Ein Konto bei einer Direktbank eröffnen oder eine Kreditkarte von einem anderen Anbieter als der Hausbank beantragen – dazu ist ein unbequemer Schritt notwendig: Der Kunde muss zur nächsten Postfiliale gehen und dort seinen Personalausweis oder Reisepass vorzeigen. Der Postangestellte versichert dann auf einem Formular, dass der Kunde wirklich der ist, für den er sich ausgibt. Dann wird das Formular an das Unternehmen zurückgeschickt, und man kommt miteinander ins Geschäft.

Beliebt ist dieses Vorgehen selten. Schließlich muss sich der Kunde an die Öffnungszeiten der Postfiliale halten und oft viel Zeit mitbringen, um in einer langen Schlange zu stehen. In einigen Fällen ist es auch möglich, dass der Briefträger das sogenannte Postident-Verfahren übernimmt. Doch dann muss er den Betreffenden zu Hause antreffen.

Neues Verfahren auf dem Vormarsch

Seit Mitte 2014 gibt es dazu eine Alternative: Video-Legitimation. Angeboten wird sie beispielsweise von der Direktbank ING Diba, von einigen Sparkassen und von Onlinebrokern wie beispielsweise IG.

„Gewöhnlich läuft das Verfahren so ab: Sie bekommen einen Brief von der Bank, geben im Internet die Referenznummer ein, füllen ein Formular aus und wählen sich über die Webcam, also die am Computer angeschlossene oder eine eingebaute Kamera, ein“, erklärt Julia Topar, Pressesprecherin beim Bankenverband. So wird eine Videotelefonie-Verbindung hergestellt zu einem Mitarbeiter eines in der Regel externen Dienstleisters. Ihm beantwortet man einige Fragen, dann hält man den Personalausweis im Scheckkartenformat in die Kamera und dreht und wendet das Dokument so, dass der Mitarbeiter das Hologramm und die Sicherheitsmerkmale überprüfen kann. Im Regelfall bekommt der Kunde dann noch eine Transaktionsnummer aufs Handy oder per Mail und bestätigt damit den Prozess.

„Bisher nutzen rund 10 Prozent unserer Kunden die Videolegitimation“, sagt Thomas Bieler, Pressesprecher bei der ING DiBa. „Wir sind sicher, dass die Zahl wachsen wird“, ergänzt er. Das denkt auch Julia Topar: „Wir hören von unseren Mitgliedsbanken, dass die Technik bei den Kunden gut ankommt. Insofern gehen wir davon aus, dass sich die Videoidentifikation weiter verbreiten wird.“

Die ING Diba, so Bieler, sei übrigens sofort aktiv geworden, nachdem die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) 2014 die Videolegitimation erlaubt habe. „Schließlich verlieren wir immer wieder potenzielle Neukunden, denen das Postident-Verfahren zu umständlich ist“, sagt Bieler. Jetzt gebe es eine Hürde weniger: „Man kann sich außerhalb der Postöffnungszeiten ganz bequem von zu Hause aus legitimieren.“

Möglichkeiten in naher Zukunft

Michael Hülsiggensen, stellvertretender Vorsitzender der Fokusgruppe Digital Commerce beim Bundesverband Digitaler Wirtschaft, hält Videolegitimation ebenfalls für einen großen Fortschritt: „Man muss natürlich eine Affinität zu Online haben“, sagt er. „Aber das ist keine Frage des Alters, und ein Nerd muss man auch nicht sein. Ich schätze, dass etwa 50 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen Zielgruppe für dieses Verfahren sind.“

Er ist sicher, dass künftig Videolegitimierung vielerorts eingesetzt wird. Beispiele: „Im E-Commerce, speziell bei hochpreisigen Produkten, ist es dem Verkäufer wichtig, dass er sein Geld auch bekommen wird.“ Dann ist die Videolegitimierung sinnvoll. Aber auch, wenn es um die Unterschrift auf Verträgen geht, wird die Identitätsprüfung per Webcam künftig eine Möglichkeit sein. Und in vielen Belangen des E-Government – „beispielsweise wenn sich ein Bürger nach einem Umzug am Computer ummeldet und sich den Weg zur Meldebehörde spart.“

100 Prozent Sicherheit gibt es nie

Ob diese Art der Identifikationsüberprüfung sicher ist oder nicht – darüber streiten sich die Geister: „Sicherlich wird es Versuche geben, diesen Prozess zu manipulieren“, so Hülsiggensen. „Eine 100-Prozent-Sicherheit gibt es nie und kann es auch nie geben.“