Köln. Sport? Na kar, aber das Sofa ist doch so bequem. Morgen vielleicht … Schnell gewinnt das „Gewohnheitstier“ in uns: Wir sind faul statt sportlich, daddeln zu viel am Handy, futtern die Tüte Chips leer. Wie kriegt man das in den Griff? aktiv fragte Stefan Frädrich, Experte für erfolgreiche Selbstmotivation. Der Mediziner arbeitet als Coach, ist Autor zahlreicher Ratgeber-Bücher und geistiger Vater des bekannten inneren Schweinehunds Günter.
Mehr Bewegung, ein paar Kilo abnehmen, ordentlicher sein – oft klappt es mit den guten Vorsätzen nicht. Kennen Sie das?
Na klar, ich bin ein ganz normaler Mensch. Ich hab mal im zweiten Stock gewohnt und statt der Treppe immer den Aufzug benutzt – mit einem blöden Gefühl. Dann habe ich zwei-, dreimal die Treppe genommen, hatte ein gutes Gewissen und dann wieder ein halbes Jahr lang den Aufzug. Hinter so einem Verhalten verbirgt sich die Frage: Was ist das eigentlich? Denn eine Gewohnheit ist so ähnlich wie eine Sucht. Lässt man sie los, sagt die innere Stimme: Komm, fall doch wieder in den alten Trott zurück.
Wie bringe ich die Stimme des Gewohnheitstiers zum Schweigen?
Man muss Grundsatzentscheidungen treffen. Ich hab mir gesagt: Stefan, du bist ein sportlicher Mensch. Du nimmst jetzt die Treppe. Punkt! Danach habe ich den Aufzug nur noch sehr selten benutzt, das ist dann auch in Ordnung. Grundsatzentscheidungen sind wichtig: Ich bin nicht jemand, der nur Aufzug fährt! Bin nicht jemand, der täglich Alkohol trinkt! Bin nicht jemand, der ständig mit dem Handy daddelt! Dann ist es kein Problem, wenn man es ab und zu macht.
Aber unser Gehirn scheint schlechte Gewohnheiten sehr zu lieben …
Das Gehirn arbeitet so: Wenn man Dinge immer wieder macht, wie aufs Handy gucken und Neuigkeiten sehen, gibt’s einen Dopamin-Kick, also Glückshormone. Ich werde mit einem Glücksgefühl belohnt, wenn ich mich wie gewohnt verhalte. Denn für den Alltag wäre es zu anstrengend, jedes Mal zu überlegen: Ist mein Verhalten prinzipiell gut oder nicht? Also muss man eine Grundsatzentscheidung treffen.
Bleiben wir mal beim Handy. Wie kann ich mich da bremsen?
Man muss schauen: Helfen einem die Dinge, die man tut? Was bringt es, ständig aufs Handy zu gucken? Wenn ich merke, ich daddele zu viel damit und kann es nicht lassen, muss ich mir klarmachen, das ist eine Sucht. Und lernen, das Handy mal in einen Schrank einzuschließen oder es zwei Stunden auszumachen, um produktiv zu sein. Grundsatzentscheidung: Ich kann ohne!
Aber wenn ich das Handy aus beruflichen Gründen benötige?
Dann muss ich zunächst alle Autonachrichten abstellen. Und Icons, die mich ablenken, auf die zweite Seite oder in einen gesonderten Ordner verschieben. Es ist wie am Schreibtisch: Je aufgeräumter er ist, desto klarer kann ich einen Gedanken fassen. Wenn es überall blinkt oder Audio-Impulse quäken, fällt es sehr schwer, nicht darauf zu reagieren – da kommt ein Dingeling, und ich gucke aufs Handy, da wirst du verrückt. Wenn man solche Signale weder sieht noch hört, geht der Daddel-Reflex verloren.
Und bei der Ordnung? Wenn den Partner etwa die zerknüllten Klamotten auf dem Fußboden ärgern?
In einer Partnerschaft leidet der ordnungsliebende Mensch mehr als der andere. Auch hier muss man sich grundsätzlich verständigen: Entweder lässt einer fünfe gerade sein, oder der andere bemüht sich, seine Sachen ordentlich zu verstauen. Das Verhalten zu ändern, ist leicht, es erfordert nur etwas Übung.
Wie etabliere ich denn neue Gewohnheiten?
Im ersten Schritt kläre ich den Sinn für mich: Was tut mir gut, was nicht? Wer möchte ich sein? Im zweiten Schritt folgen die Handlungen: Ständig aufs Handy gucken ist Quatsch, also lege ich es weg oder schalte es ab. Im dritten Schritt kommt das Einüben der Handlung, bis es Gewohnheit geworden ist.
Soll man sich Dinge ganz abgewöhnen oder besser ersetzen? Etwa etwas Obst am Abend essen statt einem Stück Schokolade?
Für die meisten Dinge, die wir lassen wollen, brauchen wir keinen Ersatz. Wir lassen es einfach! Das Stück Schokolade ist kein gutes Beispiel, wer sollte etwas dagegen haben? Wenn ich aber reflexhaft eine ganze Tafel verputze, muss ich mich fragen, was für ein Mensch ich bin. Möchte ich jemand sein, der immer Zucker essen muss? Wer den Verzicht nicht schafft, muss erst einmal auf die Bremse treten und es ganz lassen. Dann kann man sich wieder dosiert dem Thema annähern, ohne davon abhängig zu sein. Das klappt gut, außer beim Rauchen. Das muss man komplett aufgeben!
Und wie schaffe ich es, mich immer wieder zu motivieren, wenn ich wiederholt versage?
Immer wieder versuchen und nicht so streng sein. In die Sinnebene gehen oder notfalls schmerzhaft vor Augen führen, was passiert, wenn ich meine Gewohnheiten nicht ändere: Mein Partner verlässt mich wegen der Unordnung. Ich verliere den Job, wenn ich die Finger nicht vom Handy lasse. Ich werde ein fetter Diabetiker, wenn ich weiter fresse. Positive Verstärkung gefällt mir persönlich besser, also nehme ich die Treppe und bleibe fit. Aber manche Menschen brauchen solche Schreckensszenarien.