Erlangen. In den 1990er Jahren gab es das nicht: digitale Medien im Schulunterricht. Kai Wörner (36) hat sie trotzdem genutzt. Heimlich, wie man das als Schüler halt so macht. Mit dem Game Boy zockte er unter der Schulbank „Tetris“. Und in Mathe checkte er den Tabellenplatz des 1. FC Nürnberg – auf seinem Funkrufempfänger, „denn Handys hatten wir ja noch nicht“. Heute unterrichtet der Computerfan selbst, gibt Deutsch und Geschichte an der Realschule am Europakanal in Erlangen. Mit einem Unterschied: Die Schüler müssen ihre digitalen Geräte nicht mehr unterm Tisch verstecken. „Wir setzen sie sinnvoll ein“, sagt der Pädagoge, „jetzt und hier im Unterricht.“

Das gehört an seiner Realschule zum Konzept. Sie ist eine von acht bayerischen Schulen, die im Modellversuch „Digitale Schule 2020“ Ideen für den Einsatz digitaler Medien in der Klasse entwickeln. Das Projekt ist jetzt gestartet und endet im Sommer 2020. Es wird von der Stiftung Bildungspakt Bayern durchgeführt und von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) unterstützt.

„Wir machen die Schüler fit fürs 21. Jahrhundert“, sagt Markus Bölling, der Schulleiter. Mit Wörner und weiteren Kollegen treibt er die Entwicklung zur digitalen Schule voran. Zwischen Gängen und Klassenzimmern schuf er beispielsweise 22 WLAN-Zugangspunkte ins Internet. Die Fähigkeit, mit digitalen Medien umzugehen, Wissen zu sammeln, zu ordnen und zu bewerten, das ist für Wörner „eine vierte Kulturtechnik, die wir heute einfach brauchen – gleich nach Lesen, Rechnen und Schreiben“.

Die Realschule ist schon ein gutes Stück weiter als andere. Wörner kennt sie seit seiner Referendariatszeit. Vor fünf Jahren führte sie Tablet-Klassen ein. Der Lehrer war von Anfang an dabei, testete damals die ersten Geräte. Er ist ein Fan alles Digitalen, betreibt auch einen Twitter-Account.

Statt Heften und Büchern stecken nun iPads in den Schultaschen der Jugendlichen, die Eltern investierten gern. Wo das nicht möglich war, half der Förderverein. „Auf den Tablets ist alles drauf“, so Wörner, „Hausaufgaben, der Stoff der letzten Stunde und unsere Arbeitsergebnisse aus dem Unterricht.“

Durch die Digitalisierung hat sich für den Lehrer viel verändert. Stundenlang stand er früher am Kopierer oder ärgerte sich über verklebte Folien am Tageslichtprojektor. „Zum Glück gibt es jetzt bessere Techniken“, bemerkt der Pädagoge, der seine Aufschriebe jetzt auf das Whiteboard projiziert, das er auch statt Tafel nutzt. „In jedem Fach lässt sich was Digitales machen“, findet er, „man muss nur Ideen haben.“

Zum Beispiel in Geschichte. „Die lebt von der Visualisierung.“ Egal, ob man die alten Ägypter, die Römer oder die Französische Revolution durchnimmt. Zum Einstieg in die Stunde spendiert er öfter mal ein Video, „dann passen plötzlich alle auf“.

Im Deutschunterricht lässt er auf den Tablets kleine Gedanken-Landkarten (Mindmaps) zeichnen, ideal für die Personenbeschreibung im Roman. Die 10a behandelt gerade das Jugendbuch „Tschick“. Schlüsselszenen daraus haben die Jugendlichen nachgestellt und gefilmt. Apropos Film: Inzwischen bestückt die Realschule einen eigenen Youtube-Kanal. Vor allem Lehrvideos enthält er, die chemische Experimente zeigen oder mathematische Gleichungen erklären. In einem „Edu-Blog“ verteilt die Schule klassenweise Nachrichten an Schüler und Eltern, Material für den Unterricht. Natürlich passwortgeschützt.

Der Schulclip kommt in die Bewerbungsmappe

Nach wie vor steckt Wörner viel Zeit in die Vorbereitung des Unterrichts. Daran hat sich nichts geändert. „Doch in meinen Stunden zeige ich zusätzlich Bilder sowie kurze Filme und überlege vorher, welche Apps ich verwenden kann.“ Der Pädagoge ist ein Fan von Videoprogrammen. Damit nimmt er kleine Lehreinheiten auf oder lässt die Schüler selbst filmen. So drehte er mit den Jugendlichen einen Clip über ihre Schule. Das Zertifikat für den Workshop legen viele ihren Bewerbungen bei.

Und was bringt das Ganze? „Die Schüler sind offener für Neues und besser im Präsentieren“, fasst Wörner zusammen. Aus den Firmen hört die Schule viel Gutes über ihre Absolventen. Sie seien fitter in digitalen Dingen. Gut so, denn diese Fähigkeiten brauchen sie auch im Beruf immer mehr.

Persönlich

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Geschichte hat mich schon immer fasziniert. Wissen darüber ist heute überall vorhanden. Man muss aber lernen, mit den vielen Informationen umzugehen.

Was reizt Sie am meisten?

Ich nutze das Internet häufig, aber nicht 24 Stunden täglich. Die Bundesliga schaue ich mir nach wie vor im Fernsehen an.

Worauf kommt es an?

Weiterdenken und verstehen, was dahintersteckt. Das ist mein Ziel. So erkennen auch meine Schüler, was wahr ist und was „fake“.

Vernetzt lernen

Startschuss: Acht Schulen sammeln pfiffige Ideen für die „Digitale Schule 2020“.

bildungspakt-bayern.de