Diese Fakten treiben einem den Schweiß auf die Stirn: Im Verlauf der letzten zwölf Monate mussten Mensch, Tier und Umwelt in Deutschland rund 50 extreme Hitzetage überstehen. An diesen Tagen war es wärmer als 90 Prozent der Temperaturen, die jeweils im Durchschnitt der Jahre von 1991 bis 2020 gemessen wurden. Knapp die Hälfte der Hitzetage sind auf den anhaltenden Klimawandel zurückzuführen, so die gemeinnützige US-Organisation Climate Central. Sie hat zusammen mit Partnern internationale Klimadaten ausgewertet.

Speziell in Europa werden besonders Sommertage immer wärmer – und Hitzeperioden immer länger. Auch wenn so manche wetterbedingte Abkühlung gefühlt Linderung verspricht, der globale Trend zu mehr Hitze bleibt. Wie also mit solchen Temperaturen umgehen? Was kann jeder Einzelne tun, um trotz Hitzestress cool zu bleiben, etwa im Job ober beim Sport?

Ein feuchtes T-Shirt hilft dem Körper bei der Thermoregulation

„Es ist in solchen Situationen wichtig, die körpereigene Kühlfunktion zu unterstützen“, sagt Jan Beringer, Experte für Bekleidungsphysiologie und Funktionalisierung von Geweben bei den Hohenstein Laboratories in Bönnigheim. Unsere sogenannte Thermoregulation funktioniert über die Verdunstung des produzierten Schweißes: Damit wird die dem Körper durch Hitze zugeführte Energie abgeleitet. Und diese Verdunstungskühlung kann jeder mit einem ganz einfachen Trick unterstützen: „Und zwar, indem Sie Ihre Kleidung anfeuchten, entweder durch den eigenen Schweiß oder mit Wasser“, erklärt Beringer. Dass Sportler sich den Inhalt ihrer Trinkflasche übers Trikot schütten, ist also gar keine schlechte Idee.

„Auf Synthetikfasern verdunstet Schweiß. Das ergibt den Kühleffekt.“ 

Jan Beringer, Hohenstein Laboratories, Bönnigheim

Der Trick hilft allerdings nur in geringem Maße, wenn das angefeuchtete Textil aus Baumwolle besteht. Die saugt nämlich Feuchtigkeit und Schweiß auf, Verdunstung findet dann kaum statt. „Dafür sind Synthetikfasern wesentlich besser geeignet“, sagt der Experte, „in sie kann Schweiß nicht eindringen, er benetzt nur die Oberfläche und verdunstet viel effektiver.“ Ergebnis: Ein angenehmer Kühleffekt – und der Stoff trocknet schnell. 

Deshalb kommen entsprechende Stoffe bei Sport- und Outdoortextilien zum Einsatz. Das Paderborner Unternehmen Penn Textile Solutions etwa fertigt auf seinen Wirk- und Strickmaschinen Textilien aus Polyesterfasern: Sie ermöglichen eine besonders gute Luftzirkulation und unterstützen so die körpereigene Temperaturregulierung. Kunstfasern wie etwa Polyester schützen übrigens auch vor der schädlichen UV-Strahlung der Sonne: Sie enthalten Titanoxid, das auch in vielen Sonnenschutzmitteln steckt. Die in die Faser eingebrachten Oxidteilchen reflektieren wie winzige Spiegel das Sonnenlicht und bewahren so vor der Strahlung.

Ein Vlies kann eine große Menge Wasser aufnehmen

Wären solche Fasern auch in Arbeitskleidung einsetzbar? „Da kommt es auf die Anwendung an“, sagt Beringer. Bei persönlicher Schutzausrüstung zum Beispiel werden Stoffe benötigt, die etwa Chemiewerker vor Säuren, Elektriker vor Störlichtbögen oder Schweißer vor Funkenflug schützen. „Hier steht also der Schutz von Gesundheit und Leben im Vordergrund.“ Die Stoffe müssen dementsprechend schwer und robust sein, mit leichten Stoffen geht das nicht.

In anderen Arbeitsbereichen, im Straßen- und Hochbau etwa, gibt es durchaus Ansätze für leichtere, kühlende textile Lösungen. „Auch dabei funktioniert Kühlung am besten durch Wasserverdunstung“, betont der Experte.

Das Prinzip hat sich das Ulmer Unternehmen Pervormance zunutze gemacht. Es fertigt Kühlwesten, Shirts und Bandagen unter dem Markennamen E.Cooline und hat dafür den Deutschen Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie „Klima“ gewonnen. Das verarbeitete Vlies saugt sich mit Wasser voll, wenn man es unter den Wasserhahn hält. Dank seiner Struktur kann das Vlies viele Wassermoleküle aufnehmen, die dann über Verdunstung den Körper kühlen. Wichtig: Das Textil liegt eng an, um den Kühleffekt über die Haut an den Körper weiterzugeben. Untersuchungen zeigen, dass die Kühlleistung des Vlieses reicht, um die Körperkerntemperatur für viele Stunden auf einem angenehmen Niveau zu halten.

Es ist also durchaus möglich, auch bei schweißtreibender Arbeit cool zu bleiben.

Anja van Marwick-Ebner
aktiv-Redakteurin

Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.

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