele deutsche Firmen müssen fast 30 Prozent Unternehmensteuer auf ihre Gewinne bezahlen

„Auch bei der Unternehmensteuer schneidet Deutschland da sehr schlecht ab“, sagt Tobias Hentze, Leiter des Themenclusters Staat, Steuern, Soziale Sicherung im Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Die Körperschaftsteuer, der Soli-Zuschlag darauf und die (örtlich verschieden hohe) Gewerbesteuer addieren sich im Schnitt auf fast 30 Prozent: „Das ist im internationalen Vergleich extrem viel“, erklärt Hentze. Im Schnitt kommen sowohl die 27 EU-Mitgliedstaaten als auch die 38 Mitglieder der weltweiten Industriestaaten-Organisation OECD deutlich günstiger weg.

„Deutschland ist ein Höchststeuerland“, moniert denn auch der Bundesverband der Deutschen Industrie in seiner neuen Broschüre zum Wettbewerb der Steuersysteme (Link zur Broschüre: bdi.eu/wettbewerb) . Dabei gehe es nicht nur um den Steuersatz: „Andere Staaten punkten auch mit einem Unternehmensteuerrecht, das deutlich attraktiver ist.“ Dies gelte etwa für die Abschreibungsregeln, für die Forschungsförderung und beim Bürokratieaufwand. Fazit des Industriedachverbands: „Die steuerlichen Rahmenbedingungen in Deutschland sind für die Unternehmen ein Standortnachteil.“

Die letzte nennenswerte Entlastung bei der Unternehmensteuer gab es anno 2008

Die letzte nennenswerte Entlastung bei der Unternehmensteuer liegt nun schon 16 Jahre zurück. Seitdem hat sich die Position des Standorts D nach und nach wieder verschlechtert. „Die Zeit ist also reif für eine echte Reform, für eine spürbare Steuersenkung, die ja auch schrittweise erfolgen kann“, sagt IW-Experte Hentze. „Mit einer auf etwa 25 Prozent gesenkten Steuerlast würden wir wenigstens im Mittelfeld der konkurrierenden Staaten liegen.“

„Wir fallen im Wettbewerb der Industriestandorte zurück. Die Zeit ist reif für eine Steuersenkung.“

Tobias Hentze, IW

Dann käme natürlich erst mal weniger Geld in die Staatskasse. Aber: „Diese Mindereinnahmen würden zum Teil durch zusätzliches Wachstum gegenfinanziert“, so Hentze, „die Unternehmen hätten dann ja mehr Geld für Investitionen.“ Und die deutsche Steuerquote – also das, was der Staat den Betrieben und den Bürgern insgesamt abknöpft – liegt derzeit mit 23 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung auf ziemlich hohem Niveau.

Dass die aktuelle Regierung sich des wichtigen Themas noch gründlich annimmt, erwartet der IW-Ökonom freilich nicht: „Es fehlt derzeit leider der politische Wille, auf Steuereinnahmen zu verzichten, um damit die Wirtschaft zu stabilisieren und das Wachstum zu fördern.“

Thomas Hofinger
Chef vom Dienst aktiv

Thomas Hofinger schreibt über Wirtschafts-, Sozial- und Tarifpolitik – und betreut die Ratgeber rund ums Geld. Nach einer Banklehre sowie dem Studium der VWL und der Geschichte machte er sein Volontariat bei einer großen Tageszeitung. Es folgten einige Berufsjahre als Redakteur und eine lange Elternzeit. 2006 heuerte Hofinger bei Deutschlands größter Wirtschaftszeitung aktiv an. In seiner Freizeit spielt er Schach und liest, gerne auch Comics.

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