Trennen sich Ehegatten, wird im Zuge des Scheidungsverfahrens grundsätzlich auch der sogenannte Versorgungsausgleich vom Familiengericht durchgeführt. Dieser verteilt die von den Eheleuten während der Ehe angesammelten Rentenanwartschaften zu gleichen Teilen auf beide Partner.
Der Versorgungsausgleich kann in etlichen Fällen nachträglich an aktuelle Entwicklungen angepasst werden
Da die Folgen des Versorgungsausgleichs oft erst viele Jahre nach dessen Durchführung in Kraft treten, kann es sinnvoll sein, diesen später noch einmal zu überprüfen, etwa wenn sich zwischenzeitlich ausschlaggebende Gesetze oder die Bezüge der Beteiligten geändert haben.
„Dies kann beispielsweise Versorgungsausgleichsverfahren betreffen, die nach dem bis zum 31.08.2009 geltenden Recht durchgeführt wurden, wenn bei ihnen die sogenannte Barwert-Verordnung angewandt wurde“, nennt Rechtsanwalt Gregor Mayer von der Kasseler Kanzlei Dr. Mayer & Kügler einen wichtigen Fall, wann das infrage kommen kann.
Lange nach der Scheidung sind mehrere Hundert Euro höhere Rente möglich
Die Barwert-Verordnung kam oft zum Einsatz, wenn einer oder beide Partner nicht nur in die gesetzliche Rente einzahlten, sondern zum Beispiel auch noch eine Betriebsrente, eine private Altersvorsorge oder andere Zusatzversorgungen abgeschlossen hatten. Beim Versorgungsausgleich wurden hiermit die Ansprüche aus diesen Anwartschaften fiktiv in eine gesetzliche Rente umgewandelt. „Aus heutiger Sicht waren diese Umrechnungen häufig gravierend falsch und führten oft zu massiven Unterbewertungen“, so der Jurist.
Zudem wurden alle auszugleichenden Anrechte miteinander saldiert (Einmalausgleich). Die Folge: Der vom Versorgungsausgleich Begünstigte bekommt womöglich weniger Rentenbezüge, als ihm nach aktuellem Recht zustehen würden. Denn nun wird auf die umstrittenen Barwerttabellen verzichtet, zudem wird jedes einzelne Anrecht separat betrachtet und ausgeglichen (Hin-und-Her-Ausgleich). „Im Ergebnis kann das nicht selten mehrere Hundert Euro mehr Rente im Monat ausmachen“, berichtet Mayer.
Wer vor dem 31. August 2009 geschieden wurde, sollte sein Urteil zur Scheidung überprüfen
Nach altem Recht Geschiedene, deren Ex-Partner außer dem gesetzlichen Altersruhegeld auch Renten oder Anwartschaften aus weiteren Versorgungsarten wie zum Beispiel Betriebsrenten besitzen, sollten deshalb ihr Scheidungsurteil daraufhin kontrollieren, ob auf ein Anrecht des Ex-Partners die Barwert-Verordnung angewandt wurde. Ist das der Fall, kann es sich möglicherweise lohnen, den alten Versorgungsausgleich noch einmal aufzurollen und ein Abänderungsverfahren nach Paragraf 51 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) einzuleiten.
Beim Tod des ausgleichsberechtigten Ex-Partners kann der Ausgleich oft gestoppt werden
Ein Abänderungsverfahren kann auch dann vorteilhaft sein, wenn der Ausgleichsberechtigte vor seinem Ex-Ehepartner verstirbt. Denn der Versorgungsausgleich wird einfach weiter fortgesetzt. „Der Ausgleichspflichtige zahlt dann Monat für Monat Versorgungsausgleichsbeträge für einen Verstorbenen“, so Mayer.
Haben Empfänger oder Empfängerin höchstens 36 Monate vom Ausgleich profitiert, ist laut Versorgungsausgleichsgesetz ein Antrag auf Aussetzung beim Versorgungsträger zu stellen, zum Beispiel der gesetzlichen Rentenversicherung, um dies zu stoppen. Hat der oder die Verstorbene jedoch länger als drei Jahre eine Rente aus den übertragenen Anrechten bezogen, lässt sich der Versorgungsausgleich durch einen einfachen Antrag beim Versorgungsträger regelmäßig nicht mehr ändern.
Zudem ist diese Möglichkeit auf die sogenannte Regelversorgungen beschränkt, gilt also beispielsweise nicht für Betriebsrenten. „Eine Möglichkeit, den Versorgungsausgleich nach Tod des Ausgleichsberechtigten insgesamt und trotz einer 36 Monate übersteigenden Bezugsdauer zu stoppen, gibt es allerdings in etlichen Altfällen, in denen der Versorgungsausgleich nach dem bis zum 31.08.2009 geltenden Recht durchgeführt wurde“, erläutert Experte Mayer. So könne hierzu ein Abänderungsantrag beim Familiengericht etwa dann eingereicht werden, wenn sich ein anderer Grund jenseits des Versterbens für ein solches Verfahren ergibt, auch hier heißt dann ein Stichwort Barwert-Verordnung.
Verändern sich die Bezüge, kann eine Aktualisierung sinnvoll sein
Steigen oder fallen die eigenen Bezüge oder die des Ausgleichsberechtigten, kann ein solches Verfahren ebenfalls sinnvoll sein. So urteilte etwa das Oberlandesgericht Hamm im Fall eines Pensionärs. Hier musste ein Beamter im Ruhestand eine Kürzung des Weihnachtsgeldes hinnehmen. Da er nun eine geringere Pension erhielt, wollte er den Versorgungsausgleich entsprechend anpassen. Zu Recht, wie die Richter feststellten (10 UF 72/17).
Und auch wenn beispielsweise Frauen durch die 2014 eingeführte Mütterente ein höheres Ruhegeld beziehen, kann sich daraus ein Anpassungsgrund ergeben. Damit ein Abänderungsverfahren eröffnet werden kann, muss allerdings eine Bagatellgrenze überschritten werden. Mayer: „Der Ausgleichswert muss sich um mindestens 5 Prozent ändern und die Änderung muss auch einen absoluten Wert, der je nach Ende der Ehezeit variiert, überschreiten.“
Achtung: Die Abänderung des Versorgungsausgleichs kann auch zu Verlusten führen
Bevor man tätig wird, gilt es jedoch zu bedenken, dass was des einen Freud des anderen Leid ist: „Schließlich werden die Anrechte durch die Abänderung nicht vermehrt, sondern nur anders verteilt, was zu Einbußen beim Ex-Partner und den Versorgungsträgern führen kann.“
Ganz wichtig ist zu beachten: „Wird ein Versorgungsausgleich nach altem Recht wieder aufgeschnürt, werden nicht nur einzelne Rentenarten betrachtet, sondern alles kommt erneut auf den Tisch. Es kann dann auch dazu kommen, dass durch gegenläufige Entwicklungen Rentenansprüche geschmälert werden, sodass der vermeintlich Begünstigte letztendlich weniger bekommt.“ Im Extremfall könne es bis zu einem Komplettverlust der Rente gehen. Daher rät Anwalt Mayer dringend dazu, sämtliche Folgen eines Abänderungsantrags gründlich im Vorfeld zu prüfen.