Essen. Aus zwei fetten Lautsprecherboxen erschallt Klassik-Rock. Musiklegenden wie Alice Cooper, Led Zeppelin und die Stones grüßen von Plakaten. Ein Kunde lässt die Finger zwischen Schallplattencovern gleiten. Während Jürgen Krause hinter dem Tresen eine Rechnung über vier LPs schreibt. Der Käufer zückt 130 Euro und steckt die in Folien verschweißten Scheiben ein.
Krause ist Inhaber des Plattenladens Rockstore in Steele, einem Viertel im Osten der Ruhrgebietsstadt Essen. Links grenzt das Geschäft an eine Trinkhalle, rechts an einen Döner-Imbiss. Das Rockstore ist inzwischen Kult. Mehr als 4.000 Scheiben hat Krause im Angebot, auf 50 Quadratmeter Verkaufsfläche. „Uns gibt es schon seit 1976“, erzählt der 64-Jährige. „Und wir haben manche Höhen und Tiefen erlebt.“
2006 war bei den Vinyl-Scheiben das Verkaufs-Tief erreicht
Mit dem Aufkommen der Compact Disc Mitte der 80er schien das baldige Ende des Vinyls besiegelt. 2006 schließlich war der Tiefpunkt für den Klassiker unter den Tonträgern erreicht: Nur noch 300.000 Platten gingen bei uns über die Verkaufstheken.
Schluss, Ende, vorbei – dies war das Credo der Branche damals. Doch Fans und Musik-Experten wie Krause hielten an der Platte fest. Zum Glück. Manchmal leben Totgesagte eben länger. Denn plötzlich begannen Künstler wie David Bowie und Elton John, ihre Titel wieder auf Vinyl zu pressen.

Jahr für Jahr legte der Plattenabsatz zu. Und das trotz der neuen digitalen Konkurrenz – neben den Downloads kam auch das Streaming über Anbieter wie Amazon in Mode. 2017 schließlich ein neues Verkaufshoch: Laut Bundesverband Musikindustrie wurden hierzulande wieder 3,3 Millionen LPs verkauft. Während der Absatz der CDs in den Keller rauschte.
Schallplatten hören – das ist ein Ritual
Diese Zahl ist allerdings ein Klacks im Vergleich zum Boom-Jahr 1985 – kurz bevor der CD-Hype losging: Damals gingen 75 Millionen Platten weg.
Hauptsache: Die schwarze Scheibe dreht sich wieder. Schallplatten hören – das sei eben auch ein wenig Sehnsucht nach der vermeintlich guten alten Zeit, sagt Krause. Platte auflegen, sich zurücklehnen und zuschauen, wie sich der Tonarm des Spielers langsam senkt und die Nadel mit einem sanften Knacks in der Rille versinkt. Fans schwören: Die Platte biete ein volleres Klangbild als digitale Musik.
Auch der Absatz an Abspielgeräten ist gestiegen – von 80.000 Stück 2017 auf 117.000 letztes Jahr
Und: „In diesen schnelllebigen Zeiten ist die Platte etwas Bleibendes“, so Krause. Dank seiner Kontakte zur Musik-Industrie kommt er auch an Sondereditionen. Auf die Alben stehen nicht nur Silberlocken und Evergreens. Fast jeder dritte Käufer ist unter 40. Das liege, so Krause, auch an der Optik: „Schauen Sie sich doch nur die Cover an – das sind wahre Kunstwerke!“
Das Telefon klingelt. An der Strippe ein Kunde, der sich gerade einen neuen Plattenspieler gekauft hat – „für richtig viel Geld“, sagt Krause, als er auflegt. Mit dem Schallplattenabsatz stieg auch der Verkauf an Abspielgeräten in Deutschland – von 80.000 Stück 2015 auf 117.000 letztes Jahr.
Die weltweit teuerste Schallplatte wurde 2015 für 2 Millionen US-Dollar versteigert
Dabei werden manche Schallplatten gar nicht gespielt. Weil sie ein Spekulationsobjekt sind. Die teuerste Scheibe der Welt ist „Once upon a time in shaolin“ der Hiphop-Band Wu-Tang Clan: Die 2015 als Unikat gepresste Platte wurde bei einer Online-Auktion für 2 Millionen US-Dollar versteigert.
Da sind die Schallplatten bei Krause erschwinglicher. Eine Vinyl-Scheibe kostet rund 15 Euro, eine Doppel-LP 25 bis 30 Euro. Besondere Exemplare sind natürlich teurer.
Österreicher tüfteln an der HD-LP, der Schallplatte der Zukunft
Und jetzt kommt die HD-LP: In Österreich wird die Schallplatte der Zukunft entwickelt. Sie deckt einen noch größeren Frequenzbereich ab; zudem passen bis zu 30 Prozent mehr Ton-Informationen drauf. Wobei die neuen Platten auch auf alten Spielern laufen.
Und wie geht’s weiter? Im ersten Halbjahr ging der LP-Absatz erstmals wieder zurück – um 13 Prozent. „Lag sicher auch am heißen Sommer – und an der Fußballweltmeisterschaft. Da gingen die Leute lieber in den Biergarten“, meint Krause. Im Herbst werde der Verkauf wieder anziehen, weiß der Händler aus Erfahrung: „Je schlechter das Wetter, desto besser das Geschäft.“
Übrigens: Bei gut gepflegten Platten knistert nichts …