Wo Nachbarn eng zusammenwohnen, kommt es immer wieder zu Streit. Das gilt besonders in Eigentümergemeinschaften: Je größer ein Haus ist, je mehr Parteien es gibt, desto höher ist das Konfliktpotenzial. „Kein Wunder“, sagt Julia Wagner, Rechtsreferentin bei Haus & Grund Deutschland. „Schließlich will jeder mit seinem Eigentum machen können, was er will“. Gerade das ist aber in einer Eigentümergemeinschaft nur begrenzt möglich.
Zwar kann dort jeder seine Wohnung gestalten, wie er möchte. Aber schon, wenn es darum geht, ein neues Fenster einzusetzen oder Rollläden anzubringen, kann es schwierig werden. In diesen Fällen geht es um das Gemeinschaftseigentum, also um das, was allen gehört – beispielsweise die Flure, die Fassade, die Tiefgarage. Und dort muss man kooperieren.
Bei Fenstern kann man sich vielleicht noch einigen, schwieriger wird es, bei großen und teuren Projekten. Zum Beispiel, wenn ein Eigentümer eine Entkalkungsanlage oder Sonnenkollektoren will. Alle diese Vorschläge müssen auf der Eigentümerversammlung besprochen werden.
51 Prozent oder mehr?
Dort wird nach der Diskussion abgestimmt: Ist die Mehrheit der Eigentümer dafür, wird die Idee umgesetzt. Allerdings gibt es je nach Situation unterschiedliche Mehrheiten: „Geht es um eine Reparatur, reicht in der Regel die einfache Mehrheit – selbst wenn die Reparatur sehr teuer ist“, sagt Wagner. Sind also sechs von zehn Parteien für eine Instandsetzung des Aufzugs, reicht das aus. Die einfache Mehrheit gilt beispielsweise auch, wenn es um den Abschluss eines Versicherungsvertrags oder um einen Hausmeisterwechsel geht.
Eine sogenannte doppelt qualifizierte Mehrheit ist nötig, wenn es um reine Modernisierungen geht, wenn also beispielsweise das Dach neu gedämmt werden soll, um Energie zu sparen. „Doppelt qualifizierte Mehrheit heißt, dass mindestens 75 Prozent der Stimmen aller stimmberechtigten Eigentümer, die gleichzeitig mehr als 50 Prozent aller Miteigentumsanteile repräsentieren, auf einen Beschluss entfallen“, sagt Wagner. Damit soll gewährleistet werden, dass ein solcher Beschluss dem Willen der ganz überwiegenden Mehrheit der Eigentümer entspricht. Zugleich soll gewährleistet werden, dass auch diejenigen, die die Kosten tragen, mehrheitlich für die Maßnahme sind. Denn in der Regel richtet sich der Anteil an den jeweils zu tragenden Kosten nach den Miteigentumsanteilen. Ein Miteigentumsanteil ist ein Bruchteil am gemeinschaftlichen Eigentum.
Geht es um bauliche Veränderungen, die weder Modernisierung noch Reparaturen sind, und die das Gesamterscheinungsbild der Immobilie betreffen, benötigt man die Zustimmung von allen Eigentümern. Das könnten beispielsweise angesetzte Balkone sein. „Stimmt in einem solchen Fall einer dagegen, wird das Projekt nicht umgesetzt“, sagt die Rechtsexpertin. Geht es um eine Änderung der Teilungserklärung, müssen auch alle Eigentümer zustimmen, und der Beschluss muss von einem Notar beurkundet werden.
Wenn Eigentümer einen Beschluss anfechten
Manche Eigentümer können es nicht verkraften, wenn sie überstimmt werden. Im schlimmsten Fall ziehen sie vor Gericht. Anfechtungen von Beschlüssen können aber dazu führen, dass sich Projekte jahrelang verzögern. Die Folge könnte sein, dass der Wert einer Immobilie dadurch sinkt, und dass es zum Instandhaltungsstau kommt. Geht gar nichts mehr, rät Wagner, einen externen Dritten dazuzuholen, eventuell einen Mediator, der versucht, Frieden in die Gemeinschaft zu bringen.
Die Rolle des Eigentümerbeirats
Damit es gar nicht so weit kommt, gibt es in vielen Eigentümergemeinschaften einen Eigentümerbeirat. Er setzt sich in der Regel aus bis zu drei Eigentümern zusammen, die diese Aufgabe meistens ehrenamtlich ausführen. Seine Aufgabe ist es, den Hausverwalter zu kontrollieren. Darum gibt es einmal im Jahr eine Belegprüfung. Auch bei der Begehung der Wohnanlage kann der Beirat mitgehen, um gemeinsam mit dem Verwalter zu überlegen, wo man was optimieren kann. Außerdem ist er Bindeglied zwischen den Eigentümern und dem Hausverwalter. Gibt es Streit, kann er versuchen, zu deeskalieren, zu informieren und die Leute ins Boot zu holen.
Die Krux an der Sache: Ein Eigentümerbeirat haftet trotz Ehrenamt für seine Arbeit. „In einem Fall hat das Oberlandesgericht Düsseldorf ein Beiratsmitglied verurteilt, 100.000 Mark zu zahlen“, sagt Wagner. (Beschluss vom 24.9.1997/3Wx 221/97). Beiratsmitglieder haften allerdings nur, wenn sie schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben. Vorsätzliches Handeln kann man nachweisen, bei Fahrlässigkeit werde es jedoch schwierig. Denn die Frage bei einem Ehrenamt ist: Welchen Maßstab soll man anwenden? Wie viel Sorgfalt ist nötig? Die eines Hausverwalters? Oder die des Laien?
Eigentümergemeinschaften, die einen Beirat wünschen, sollten per Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung festlegen, dass die Beiratsmitglieder nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haften. „Einzelnen Beiratsmitgliedern kann auch per Beschluss eine Haftungsbeschränkung erteilt werden“, so Wagner. Außerdem kann die Eigentümergemeinschaft für die Beiräte eine spezielle Haftpflichtversicherung abschließen. Zudem werden die Mitglieder des Verwaltungsbeirats durch Beschluss entlastet. Das bedeutet, die Gemeinschaft verzichtet auf bis dahin entstandene und erkennbare Schadenersatzansprüche.