Corona hat die Arbeitswelt nachhaltig verändert. Während der Lockdowns waren zumindest viele Büroräume komplett verwaist, weil das gesamte Team zu Hause am Schreibtisch saß. Das hat oft hervorragend funktioniert, sehr viel besser, als die allermeisten vorher erwartet hätten.
Auch nach dem Ende der Pandemie wollen viele deshalb nicht mehr auf das mobile Arbeiten – wenn es im Rahmen der Tätigkeit möglich ist – verzichten. Mehr noch, so mancher träumt davon, seinen Arbeitsplatz zumindest für einige Wochen oder Monate in die Ferne zu verlegen, in eine Finca auf Mallorca, an einen tropischen thailändischen Strand oder in ein rustikales Chalet in den Schweizer Bergen. „Workation“ heißt dieser neue Trend, ein Kunstwort, das aus den englischen Begriffen „work“ (Arbeit) und „vacation“ (Urlaub) zusammengesetzt ist.
Nicht ohne Rücksprache mit dem Arbeitgeber losfahren
Doch halt, so einfach ist das nicht! „Wer seinen Arbeitsplatz ohne Rücksprache mit dem Arbeitgeber ins Ausland verlegt, riskiert unter Umständen eine fristlose Kündigung“, erklärt die Kölner Fachanwältin für Arbeitsrecht, Nathalie Oberthür, Vorsitzende des Ausschusses Arbeitsrecht beim Deutschen Anwaltsverein. Hintergrund ist, dass der Arbeitgeber das Recht hat, nicht nur die Arbeitsinhalte und die Arbeitszeit, sondern auch den Arbeitsort zu bestimmen. Manche Mitarbeiter sehen das allerdings sehr locker und planen ihren Auslandsaufenthalt ohne jegliche Rücksprache nach dem Motto „Bloß keine schlafenden Hunde wecken. Das merkt der Chef doch gar nicht, wo ich mich aufhalte.“
Doch das ist auf keinen Fall zu empfehlen, denn schon bei einer einfachen Erkrankung, für die man eine Krankschreibung braucht, bei einem Unfall oder auch nur bei einer kurzfristig anberaumten Präsenzveranstaltung fliegt der Schwindel auf, und die fristlose Kündigung droht.
Blick in den Arbeitsvertrag: Welcher Arbeitsort ist vereinbart?
Bevor die Reiseplanung startet, sollte man deshalb zunächst einen Blick auf die Vereinbarungen zum Arbeitsort werfen, die jeder Arbeitnehmer haben sollte. „Aufgrund der aktuellen Gesetzgebung muss der Arbeitsort des Arbeitnehmers im Arbeitsvertrag vereinbart oder anderweitig schriftlich nachgewiesen werden“, erläutert die Juristin. Ist dort als Arbeitsort das Homeoffice vereinbart, heißt das streng genommen, dass man seinen Laptop nur zu Hause aufklappen darf. Selbst die Arbeit im Café um die Ecke ist damit eigentlich tabu.
Ist dagegen „mobiles Arbeiten“ vereinbart, darf man auch Arbeitsorte außerhalb der eigenen Wohnung wählen – wobei hier allerdings eventuelle Vorgaben des Arbeitgebers zu beachten sind. Welche Regeln im Homeoffice gelten, lesen Sie auf unserer Seite.
„Auch wenn das Unternehmen mobiles Arbeiten gestattet, sind damit zunächst nur Arbeitsorte innerhalb von Deutschland abgedeckt“, erläutert die Juristin. Wer ins Ausland will, muss also auch dann den Chef fragen, wenn mobiles Arbeiten im Unternehmen möglich ist. Das gilt sogar dann, wenn ein Kollege bereits Workation im Ausland gemacht hat. „Es handelt sich hierbei um individuelle Vereinbarungen, aus denen sich normalerweise kein Anspruch für den Rest der Belegschaft ableiten lässt“, sagt Oberthür. Grund für die unbedingt notwendige, individuelle Zustimmung des Chefs sind die vielfältigen Probleme, die sowohl für den Mitarbeiter als auch für das Unternehmen entstehen können, wenn die Arbeit im Ausland vorab nicht richtig geregelt wurde.
Im Ausland gelten die dort gültigen Arbeitsrechtsregeln
„Mit einem deutschen Arbeitsvertrag gilt für Arbeit in Deutschland auch deutsches Arbeitsrecht“, sagt Nathalie Oberthür. Wer im Ausland arbeitet, unterliegt aber unter bestimmten Bedingungen nicht mehr nur dem deutschen Recht, sondern muss sich an die dortigen lokalen Regelungen halten.
„Der Arbeitgeber ist dafür verantwortlich, die arbeitsrechtlichen Vorgaben einzuhalten, und das kann er nur, wenn er weiß, wo der Arbeitnehmer sich tatsächlich aufhält“, erläutert die Juristin. Auch das Thema Unfallschutz muss geklärt werden, schließlich muss der Arbeitgeber die Sicherheit am Arbeitsplatz gewährleisten. „Unter Umständen ist es sinnvoll, ergänzend eine private Unfallversicherung abzuschließen“, rät Oberthür.
Konkreten Zeitraum mit der Sozialversicherung klären
Wer eine Workation plant, will ja in der Regel nicht auswandern, sondern nur für einige Wochen oder Monate im Ausland arbeiten. Auch in dieser Zeit möchte man weiterhin in der deutschen Sozialversicherung versichert bleiben, also weiter in die Rentenkasse einzahlen, den Schutz in der Arbeitslosenversicherung nicht verlieren und insbesondere in der bisherigen Kranken- und Pflegeversicherung bleiben.
„Damit der Schutz in der deutschen Sozialversicherung erhalten bleibt, müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein“, sagt die Juristin. Welche das sind, muss im Einzelfall geprüft werden. Dies hängt unter anderem davon ab, ob es sich formal um eine Entsendung handelt und wie lange der Auslandsaufenthalt dauern soll.
„Wird dieser Punkt nicht korrekt geregelt, muss der Arbeitnehmer unter Umständen in die ausländischen Sozialversicherungssysteme eintreten oder er verliert seinen Versicherungsschutz sogar vollständig“, warnt Oberthür. Es ist also auch im eigenen Interesse des Mitarbeiters, dass alle diese Dinge von Anfang an richtig geplant werden.
Ab 183 Tagen vor Ort ist man im Ausland einkommenssteuerpflichtig
Bei längeren Auslandsaufenthalten (ab 183 Tagen) können auch steuerrechtliche Probleme entstehen. „Unter Umständen wird der Arbeitnehmer dann nicht mehr in Deutschland, sondern im Ausland einkommensteuerpflichtig“, erläutert die Juristin. Außerdem besteht das Risiko, dass der Workation-Mitarbeiter rein juristisch eine neue Betriebsstätte für das Unternehmen eröffnet.
Vereinfacht gesagt werden so Hotelzimmer oder Ferienwohnung zu einer neuen, ausländischen Unternehmensniederlassung mit allen rechtlichen Konsequenzen – und daran haben normalerweise weder der Mitarbeiter noch das Unternehmen ein Interesse.
Über mögliche Krankheit und andere praktische Probleme vorher Gedanken machen
Falls man während der Workation erkrankt, gelten die gleichen Regeln wie im Inland. Der Mitarbeiter muss sich also umgehend krankmelden, und der ausländische Arzt muss eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) ausstellen. Das Risiko, dass die AUB des ausländischen Arztes hier nicht anerkannt werden kann, trägt allerdings der Mitarbeiter. „Kann ein erkrankter Arbeitnehmer keine ordnungsgemäße Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen, droht ihm der Vorwurf des unentschuldigten Fehlens“, erläutert Expertin Oberthür.
Daneben können bei der Workation natürlich auch eine Menge praktischer Probleme auftreten. Was, wenn das Laptop oder das Smartphone kaputtgehen? Was, wenn das WLAN nicht stabil funktioniert und ständig zusammenbricht? Darf der Chef den Mitarbeiter vorzeitig zurückholen, wenn ein neues, wichtiges Projekt hereinkommt? Wer trägt die Kosten, wenn der Mitarbeiter zwischendurch mal nach Hause fahren muss, um an wichtigen Besprechungen teilzunehmen? Kann man die Workation vorzeitig beenden, wenn die Familie Heimweh bekommt und nur noch nach Hause will?
Auf diese Fragen gibt es keine allgemeingültigen Antworten. Sie müssen individuell geklärt werden. Oberthür rät: „Alle diese praktischen Fragen sollten unbedingt vorher besprochen und schriftlich fixiert werden.“