Wer sich im Alltag um pflegebedürftige Angehörige kümmert, möchte mit diesen auch mal in den Urlaub fahren, um sich gemeinsam zu entspannen. Damit das gelingt, sollte man eine Unterkunft finden, die auf die besonderen Bedürfnisse in dieser Situation eingerichtet ist. Ist ein sogenanntes Pflegehotel die richtige Wahl? Dazu hat aktiv eine Expertin befragt: die Psychogerontologin Barbara Süß von der Angehörigen- und Demenzberatung Nürnberg e. V.
Was ist eigentlich ein Pflegehotel?
„Der Begriff Pflegehotel ist nicht geschützt und ein reiner Werbebegriff“, sagt Süß. Jedes Hotel darf sich Pflegehotel nennen, egal ob es auf Pflegebedürftige eingerichtet ist oder nicht. In der Praxis bieten solche Häuser meist aber zumindest gewisse Erleichterungen für Menschen mit Einschränkungen, etwa ein besonders großzügiges, barrierefreies Bad oder Pflegebetten in den Zimmern.
Ebenfalls gut zu wissen: Manchmal werden Einrichtungen als Pflegehotel bezeichnet, die überhaupt nicht für den Urlaub geeignet sind, sondern als eine Art Kurzzeit-Pflegeheim dienen. Sie sind für Patienten gedacht, die nach einem Krankenhausaufenthalt noch schwach sind und deshalb nicht sofort zurück nach Hause können, sondern vorübergehend eine professionelle Pflege benötigen.
Wichtig: Die Ausstattung der Unterkunft genau erfragen
Welche Ausstattung und Zusatzleistungen das Hotel tatsächlich hat, ist unterschiedlich. Es existieren keinerlei Standards. „Umgekehrt gibt es auch sehr viele barrierefreie, behindertengerechte Ferienunterkünfte, die sich zwar nicht ausdrücklich Pflegehotel nennen, sich aber sehr gut für den Urlaub mit einem Pflegebedürftigen eignen“, sagt Süß. Daher gilt es, sich immer genau zu informieren, wie das Haus tatsächlich ausgestattet ist und welche Leistungen es bietet.
Die eigenen Bedürfnisse erkennen und formulieren
Ob der Urlaub ein Erfolg wird, hängt nicht davon ab, ob ein Hotel sich als Pflegehotel bezeichnet oder ob es maximal barrierefrei gestaltet ist. „Der entscheidende Erfolgsfaktor ist vielmehr, dass die Ausstattung des Hauses zu den eigenen Bedürfnissen passt“, erläutert Pflegeexpertin Süß. Ein Beispiel: Treppen stellen für einen Menschen mit Rollator oder mit Rollstuhl ein Ausschlusskriterium dar. Für Menschen mit einer Demenzerkrankung, die gut sehen und noch gut zu Fuß sind, sind Treppen womöglich kein Hindernis.
Die eigenen Bedürfnisse zu erkennen, ist oft der schwerste Teil der Reisevorbereitung. Denn häufig sind viele Besonderheiten des Pflegealltags inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden. Süß empfiehlt deshalb, sich bei der täglichen Versorgung des Pflegebedürftigen zunächst ein wenig selbst zu beobachten. „Dadurch wird dem pflegenden Angehörigen wieder bewusster, was im Pflegealltag tatsächlich wichtig ist“, sagt die Pflegeexpertin.
Überlegen Sie zum Beispiel:
- Müssen Zimmer und Bad barrierefrei und rollstuhlgerecht sein?
- Ist ein Pflegebett erforderlich?
- Ist die pflegebedürftige Person inkontinent und braucht Extra-Bezüge, Bettwäsche und Handtücher?
- Fällt der pflegebedürftigen Person das Aufstehen schwer, sodass Stühle mit Armlehnen sinnvoll sind?
- Ist vor dem Bett Platz für einen Rollator nötig, um das selbstständige Aufstehen zu ermöglichen?
- Sieht die pflegebedürftige Person schlecht, sodass Zimmer und Gänge gut und schattenfrei ausgeleuchtet sein sollten?
- Bekommt die pflegebedürftige Person im Dunkeln leicht Angst und braucht daher ein Nachtlicht?
- Welche Hilfsmittel werden täglich gebraucht?
- Ist ärztliche oder pflegerische Betreuung vor Ort nötig?
Außerdem empfiehlt die Pflegeexpertin, sich im örtlichen Pflegestützpunkt oder in den entsprechenden Beratungsstellen darüber auszutauschen, welche Probleme in der individuellen Pflegesituation häufig auftreten. Daraus ergibt sich, auf welche Ausstattung es ankommt.
Auch die Bedürfnisse der Begleitperson zählen
„Bei der Auswahl der Ferienunterkunft ist es außerdem sehr wichtig, dass es nicht nur nach den Bedürfnissen des Pflegebedürftigen geht, sondern dass auch der pflegende Angehörige zu seinem Recht kommt“, rät Süß.
Oft dreht sich nämlich im Alltag fast alles um die Hilfsbedürftigen. Die pflegenden Angehörigen dagegen stecken immer wieder zurück. Viele sind dadurch erschöpft. Damit die Erholung gelingt, ist bei der Planung des Aufenthalts ein wenig Träumen geboten:
- Wie wäre es mit einem schicken Wellnessbereich?
- Wäre ein Balkon mit Aussicht toll, wo man abends noch ein Glas Wein trinken kann?
- Was passt besser, ein Büffet oder lieber Tischservice?
- Wäre eine stundenweise Betreuung des Pflegebedürftigen schön, damit man zwischendurch eine kleine Auszeit nehmen kann?
Umfeld und Erreichbarkeit der Unterkunft spielen eine Rolle
„Man sollte unbedingt darauf achten, dass auch die Umgebung des Hotels zu den eigenen Bedürfnissen passt“, sagt Süß. Welche Aktivitäten sind am Ferienort möglich? Kann man in der Umgebung mit Rollstuhl oder Rollator spazieren gehen oder gibt es dort nur Kieswege? Sind das Museum, das Theater, das Konzerthaus barrierefrei?
Darüber hinaus ist zu klären, ob man vor Ort ein Auto braucht oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann. Ebenso ist die Anreise (Flugzeug, Auto oder Bahn) ein Auswahlkriterium.
So finden Sie die geeignete Unterkunft
Hat man alle Bedürfnisse deutlich vor Augen, ist die Recherche der infrage kommenden Häuser heutzutage dank Internet meist kein Problem. Surf-Tipp: Beispielsweise bietet die Deutsche Alzheimer-Gesellschaft eine Liste mit Häusern, die auf die Bedürfnisse von Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen eingerichtet sind – dies gilt besonders für Menschen mit Demenzerkrankungen: deutsche-alzheimer.de
Es muss nicht immer ein speziell auf Pflegebedürftige ausgerichtetes Hotel mit besonderer Ausstattung sein. Auch die üblichen Urlaubsangebote stellen eine Option dar. Bei der Auswahl ist der Gang ins Reisebüro empfehlenswert, weil das dortige Personal viele Häuser persönlich kennt.
Bei Unklarheiten oder besonderen Bedürfnissen sollte man außerdem direkt in der Unterkunft nachfragen. „Viele Häuser bemühen sich erfahrungsgemäß sehr, Extrawünsche ihrer Gäste zu erfüllen, wenn man die Situation erklärt und die Wünsche rechtzeitig ankündigt“, sagt Süß.
Es gibt keine besonderen Zuschüsse – die Leistungen der Pflegekasse gelten auch für den Urlaub
Egal ob es sich um ein Pflegehotel handelt oder nicht: Pflegende Angehörige, die mit Pflegebedürftigen in den Urlaub fahren, bekommen dafür keine besonderen Zuschüsse der Pflegekasse. Sie zahlen die Ferienreise komplett selbst.
„Die Leistungen der Pflegekasse laufen auch während des Urlaubs ganz normal weiter“, erläutert Süß. Man bekommt weiterhin das Pflegegeld oder darf am Ferienort einen Pflegedienst beauftragen. Dessen Leistungen werden dann mit den Sach- oder Kombinationsleistungen verrechnet.
Zudem ist es möglich, den Pflegebedürftigen am Urlaubsort vorübergehend in einem Heim versorgen zu lassen. Für diese sogenannte Kurzzeitpflege gibt es ein eigenes Budget. Die Schwierigkeit besteht eher darin, am Urlaubsort einen Pflegedienst oder ein Heim zu finden, die eine solch kurzzeitige Versorgung übernehmen.
Detailfragen am besten vorab klären
Manche Unterkünfte haben für ihre Gäste spezielle Angebote mit fachlich angeleiteter Betreuung. „Dafür können gegebenenfalls ebenfalls Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch genommen werden, beispielsweise der Entlastungsbetrag oder die Verhinderungspflege“, sagt Süß. Meist weisen die Anbieter schon in der Reisebeschreibung auf diese Möglichkeit hin.
Die Regelungen der Pflegeversicherung können im Detail kompliziert werden. Deshalb sollte man sich unbedingt vorab am örtlichen Pflegestützpunkt oder in einer entsprechenden Beratungsstelle darüber informieren, welche Leistungen in der individuellen Pflegesituation möglich sind.
Silke Becker studierte Soziologie, BWL, Pädagogik und Philosophie. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als Redakteurin und freie Journalistin. Außerdem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht. Am liebsten beschäftigt sie sich mit den Themen Geld, Recht, Immobilien, Rente und Pflege.
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