Gröbenzell. Schnell den Einkauf erledigen, auf dem Rückweg die Kinder von Ballett und Fußball abholen. Dann noch bei der betagten Mutter vorbei, aber nur kurz. Denn zu Hause warten die Wäsche und das angetrocknete Geschirr.

Leben auf der Überholspur: Mehr als die Hälfte der Deutschen hat im Alltag zu viel um die Ohren, so eine Studie der Techniker Krankenkasse mit dem bezeichnenden Titel: „Bleib locker, Deutschland“. Besonders Frauen stehen unter Strom. 63 Prozent gaben an, von einem Termin zum nächsten zu hetzen. Zeit zum Abschalten? Fehlanzeige.



„Der ständige Zeitdruck im Alltag ist die größte Belastung“, weiß auch Anne Schilling, Chefin des Müttergenesungswerks in Berlin. Bei dessen 1.600 Beratungsstellen suchen jährlich über 150.000 Frauen und Männer Hilfe: Sie wollen raus aus der Hektik. Nur wie?

„Indem Sie konsequent vereinfachen“, sagt Werner Tiki Küstenmacher. Der Theologe aus dem bayerischen Gröbenzell hat den Klassiker unter den Ratgebern geschrieben: „Simplify your Life – einfacher und glücklicher leben“. Es geht um den Mut zum Weglassen. „Anstatt immer mehr in den Alltag zu packen, sollten Sie rigoros entrümpeln“, rät er. Das gilt für Gegenstände, Aufgaben, Erwartungen an sich selbst. Nicht einfach, das alles über Bord zu werfen. Trotzdem, es funktioniert!

  • Prioritäten setzen:Gesundheit, Ernährung, Partnerschaft stehen an erster Stelle“, sagt Küstenmacher. Dafür muss man sich Zeit nehmen. Alles andere kommt auf eine To-do-Liste. Ganz oben steht, was wichtig ist, aber gern verschoben wird: Rechnungen bezahlen, Schreibtisch aufräumen. „Wer das wegarbeitet, schafft Platz im Kopf.“
  • Hilfe einfordern, Lasten teilen: „Streichen Sie Aufgaben, die nicht von Ihnen erledigt werden können oder müssen“, rät der Zeitexperte. Die Fahrt zum Fußball übernehmen bestimmt auch mal andere Eltern. Den Einkauf kann der Partner erledigen, die Kinder können auch mal den Schulbus nehmen.
  • Zeit mit dem Kalender managen: „Versehen Sie jeden Punkt Ihrer Liste mit einem Datum“, rät Küstenmacher. Bleibt am Ende des Tages eine Aufgabe übrig, landet sie nicht automatisch auf der nächsten Liste. „Fragen Sie sich, ob die Aufgabe tatsächlich so wichtig ist.“ Wenn nicht: abgeben oder streichen. Der nächste Tag wird etwa zehn Minuten lang geplant. Auf der Liste landen nur Aufgaben, die Sie erledigen können – nicht jene, die Sie alle gern erledigt hätten.
  • Nicht zu viel versprechen: „Das gilt für Sie selbst und gegenüber anderen“, sagt Küstenmacher. Wer etwa seinen chaotischen Schreibtisch aufräumen will, sollte es nicht tun, bevor er nicht eine klare Vorstellung davon hat: „Versuchen Sie es erst, wenn Ihnen die aufgeräumte Schreibtischplatte klar vor Augen steht.“ Und wer ein Versprechen an jemanden in der Eile vergessen hat, meldet sich halt später und erklärt das.
  • Nicht perfekt – na und? Die Spüle nicht aufgeräumt, die Hälfte des Einkaufs vergessen: keine Katastrophe. Küstenmacher: „Geben Sie diesen Tag nicht verloren. Führen Sie sich vor Augen, was Sie geschafft haben.“ Das steigert die Zufriedenheit und erleichtert es, den nächsten Tag realistisch zu planen.Anja van Marwick-Ebner