Stuttgart. Baden-Württemberg ist in der Welt ja für so einiges bekannt. Nicht nur für Maultaschen, Kuckucksuhren, Erfinder, Autos und Maschinen – auch für sein Krisenmanagement! Im Mai titelte etwa das „Wall Street Journal“, die zweitgrößte Tageszeitung in den USA: „Wie Deutschland während der Pandemie seine Fabriken am Laufen hielt“ – und gab Einblicke, wie der Arbeitsalltag in Unternehmen der Metall- und Elektro-Industrie jetzt so läuft, zum Beispiel im Schwarzwald und der Region Hohenlohe.

Laut einer aktuellen repräsentativen Allensbach-Umfrage attestieren deutschlandweit 70 Prozent der Arbeitnehmer ihrem Arbeitgeber ein gutes Krisenmanagement. Dagegen schneiden das Bildungssystem und die kommunale Verwaltung weniger gut ab – dass sie auf die Krise gut reagiert haben, findet nur rund die Hälfte der Bürger.

Die Betriebe sorgen mit einem Arsenal an Maßnahmen für Schutz

In der Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs mussten zwar viele Unternehmen Kurzarbeit anmelden. Doch dort, wo noch oder wieder produziert wird, sorgen die Betriebe mit einem Arsenal an Schutzvorkehrungen dafür, dass die Mitarbeiter vor Corona-Ansteckung weitgehend sicher sind. Selbstverständlich gehören zum Beispiel in den Unternehmen Desinfektionsmittel-Spender dazu und Schutzmasken in den Bereichen, wo genügend Abstand nicht möglich ist.

aktiv hat sich umgehört, welche Maßnahmen die Unternehmen und ihre Belegschaften sich sonst noch einfallen ließen – und wie trotz allem die Kommunikation und das Miteinander möglich bleiben.

Kässbohrer: Stark durch Zusammenhalt

Bei der Kässbohrer Geländefahrzeug AG in Laupheim (rund 400 Mitarbeiter) wird auf Hochtouren an Pistenraupen für die nächste Skisaison gearbeitet. Mit Abstand, Masken und zum Teil hinter Plexiglas-Wänden.

Das Miteinander ist auch hier eine Herausforderung. Etwa in der Kantine, die sonst immer prall gefüllt war. „Und in der Produktion läuft es eben unter besonderen Bedingungen weiter. Auf Abstand sofern möglich, ansonsten mit Mund-Nasen-Bedeckung“, sagt Maria Schackert, Leiterin der Unternehmenskommunikation.

Aber die Belegschaft fühle sich dennoch zusammengeschweißt, haben die meisten doch im vergangenen Jahr gemeinsam den 50. Geburtstag der Pistenbullys gefeiert. „Wir gehen die Corona-Krise mit viel Optimismus an und blicken hoffnungsvoll nach vorne“, so Schackert.

Viele Mitarbeiter tragen statt der Maske einfach das Pistenbully-Multifunktionstuch vor Mund und Nase, das Kässbohrer in seinem Online-Shop als Zubehör anbietet.

Kromer: Virtuelle Kaffeepause

Bei Carl Stahl Kromer in Gottenheim bei Freiburg (33 Mitarbeiter, Federzüge für die Industrie) war die Krise Anlass, in eine neue IT-Infrastruktur und Software zur Online-Kommunikation zu investieren. Solche Lösungen seien „in vielen kleineren Unternehmen wie unserem noch nicht selbstverständlich“, sagt Geschäftsführer Thomas Steinle. Die neuen Video- und Chatfunktionen würden sehr gut angenommen. Viele Konferenzen und Kundenbesuche finden online statt.

Die Mitarbeiter treffen sich jetzt öfters zu virtuellen Kaffeepausen, „wo zwischendurch auch mal nicht über die Arbeit gesprochen wird“.

Praktisch: An einigen Türen gibt es hier jetzt „Ellbogen-Türöffner“, damit die Klinken nicht mit der Hand berührt werden müssen.

„Man spürt einen starken Zusammenhalt“, so Steinle, „vielleicht gerade weil die Krise so schwierig ist.“ Man helfe sich, wo man kann – nicht nur in der Belegschaft, sondern auch mit den Kunden und Partnern. „Das lässt uns optimistisch in die Zukunft blicken!“

Mann+Hummel: Austausch per App

Bei Mann+Hummel, dem weltweit agierenden Filterspezialisten aus Ludwigsburg, wurde Anfang des Jahres ein globaler Covid-19-Steuerkreis ins Leben gerufen, der sich täglich berät.

Die Masken sind hausgemacht: „Wir stellen den Mitarbeitern Mund-Nasen-Bedeckungen zur Verfügung, die wir an verschiedenen Standorten selbst fertigen“, so Pressesprecherin Laura Montag.

Bei dem Automobilzulieferer (rund 21.000 Mitarbeiter) findet der Austausch verstärkt per Smartphone statt: In der Mitarbeiter-App gibt’s in einem Stream mehrfach wöchentlich Infos rund um die Pandemie, und die Mitarbeiter können mitreden. So sei zu spüren, was sonst eher beim Flurfunk wahrgenommen wird, sagt Sprecherin Montag: „Ein starker Zusammenhalt und Teamgeist.“

Weltweit gibt es mehr als 80 Standorte, und die Geschäftsleitung hat einen virtuellen Road Trip zu den Werken gestartet: Via Skype finden überall auf der Welt virtuelle Versammlungen statt.

    R. Stahl: Krisenstab

    Bei R. Stahl in Waldenburg, Spezialist für Explosionsschutz, blieben die Abläufe sogar in der Hochphase der Pandemie ohne große Störungen: „Durch früh eingeleitete Maßnahmen zum Erhalt der Gesundheit unserer Mitarbeiter und unserer Einsatzbereitschaft“, erklärt der Vorstandsvorsitzende Mathias Hallmann.

    Der bereits im Februar gebildete Krisenstab hat unter anderem dafür gesorgt, dass beim Verdacht einer Infektion ein ärztlicher Test durchgeführt wird. Gearbeitet wird mit Abstand, zeitversetzt und mobil. Meetings finden bevorzugt per Telefon und virtuell am Computer statt. Wo nötig schützen in der Produktion und Warenannahme zusätzlich Barrieren die Mitarbeiter.

    Auch hier besonders wichtig: die regelmäßige interne Kommunikation. Alle Mitarbeiter werden laufend über aktuelle Entwicklungen in den weltweiten Standorten informiert.

    Marquardt: Videobotschaft vom Chef

    Harald Marquardt rückt sein Jackett zurecht und positioniert sich vor der Kamera: Der Vorsitzende der Geschäftsführung beim Automobil-Zulieferer Marquardt ist das schon gewohnt. Hier wendet sich die Geschäftsführung jetzt jede Woche per Videobotschaft an die Belegschaft, um über die aktuelle Entwicklung zu informieren.

    Auch hier ist die interne Kommunikation durch die Corona-Krise deutlich intensiver geworden. Das Video können die Beschäftigen dann einfach über die Mitarbeiter-App „We@Marquardt“ abrufen. So sind auch diejenigen noch im Geschehen dabei, die sich gerade in Kurzarbeit befinden und sonst nur wenig mitbekommen würden.

    „Die Corona-Krise trifft uns inmitten einer Phase, in der wir Marquardt auf weiteres Wachstum ausgerichtet haben“, schildert Harald Marquardt. „Oberste Priorität haben in dieser Ausnahmesituation jetzt die Gesundheit und der Schutz unserer Mitarbeiter und die Beschäftigungssicherung.“ So könne das Unternehmen nach der Krise gleich wieder voll durchstarten.

    Barbara Auer
    aktiv-Redakteurin

    Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.

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