Aachen. Wenn man den ganzen Tag zusammenarbeitet, bekommt man von einem Menschen ja so einiges mit. Auch wenn es manchmal ganz privat ist. Zum Beispiel, wenn ein Kollege ständig übernächtigt aussieht. Eine Alkoholfahne hat. Oder auf einmal sehr teilnahmslos wirkt! Dann taucht irgendwann die Frage auf: Soll ich ihn mal ansprechen?
Für so eine Situation hat die Hochschulprofessorin Jessica Lang ein paar Tipps. Der Wichtigste vorweg: „Keine Mutmaßungen oder Diagnosen anstellen!“, rät die Psychologin. Also bloß nicht fragen, ob der Kollege vielleicht eine Ehekrise hat, Alkoholiker ist oder ihn Überschuldung quält.
Den Betroffenen nicht bedrängen
Einfühlsamkeit geht anders, und zwar so: „Am besten sagt man möglichst neutral, was man beobachtet hat“, erklärt Lang, die an der RWTH Aachen betriebliche Gesundheitspsychologie lehrt. Also zum Beispiel: „Ich habe den Eindruck, dass du in letzter Zeit oft niedergeschlagen bist.“ Man kann auch ein konkretes Problem im Arbeitsumfeld für das Gespräch zum Anlass nehmen. Wenn der Kollege sich dann allerdings nicht öffnet, sollte man das akzeptieren und ihn nicht noch bedrängen.
Zuweilen macht es Sinn, den Chef einzuschalten
Wann ist überhaupt der Punkt erreicht, dass Gesprächsbedarf besteht? Grundsätzlich komme es natürlich ganz auf das Verhältnis an, das man zu dem betreffenden Kollegen hat, betont Lang. Unabhängig davon mache ein Gespräch auf jeden Fall Sinn, sobald das Verhalten des Kollegen die eigene Arbeit betrifft: „Etwa, wenn man selbst mehr leisten muss, um Versäumnisse des anderen aufzufangen.“ Oder wenn die Zusammenarbeit nicht mehr so gut funktioniert. Zuweilen mache es dann sogar Sinn, auch den Chef einzuschalten.
Wer ein Problem hat, dem hilft Reden oft schon weiter. Oder das Gespräch ermuntert ihn, professionelle Beratung zu suchen, zum Beispiel bei der Telefonseelsorge. Weil es normal ist, dass Beschäftigte auch mal Privatprobleme mit sich herumschleppen, gibt es auch in vielen Betrieben anonyme Anlaufstellen wie betriebliche Sozialberater.