Köln. „Sie waren doch sooo nett – die liebenswürdige Dame am Telefon und der junge Mann an der Haustür.“ Blöd nur, dass es sich dabei um knallharte Verkäufer gehandelt hat, die den gutgläubigen Senioren irgendwelchen überflüssigen Mist aufgeschwatzt haben. Beispielsweise ein völlig überteuertes Wasserbett, eine sinnlose Versicherung oder eine Internet-Flat, obwohl die Rentner gar keinen Computer haben. Was können ihre Kinder, Nachbarn oder andere Vertrauenspersonen tun, um die Angelegenheit aus der Welt zu schaffen?

Nicht gegen den Willen

„Wie jeder Volljährige können Senioren selbstverständlich jeden beliebigen Vertrag abschließen. Gegen den Willen der Betroffenen kann niemand solche Verträge kündigen, auch die Kinder nicht“, erklärt der Kölner Allgemeinanwalt Harald Rotter. Wenn man gegen die Sache vorgehen will, müssen die Betroffenen die Vertragskündigung also selber unterschreiben.

Alternative: Man lässt sich eine Vollmacht geben. „Dazu reicht ein handschriftliches, formloses Schreiben“, sagt Rotter, beispielsweise: „Hiermit ermächtige ich Herrn/Frau XY, alles zu tun, um den Kauf von YZ rückgängig zu machen.“ Absender und Unterschrift nicht vergessen!

Wo wurde gekauft?

Für das weitere Vorgehen kommt es auf die Details an. Hat der Senior im Laden eingekauft, kann man versuchen, Bestellungen – zum Beispiel von Möbeln – rückgängig zu machen bzw. die Ware zurückzubringen, natürlich unbenutzt und mit Kassenbon. „Dabei handelt es sich um eine reine Kulanzleistung des Händlers“, sagt Rotter. Im Laden gilt nämlich: Vertrag ist Vertrag. Stellt sich der Verkäufer auf stur, kann man nichts machen.

Vertrag widerrufen

Haben die Senioren dagegen telefonisch, im Internet oder an der Haustür gekauft, sieht die Sache anders aus. Zunächst sollte man prüfen, ob der Rentner eine Widerrufsbelehrung erhalten hat. Manchmal ist die Widerrufsbelehrung direkt in irgendeinen Kaufvertrag integriert, den man unterschrieben hat. Manchmal werden aber auch separate Unterlagen per Mail oder Post zugeschickt. „Grundsätzlich muss der Verkäufer beweisen, dass die Widerrufsbelehrung beim Kunden eingegangen ist“, sagt Rotter. Und jeder weiß ja, wie unzuverlässig die Post heutzutage sein kann.

Ab dem Tag, an dem der Senior die Widerrufsbelehrung erhalten hat, kann man den Vertrag innerhalb von 14 Tagen ohne Angaben von Gründen widerrufen. Ohne Widerrufsbelehrung hat man sogar ein ganzes Jahr plus zwei Wochen Zeit. Dazu nutzt man entweder das Widerrufsformular des Unternehmens. Oder man setzt ein entsprechendes Schreiben an die Firma auf, beispielsweise: „Hiermit übe ich mein gesetzliches Widerrufsrecht aus und widerrufe den Kauf von XY.“ Selbstverständlich muss man erhaltene Ware zurückschicken. Vorsicht: Kommentarloses Zurückschicken der Ware reicht nicht aus, der Widerruf muss ausdrücklich erklärt werden!

Vertrag anfechten

Sind alle Widerrufsfristen abgelaufen, wird es schwierig. „In diesem Fall kann man Verträge nur noch wegen Irrtum oder arglistiger Täuschung anfechten“, sagt Harald Rotter. Irrtum bedeutet, dass der Verkäufer die betagten Kunden so lange zugetextet hat, bis sie komplett durcheinander waren und alles falsch verstanden haben. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn die Rentner glauben, dass es sich um ein unverbindliches Angebot handelt, obwohl der Vertrag in Wirklichkeit schon unter Dach und Fach ist.

Arglistige Täuschung dagegen bedeutet, dass der Verkäufer den Senior knallhart angelogen hat. „Beides ist schwer zu beweisen“, sagt Rotter. Der Jurist empfiehlt Kindern oder anderen Vertrauenspersonen, sicherheitshalber sofort aufzuschreiben, was die Betroffenen über das Verkaufsgespräch erzählt haben, falls man bei einem eventuellen Gerichtstermin als Zeuge aussagen soll.

Für das weitere Vorgehen kommt es auf den Einzelfall an. Bei sehr teuren Waren, die die Senioren von ihrer kleinen Rente vielleicht sogar gar nicht bezahlen können, sollte man sofort einen Anwalt bzw. die Verbraucherzentralen einschalten.

Selbst probieren sollte man es nur bei kleineren Rechnungssummen, die zwar ärgerlich sind, aber finanziell verkraftbar. Harald Rotter empfiehlt dann ein sachliches Schreiben, in dem man den Sachverhalt darstellt und das Unternehmen auffordert, das Geschäft wegen Irrtums rückgängig zu machen. Es schadet natürlich nichts, mit einem Anwalt zu drohen. Beschimpfungen dagegen bringen nach den Erfahrungen von Harald Rotter gar nichts, sondern werden bei einem eventuellen Verfahren vom Richter oft negativ bewertet.

Wichtig: Zusätzlich kündigen

Egal, ob Widerruf oder Anfechtung wegen Irrtum: Bei Verträgen mit regelmäßigen Zahlungen – etwa für Zeitungsabos, Versicherungen, Telefon usw. – sollte man in dem Schreiben an das Unternehmen sicherheitshalber zusätzlich kündigen, also beispielsweise: „Außerdem kündige ich den Vertrag fristlos sowie außerdem hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Kündigungstermin.“ Dadurch ist man auf der sicheren Seite, falls es zu einer längeren Auseinandersetzung mit dem Unternehmen kommt, und verpasst nicht aus Versehen andere eventuell mögliche Ausstiegstermine. Wichtig: Kündigungsvollmacht beilegen oder die Betroffenen selbst unterschreiben lassen!

Zahlungen zurückbuchen

Ganz wichtig ist außerdem eine Kontrolle der Kontoauszüge. Manchmal hat das Unternehmen nämlich eine Einzugsermächtigung und bucht vom Konto ab. Klar, dass man der Firma dann sofort einen Brief schreibt und die erteilte Einzugsermächtigung mit sofortiger Wirkung rückgängig macht.

„Zudem sollte man die Abbuchungen direkt bei der Bank widerrufen. Dann muss das Unternehmen schauen, wie es an sein Geld kommt“, empfiehlt Harald Rotter. Handelt es sich um echte Abzocke, braucht man dabei allerdings manchmal etwas Geduld. Mit Pech entsteht dann nämlich ein nerviges Hin und Her, weil das Unternehmen immer wieder neu abbucht. Aber das ist immer noch besser, als Dinge zu bezahlen, die man weder braucht noch will.