Für ein paar Euro quer durch Deutschland und Europa: Fast 30 Millionen Fahrgäste nahmen 2016 den Fernbus, um darin günstig von A nach B zu kommen. Immer mehr Reisende nutzen das Netz des Linienfernverkehrs, das größere Städte und touristisch interessante Orte miteinander verknüpft.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hat sich seit dem Fall des Bahnmonopols Ende 2012 die Zahl der Passagiere, die mit diesem Verkehrsmittel reisen, nahezu verzehnfacht. Branchenführer Flixbus (Marktanteil 80 Prozent) aus München hat allein über die Weihnachts- und Silvestertage rund 1,5 Millionen Fahrgäste in seinen grünen Omnibussen befördert.
Andere Regeln als im Flieger
Mehr Fahrgäste auf den Strecken – das bedeutet gerade an beliebten Reisetagen auch mehr Gedränge beim Ein- und Ausladen an den Haltestellen. Diebe machen sich das Durcheinander gern zunutze, um sich im Gedränge einen unbeaufsichtigten Koffer oder eine Tasche zu schnappen. Das passiert leider immer wieder.
Was kann man gegen den Kofferklau tun? Und wer ersetzt im Zweifelsfall den Wert des entwendeten Gepäcks? Das ist gar nicht so einfach. Im Fernbusverkehr gelten andere Regeln für die Haftung als bei Flug- und Bahnreisen.
Kommt etwa bei einem Flug nach Mallorca der Koffer erst einen Tag später an, darf man sich am Urlaubsort das Nötigste für den Aufenthalt neu besorgen. Die Fluggesellschaft erstattet den Kaufpreis bei Vorlage der Quittungen bis zu einem festgelegten Betrag. Nach Angaben des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen in Berlin müssen Reisende die Kosten aber so gering wie möglich halten. Man darf zum Beispiel „einen einfachen Badeanzug, nicht aber mehrere oder teure Markenartikel kaufen.“ Taucht das Gepäck gar nicht mehr auf, gibt es bis zu 1.425 Euro Entschädigung.
Beweislast liegt beim Kunden
Nicht so im Fernverkehr per Linienbus. Hier haftet die Gesellschaft lediglich, wenn das Gepäck bei einem Unfall, der im Zusammenhang mit der Nutzung des Omnibusses steht, verloren gegangen oder beschädigt worden ist – etwa wenn das Fahrzeug nach einer Kollision auf der Straße im schlimmsten Fall ausbrennen sollte.
Nach der geltenden EU-Verordnung 181/2011 für Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr haben die Fahrgäste dann Anspruch auf eine Entschädigung, auch fürs Gepäck. Sie ist jedoch auf 1.200 Euro pro Stück begrenzt. Die Beweislast über den Wert des Kofferinhalts liegt zudem beim Kunden, bei gebrauchten Gegenständen wird statt des Neuwerts nur der Zeitwert erstattet.
Wenn das Gepäckfach aufgebrochen wird
Wie die Haftung in allen anderen Fällen, etwa bei Diebstahl, aussieht, dürfen die Gesellschaften dagegen in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) selbst festlegen. War kein Verkehrsunfall im Spiel, so ist die Haftung für Verlust, Vertauschen oder Entwenden von Gepäckstücken ausgeschlossen (etwa bei Flixbus nachzulesen in Klausel 20.4.2 der AGB) – außer bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit.
Die liegt vor, wenn das Gepäck durch gewaltsames Aufbrechen aus dem verschlossenen Gepäckraum entwendet wurde, wie der Anbieter Deinbus.de in Erlenbach als Beispiel nennt.
Gericht bestätigt Obhutspflicht
Denn vollständig ausschließen können die Anbieter die Haftung nicht. Das hat das Amtsgericht München entschieden (283 Js 5956/15, 8.12.2015). Es ist die bislang erste Entscheidung dieser Art.
Danach sind die Unternehmen dazu verpflichtet, neben Reisenden auch deren Gepäck zu transportieren. Aus dieser Tatsache ergebe sich für Koffer und Taschen eine Obhutspflicht der Gesellschaft.
In dem Fall waren Koffer einer Frau auf der Fahrt von Dresden nach München abhandengekommen. Unterwegs machte der Bus zwei Zwischenstopps. Die Frau meldete den Verlust, der Anbieter verwies jedoch auf den generellen Haftungsausschluss in seinen Geschäftsbedingungen. Das Gericht verurteilte das Busunternehmen dennoch zu Schadenersatz. Es sei grob fahrlässig, keine Sicherungsmaßnahmen für das Gepäck zu treffen, begründete es seine Entscheidung.
Inzwischen arbeitet man mit Gepäckscheinen und Banderolen. Zudem sollen die Fahrgäste ihr Gepäck mit Namen und Adresse versehen, um ein Vertauschen oder nicht korrekte Herausgabe zu vermeiden.
Vergessen ist nicht versichert
Und was ist, wenn man vor lauter Aufregung oder Vorfreude Rucksack, Koffer oder Tasche im Bus liegen lässt? Auch hier besteht kein Versicherungsschutz. Allerdings bemühen sich die Anbieter, zu helfen: Bei Flixbus etwa können sich die Kunden an das Fundbüro der Gesellschaft wenden. Es forscht dann nach, wo das vermisste Gepäckstück geblieben ist.
Dazu füllt man ein Online-Formular auf dem Webportal flixbus.de aus.
Wertsachen ins Handgepäck
Vertauscht, geklaut, beschädigt – das alles kann schon mal vorkommen. Wer sichergehen will, dass sein Gepäck wohlbehalten ankommt, sollte es immer im Blick behalten, auch an den Zwischenstopps. Das rät Heinz Klewe, Geschäftsführer der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) in Berlin. Diese wurde 2009 von den Verkehrsunternehmen gegründet und ist von der Bundesregierung anerkannt. Unabhängige Schlichter setzen sich dort für die Rechte geschädigter Fahrgäste ein.
Bargeld, Handy, Schlüssel, Ausweis oder wichtige Medikamente sollte man am Körper, so Klewes dringende Empfehlung. Wertsachen wie Laptop, Tablet-Computer oder Fotoapparat gehörten ins Handgepäck, das im Fach über dem Sitz oder unter dem des Vordermanns verstaut werde.
Ein Kniff sei auch, vor der Abfahrt zu fotografieren, was man in den Koffer packt – und Quittungen für teure Gegenstände aufzuheben, damit man den Kaufpreis später nachweisen kann. Kommt dennoch etwas weg, sollten Reisende dies unverzüglich beim Busfahrer melden und – wenn es sich um teure Dinge handelt – zusätzlich Anzeige bei der Polizei erstatten.
Schlichtungsstelle hilft
Wieder zu Hause angekommen, informiert man das Transportunternehmen schriftlich über den Verlust. Erhält man nach einer angemessenen Wartefrist von sechs bis acht Wochen keine Antwort oder weist die Busgesellschaft die Haftungsansprüche ab, kann man sich an die Schlichtungsstelle wenden: soep-online.de.
„Wir brauchen möglichst viel Beweismaterial, am besten Quittungen“, so Klewe, „und eine realistische Einschätzung wie alt die abhandengekommenen Dinge waren.“ Die Mitarbeiter der neutralen Einrichtung prüfen dann, ob die Angaben plausibel sind. „Manch einer hat schon behauptet, er habe drei Designer-Handtaschen und teure Markenuhren eingepackt“, so Klewe. „Da brauchen wir Fingerspitzengefühl.“
In mehr als 80 Prozent der Fälle gelinge jedoch eine außergerichtliche Einigung. Insgesamt erreichten die Stelle bis Jahresende 2016 rund 13.500 Schlichtungsanträge, 14 Prozent mehr als im Vorjahr. Allerdings waren vor allem Flugreisen von den Beschwerden betroffen. Nur 529 Fälle betrafen Fernbusse, Schiff und Nahverkehr.