Bocholt. Im Museum: endlose Reihen von Glasvitrinen, überall „Bitte nicht berühren“-Schilder. Bloß nicht! Beim Familienausflug in den Ferien ist doch wohl eher Action gefragt. „Können Sie haben“, sagt Rolf Wendemuth und erweckt in der Museumsweberei des „TextilWerks“ in Bocholt acht Webstühle zum Leben.
Die hölzernen Schützen flitzen von rechts nach links, um Schuss- und Kettfaden zu verkreuzen. Der Boden vibriert. „Unsere Gäste erleben Textilgeschichte live. Das ist etwas Besonderes“, sagt Museumsleiter Hermann Stenkamp.
An den Webstühlen, die Rolf Wendemuth und seine sieben Kollegen täglich hochfahren und ständig warten, entstehen Grubentücher: blau-weiß karierte Baumwolle, mit der sich früher die Kumpel in den Ruhrgebietszechen den Kohlestaub vom Körper wuschen.
Mit dem Textil begann Anfang des letzten Jahrhunderts der Aufstieg vieler Weber im Münsterland. Heute dienen sie oft als Küchentücher. „Wir können gar nicht so viele Tücher weben, wie wir verkaufen könnten“, sagt Stenkamp. Selbst aus Australien habe man schon Anfragen bekommen.
Der Charme der Kleinstproduktion lockt jährlich über 50.000 Besucher nach Bocholt. Familien mit Kindern, Radtouristen oder Senioren, die selbst in der örtlichen Textil-Industrie aktiv waren.
Stenkamp: „Uns hilft die Nähe zu den ansässigen Textilunternehmen und der Bevölkerung.“ So arbeiten in der 1989 eröffneten nachgebauten Weberei Maschinen, die alle in den Textilbetrieben der Umgebung Dienst getan haben. Sie wurden für wenig Geld angekauft oder ans Museum verschenkt. Und: „Um die Anlagen am Laufen zu halten, unterstützen uns Garnfärbereien und Ausrüster mit Material“, so Stenkamp. Der kurze Draht zur Branche zeigt sich auch in der benachbarten ehemaligen Spinnerei. Dort vermitteln die Museumsmacher Textilgeschichte mit moderner Digitaltechnik.
Auf einem interaktiven Touchscreen kommen Unternehmer zu Wort, die über den Wandel der örtlichen Textilbetriebe zu Weltmarktführern sprechen. Mit einer Garnspule können Besucher die Fläche selbst aktivieren. „Wir gehen also durchaus mit der Zeit“, sagt Direktor Stenkamp. Er sieht das „TextilWerk“ langfristig deshalb auch als Kompetenzzentrum: „Wir sitzen auf einem gigantischen Berg textilen Wissens.“
In den Archiven schlummern Hunderte von Musterbüchern, Coupons und textile Muster. Ein Fundus, aus dem die Bocholter in Zukunft kräftig schöpfen können. Womöglich wird Webmeister Wendemuth dann nicht mehr nur Grubentücher weben lassen.
Bademode: Verhüllend oder knapp

- Bis Ende 2017 zeigt die Ausstellung „Reif für die Insel“ in der Museumsspinnerei 80 Modelle aus der Bademode der letzten Jahrzehnte.
- Gleichzeitig gehen die Ausstellungsmacher der Frage nach, was so faszinierend an einem Inselurlaub auf Sylt, Hiddensee oder Mallorca ist.