Berlin. Wow! Trotz der langen Corona-Wettkampfpause hat es geklappt: Die Berlinerin Lilly Stoephasius (14) und Tyler Edtmayer (20) aus Bayern haben sich Ende Mai bei einem Ausscheid in der US-Stadt Des Moines (Iowa) endgültig die Teilnahme an den Olympischen Spielen in der Skateboard-Disziplin „Park“ gesichert.

Ausnahmetalent Stoephasius ist zudem die jüngste deutsche Teilnehmerin der Spiele in Tokio. Viel Aufmerksamkeit ist nichts Ungewohntes für den Teenie: Schon mit elf Jahren war sie erstmals Deutsche Meisterin und ist für viele junge Mädchen zum großen Vorbild geworden. Das wird den aktuellen Run von Frauen in die Skate-Szene sicher weiter befeuern.

Das Interesse von Frauen an Männerberufen nimmt zu

Das glaubt auch Lea Schairer. Seit Anfang 2020 amtiert die Sportwissenschaftlerin aus München als Bundestrainerin in der Disziplin Street. Die 32-Jährige ist zudem eine erfolgreiche Skateboarderin und zweimal Deutsche Meisterin. Mit elf Jahren stand sie erstmals auf dem Rollbrett. „Beide Sportler haben das Potenzial für die Top Ten. Mal sehen, was die Tagesform bei Olympia hergibt“, sagt Schairer.

Frauen haben Erfolg in Männerdomänen – wenn sie sich trauen. Das gilt auch in der Industrie, die gern mehr weibliche Fachkräfte hätte. Vorbilder machen Mut. Wie gut das funktionieren kann, zeigt zum Beispiel die Kampagne „Komm, mach MINT“. Sie weckt das Interesse an vermeintlichen Männerberufen im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, vor allem anhand der Beispiele erfolgreicher Frauen: Hatten 2008 knapp 60.000 Frauen ein MINT-Studium aufgenommen, waren es 2019 rund 120.000. Eine Steigerung um 100 Prozent! Und im selben Zeitraum hat sich die Anzahl der Frauen, die ein ingenieurwissenschaftliches Studium aufgenommen haben, auf über 60.000 verdreifacht!

Sponsoren haben die Skateboard-Frauen entdeckt

Dass Frauen auch Stück für Stück im Skateboard Land gewinnen, liegt also im Trend. Als Schairer zur Jahrtausendwende mit dem Skaten begonnen hatte, waren Mädchen hingegen noch „Exoten“ in der Szene. „Heute hat das Thema Frauen und Skateboardfahren viel mehr Respekt gewonnen, es hat sich ein viel höheres Leistungsniveau entwickelt, Sponsoren haben Frauen entdeckt, es gibt für sie eine bessere Förderung“, konstatiert Schairer, die durch ihre Leistungen und ihre Vorbildrolle sehr viel zu dieser Entwicklung beigetragen hat.

Worin liegt eigentlich für sie der Reiz des Skatens? „Es ist die Freude an der Bewegung, du übst selbstbestimmt, damit alles leicht und ästhetisch wirkt“, meint Schairer. „Du fühlst dich frei. Du nimmst dein Brett, gehst auf die Straße und nutzt alles für deine Tricks, was kommt.“

Toleranz gehört unbedingt zur Skateboard-Szene

Hinzu komme der Coolnessfaktor, etwas untergründig Rebellisches, weil es im Freizeit-Skaten weder klare Regeln noch Zwänge gebe. Klar, dieses Gefühl in der Szene steht in einem gewissen Widerspruch zum Wettkampfsport bei Olympia, für den wie üblich im Leistungssport hart und regelmäßig trainiert werden muss.

Aber: „Toleranz ist eine Sache, auf die alle Skater sehr großen Wert legen“, betont Schairer. „Wer einfach nur fahren will: prima. Wer sich an anderen messen will: auch gut.“ Insofern ist es nicht verwunderlich, dass technische Trends oder Moden beim Skaten immer nur bei einem Teil der Szene oder zeitweise gute Karten haben: Aktuell sind zum Beispiel breite statt schmaler Bretter beliebt. Man sieht wieder Longboards auf der Straße, selbst E-Boards.

Welche Ausrüstung auch immer – für Bundestrainerin Lea Schairer steht fest: „Egal. Hauptsache, man hat Spaß auf dem Brett.“