Wenn die Eltern nicht mehr allein bleiben können, wird die Frage immer drängender, wie es jetzt weitergehen kann. Die meisten Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen wollen den Weg ins Heim um jeden Preis vermeiden. In dieser Situation überlegen viele, ob eine osteuropäische Pflegekraft, beispielsweise aus Polen, eine Alternative ist. Dabei sollte man sich von vornherein klarmachen: „Die sogenannte 24-Stunden-Betreuung ist nur ein Werbebegriff“, sagt Stefan Lux, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbands häusliche SeniorenBetreuung e.V. (BHSB).
Angehörige sollten wissen: Eine Rund-um-die-Uhr-Pflege ist nicht möglich
Wie jeder Mensch muss natürlich auch die osteuropäische Pflegekraft mal schlafen, hat Anspruch auf Freizeit und freie Tage. Eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung, wie sie beispielsweise bei einem Demenzkranken nötig ist, kann auch eine Pflegekraft aus Osteuropa nicht allein stemmen.
„Es sollte vorher geklärt werden, wie die Betreuung während der Zeit stattfinden soll, in der die Pflegekraft nicht verfügbar ist“, erklärt Stefan Lux. Denkbar ist hier beispielsweise, dass der Senior in dieser Zeit in einer Tagespflegeeinrichtung, von Angehörigen oder Freunden betreut wird.
Auch rein räumlich braucht man die Möglichkeit, eine solche Betreuungskraft unterzubringen. Sie benötigt ein eigenes Zimmer, denn üblicherweise wohnt die Hilfe im Haushalt des Seniors. Zudem sollte man bedenken, dass die Kräfte in der Regel alle zwei bis drei Monate wechseln und nicht alle fließend Deutsch sprechen.
Zum Verdienst der Pflegekräfte kommen noch weitere Kosten
Außerdem ist die Entscheidung natürlich eine Frage des Geldes. „Eine legale osteuropäische Pflegekraft kostet derzeit mindestens 2.200 Euro pro Monat“, erklärt Stefan Lux. Das liegt daran, dass die Osteuropäerinnen gefragte Arbeitskräfte sind, die ganz genau wissen, was sie wert sind.
„Minilöhne von 300 Euro pro Monat gehören schon lange der Vergangenheit an. Die Kräfte verdienen derzeit inzwischen mindestens 1.500 Euro pro Monat, Tendenz steigend“, erläutert der Experte. Zudem sind in diesem Betrag die Kosten für die im Heimatland der Kraft vorgeschriebenen Sozialabgaben und Versicherungen enthalten. Auch die Betreuung der Kunden von den deutschen Ansprechpartnern ist damit abgedeckt.
Zusätzlich entstehen noch weitere Ausgaben. Die Kraft wohnt kostenlos, hat alle Mahlzeiten und Getränke frei sowie freies WLAN und Telefon für den Kontakt in die Heimat. Außerdem muss der Kunde in der Regel die Fahrtkosten übernehmen.
Alles in allem sind osteuropäische Betreuungskräfte kein billiges Vergnügen, denn derzeit müssen die Kosten für eine solche häusliche Betreuung größtenteils privat aufgebracht werden. Der Umzug in ein Heim hingegen wird von den Pflegekassen und dem Staat wesentlich umfangreicher bezuschusst, obwohl auch in diesem Fall ein hoher Eigenanteil privat bezahlt werden muss.
Pflegekräfte übernehmen Grundpflege und haben meist keine medizinische Ausbildung
Ist der Senior pflegebedürftig und hat Anspruch auf Leistungen der Pflegekasse, darf man dieses Geld für die osteuropäische Hilfe verwenden. Das Pflegegeld beträgt derzeit je nach Pflegegrad zwischen 316 und 901 Euro pro Monat, dazu kommen weitere Leistungen, beispielsweise die Verhinderungspflege sowie steuerliche Vorteile.
Doch Vorsicht! „Die Betreuungskräfte haben in der Regel keinerlei medizinische Ausbildung, sondern übernehmen nur die hauswirtschaftliche Versorgung und die sogenannte Grundpflege“, erläutert Stefan Lux. Sie bereiten also beispielsweise die Mahlzeiten zu, unterstützen beim Duschen, helfen dem Senior beim Essen und Trinken, begleiten ihn auf Spaziergängen oder passen einfach nur auf, dass nichts passiert.
Gut zu wissen: Bei einem hohen Pflegegrad ist zusätzlich ein Pflegedienst nötig
Spritzen geben, Verbände wechseln, Blutzucker messen, Tabletten bereitstellen – all dies dürfen die Betreuungskräfte dagegen nicht. „Vor allem bei einem höheren Pflegegrad braucht man meist zusätzlich noch einen Pflegedienst“, so die Erfahrung von Stefan Lux. Dadurch fällt natürlich das Pflegegeld geringer aus, und folglich muss man mehr aus eigener Tasche hinzuzahlen.
Achtung, Dumping-Angebote im Internet: Oft läuft es dabei auf Schwarzarbeit hinaus
Angesichts der insgesamt recht hohen Kosten buhlen im Internet zahlreiche Anbieter mit Dumping-Preisen um die Gunst der betagten Kunden. „Angebote im Internet, die unter 2.200 Euro pro Monat liegen, sind unseriös und fast immer Schwarzarbeit“, weiß der Experte.
Umgekehrt gibt es manchmal auch Anbieter, die versuchen, die Notlage des Kunden auszunutzen, und astronomische Preise fordern. „Selbst Top-Kräfte kosten derzeit nicht mehr als 3.000 Euro pro Monat, was darüber liegt, ist unseriös“, so der Experte.
Wie finden Angehörige seriöse Angebote?
In den allermeisten Fällen läuft die Vermittlung über eine deutsche Agentur, die wiederum mit einem ausländischen Unternehmen zusammenarbeitet, das die Betreuungskräfte vor Ort rekrutiert.
Wie findet man eine seriöse Agentur? Der wichtigste Indikator ist eine Verbandsmitgliedschaft. Derzeit gibt es zwei Verbände, den Bundesverband häusliche SeniorenBetreuung e.V. (BHSB) und den Verband für häusliche Pflege und Betreuung e.V. (VHBP). „Bei Verbandsmitgliedern kann man sicher sein, dass es sich um einen seriösen Anbieter handelt“, erklärt Stefan Lux.
Darauf sollten Angehörige achten: Entsendebescheinigung oder Gewerbeanmeldung
Grundsätzlich wird bei seriösen Anbietern der endgültige Vertrag erst dann unterzeichnet, wenn die Kraft tatsächlich vor Ort angekommen ist, die Leistung also auch wirklich erbracht wird. Hier sollte der Kunde genau nachfragen: Handelt es sich um eine Entsendung aus dem Ausland, sollte eine sogenannte A1-Bescheinigung vorgelegt werden. Sie belegt, dass im Heimatland die Sozialversicherung für die Hilfe gezahlt wird.
Handelt es sich um eine selbstständige Betreuungskraft, sollte man nach der Gewerbeanmeldung fragen. „Üblich sind ein bis zwei Wochen Probezeit, denn letztlich handelt es sich ja um eine sehr persönliche Tätigkeit, bei der auch die Chemie stimmen muss“, so Stefan Lux.
Faire Regeln zwischen Pflegekraft und Angehörigen vereinbaren
Sinnvoll ist außerdem eine kurze Kündigungsfrist, die beim Tod des Seniors nicht länger als drei Tage, ansonsten maximal zwei bis vier Wochen betragen sollten. Zudem sollte es faire Regelungen geben, für den Fall, dass die Kraft erkrankt oder umgekehrt der Senior längere Zeit in ein Krankenhaus muss. Hier empfiehlt der Experte, dass nach einer, spätestens nach zwei Wochen keine weiteren Kosten für die Familien entstehen sollten.
Angehörige sollten Agentur unter die Lupe nehmen
„In der Praxis ist es sehr wichtig, dass die Agentur der Familie bei Unklarheiten oder alltäglichen Problemen schnell und unbürokratisch zur Seite steht“, sagt Lux. Versprechen tun das viele, doch ein solcher Service kann natürlich nur funktionieren, wenn die Agentur dafür auch Personal hat.
Deshalb kann es nicht schaden, sofern irgend möglich, persönlich bei der Agentur vorbeizuschauen. Dann sieht man leicht, ob es sich wirklich um ein „richtiges“ Unternehmen mit einem Büro und Mitarbeitern handelt oder um einen halbseidenen Privatanbieter, der sein Geschäft aus dem Schlafzimmer seiner Mietwohnung heraus betreibt.