Berlin. Bittere Pille für die deutschen Apotheken! Ausländische Online-Apotheken wie der niederländische Marktführer DocMorris dürfen auch zukünftig rezeptpflichtige Medikamente billiger verkaufen als die deutsche Konkurrenz. Letztere muss sich weiter an die bundesweite Preisbindung halten. Für Patienten heißt das: Wer im Ausland online ordert, spart bei zuzahlungspflichtigen Pillen bares Geld.
Eigentlich hatte die Bundesregierung im Koalitionsvertrag angekündigt, diesen Wettbewerbsnachteil beheben zu wollen. Jetzt aber machte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einen Rückzieher. Steht die Branche deshalb vor einem Apotheken-Sterben? Und kriegt man mancherorts seine Präparate bald bloß noch per Post?
Pillen aus dem Netz werden immer beliebter
Klar zumindest ist: Seit Jahren bereits sinkt hierzulande die Zahl der Apotheken. Exakt 19.529 waren es nach Zahlen des Deutschen Apothekerverbands Ende September. Das sind rund 2.000 weniger als noch Anfang des Jahrtausends. Ein Grund dafür: Nachwuchsmangel. „Die Apotheker der Babyboomer-Generation nähern sich dem Rentenalter und finden oft keine Nachfolger“, sagt Friedmann Schmidt, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände in Berlin.
Und: Laut einer Studie des Bundeswirtschaftsministeriums wirft fast jede dritte verbliebene Apotheke kaum noch Profit ab. Häufige Ursache: der Landarztschwund. Schließt ein Mediziner in dünn besiedelten Gegenden seine Praxis, leidet auch die Apotheke nebenan unter Umsatzeinbußen.
Zu schaffen macht der deutschen Apothekerschaft zunehmend auch die Konkurrenz aus dem Internet. Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom bestellen bereits 42 Prozent der Deutschen Medikamente per Mausklick. „Die Online-Bestellung spart Zeit, Geld und Mühe“, so Bitkom-Pharmaexpertin Julia Hagen. Besonders in ländlichen Regionen sei der Versandhandel eine Alternative.
Amazon testet bereits Zustellprojekte
Weitgehend beherrscht wird der deutsche Online-Medikamentenmarkt derzeit von zwei großen Spielern: DocMorris und Shop Apotheke. Aus den Niederlanden versorgen sie ihre deutschen Kunden günstig mit Medikamenten. Doch bald könnte ein Gigant seinen Hut in den Ring werfen: In den USA ist Amazon bereits in den Medikamentenversand eingestiegen. Und auch in Deutschland testet der Riese Zustellprojekte. „Bei einem massiven Einstieg von Amazon steigt der Druck auch auf die stationäre Apotheke“, sagt Tobias Brodtkorb, Partner bei der Bad Homburger Beraterfirma Sempora.
Höchste Zeit also, sich zu wappnen. „Die Apotheken müssen ihre Hausaufgaben machen“, fordert der Kölner Apothekenmarkt-Experte Steffen Kuhnert. Zwar hätten viele Apotheken ihre Prozesse längst digitalisiert, „im Vergleich mit anderen Einzelhändlern sind sie da sogar sehr gut aufgestellt“. Der Online-Absatz und auch das Bespielen von Social-Media-Kanälen aber werde noch sträflich vernachlässigt.
Online-Verbot ist unzeitgemäß
Auf eine neuerliche Kehrtwende von Gesundheitsminister Spahn beim Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneien jedenfalls sollte der Apothekerstand dabei eher nicht hoffen. „Wir diskutieren einerseits über künstliche Intelligenz und Digitalisierung“, sagt Ann Marini vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen. „Mit Forderungen nach einem Verbot des Online-Handels mit Medikamenten passt das einfach nicht mehr zusammen.“