Köln. Die Nachricht hat gerockt: Barack Obama wechselt ins Showgeschäft! Mit Ehefrau Michelle wird der frühere US-Präsident jetzt Filmproduzent. Ausgestrahlt werden die ersten Formate nächstes Jahr – exklusiv bei Netflix.

Netflix nimmt Obama unter Vertrag

Einfach mal den ehedem mächtigsten Mann der Welt unter Vetrag nehmen – irgendwie ist das bezeichnend für den Mindset beim amerikanischen Streaming-Dienst Netflix. Scheinbar unaufhaltsam drehen die Kalifornier derzeit die Entertainment-Branche auf links. Und vielleicht noch bemerkenswerter: Netflix erfindet sich dabei auch noch selbst immer wieder neu.

Ein Blick auf die Zahlen: Mit 125 Millionen zahlenden Abonnenten in 190 Ländern ist die Online-Videothek mittlerweile der weltweit größte Anbieter von „Video on Demand“ im Web. Börsenwert Anfang Juni: 150 Milliarden Dollar!

Streaming verdrängt TV

Angsichts solcher Wucht sieht sich das klassische Fernsehen zunehmend in der Defensive. Auch hierzulande. Zwar dürften sich beispielsweise ARD und ZDF derzeit wegen der Fußball-WM über Top-Quoten freuen. Aber laut aktuellem Digitalisierungsbericht der Landesmedienanstalten haben Streaming-Anbieter wie Netflix klassischen Sendern bei jüngeren Zielgruppen bereits den Rang abgelaufen. In der Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen haben sie schon jetzt einen Anteil von 44 Prozent an der gesamten Bewegtbildnutzung. „Altes“ TV kommt nur noch auf 38 Prozent. „Das klassische Fernsehen verliert langsam seine große Bedeutung“, urteilt Timm Lutter, Experte beim Digitalverband Bitkom. Und: „Mit jedem Jahr verschiebt sich das Gewicht weiter zugunsten von Online-Angeboten."

Warum das so ist, liegt auf der Hand. Statt wie bislang mit dem leben zu müssen, was die Sender einem zu festen Zeiten vorsetzen, sind Konsumenten bei Netflix und Co. ihr eigener Programmchef. Sehen, was, wann und wie viel man will – an solch zielgenaue Befriedigung der eigenen Spaßbedürfnisse gewöhnt man sich gern.

Neue Serien aus eigener Produktion

Zudem setzt Netflix auf ein ausgeklügeltes System von „Vorschlägen“. Lernende Algorithmen packen den Usern zu deren Geschmack passende Sendungen auf die Homescreens. „Wir wissen, wann die Nutzer welche Inhalte sehen, wann sie Pause machen, wann sie eine Serie aufgeben“, so Netflix-Top-Manager Todd Yellin. Das System funktioniert perfekt: 2017 schauten die Nutzer 140 Millionen Stunden Netflix-Inhalte – pro Tag. Mehr als 80 Prozent davon gingen auf die Tipps der Algorithmen zurück.

Fast schon traditionell ändert Netflix übrigens immer wieder sein Geschäftsmodell. Vor 20 Jahren verschickte das Unternehmen noch Leih-DVDs per Post. Dann switchte man ab 2007 radikal aufs Streaming zugekaufter Filme und Serien um. Seit einigen Jahren ist Netflix etablierter Produzent eigener Sendungen – und heimst Emmys und Golden Globes in Serie ein.

Von "13 Reasons why" bis "Haus des Geldes"

Kaum eine Woche, ohne dass eine neue Netflix-Produktion ins Netz schwappt. Innovative Erzählformate wie etwa bei „13 Reasons why“? Klar doch! Hohe Produktionskosten? Kein Problem – für Filmschaffende wie Fans ist der kalifornische Konzern derzeit ein Eldorado.

Ein Trend, der sich noch verstärken dürfte. So will Netflix in diesem Jahr fast 7 Milliarden Dollar in neue Filme und Serien pumpen. So viel wie nie zuvor. Ambitioniertes Ziel von Content-Chef Ted Sarandos: 1.000 Eigenproduktionen bis zum Ende des Jahres.

Für klassische Fernsehsender rund um den Globus und auch schlingernde Hollywood-Studios ist das – keine gute Nachricht.