Berlin/Stuttgart. Ein schöner Schmetterling. Oder auch nur eine Fliege oder eine Blattlaus: Eine Stunde lang einfach alles zählen, was draußen so krabbelt oder fliegt und sechs Beine hat. Oder vielleicht findet man während eines Spaziergangs einen Baum, auf dem Mäusebussarde brüten. Oder man erspäht im Schilf einen Eisvogel. So kann jeder zum Forscher werden - und beim Projekt „Artenvielfalt erleben“ mitmachen: Das ist nur eines von ganz vielen sogenannten Bürgerforscher-Projekten.
„Citizen Science“ heißt es im Fachjargon, wenn Freiwillige die Wissenschaft unterstützen. Der Dreh: Helfen viele mit, kommen schnell jede Menge wertvolle Beobachtungen zusammen. Zum Beispiel über die Vogelwelt: Wer seine Beobachtungen in einer speziellen App erfasst, hilft bei der Weiterentwicklung interaktiver Online-Karten, mit denen dann jeder die biologische Vielfalt vor seiner Haustür spielerisch erleben kann.
Vorwissen braucht man als Freiwilliger nicht – Neugier und Entdeckungslust genügen
Möglichkeiten zum Mitforschen gibt es zuhauf, nicht nur für Vogelliebhaber. Beim nächsten Spaziergang am Fluss gucken: Hat die Möwe einen Ring am Bein? Wenn ja, verrät die Nummer, ob sie aus Polen kommt oder aus Südfrankreich. Wer die Tiere für das Projekt „Landshuter Lachmöwen“ an der Isar in der bayerischen Stadt knipst, hilft, den Vogelzug durch Europa zu dokumentieren.
Auch das kann jeder: Klare Nacht abwarten – rausgehen – Handy hochhalten: So misst man zum Beispiel die aktuelle Helligkeit des Sternenhimmels. Oder ab mit dem Mikrofon in die Büsche – trällernde Nachtigall aufnehmen: Singt sie in Bonn anders als in Berlin?
In der Region Konstanz hingegen kann man zum Beispiel eine Wildkamera im eigenen Garten aufstellen und so bei der Beobachtung von Tierpopulationen helfen. Beim Spaziergang ein schmuckes historisches Fabrikgelände entdeckt? Wer will, kann bei der Kartierung von Bau-, Kultur- und Naturdenkmälern in ganz Baden-Württemberg helfen und Interessantes aus seiner Umgebung melden.
Engagierte ziehen in der Freizeit gerne los, um die verschiedensten Fragen zu ergründen. Es kann darum gehen, die Farbe von Flusswasser zu bestimmen, Füchse zu sichten oder die Rot-Grün-Phasen an der nächsten Ampel abzulichten. Mit solchen Ampel-Bildern wird eine App für Blinde trainiert. Mit eigenen Beobachtungen die Forschung ein Stück voranbringen – diese Idee ist schon älter: Die wohl erste Aktion dieser Art war der „Christmas Bird Count“ in den USA 1900. Bis heute zählen dort Vogelliebhaber an Weihnachten mit.
Vorwissen? Braucht man selten! „Neugier und Entdeckerfreude reichen“, sagt Florence Mühlenbein, Projektmanagerin von „Bürger schaffen Wissen“ (buergerschaffenwissen.de). 2014 startete diese Online-Plattform, die bundesweit rund 120 Mitmach-Angebote aus Feldern wie Natur, Gesundheit, Archäologie oder Kunst bündelt.
Das Gemeinschaftsprojekt des Berliner Naturkundemuseums und der Initiative „Wissenschaft im Dialog“ wird vom Forschungsministerium unterstützt. Auf der Plattform erfährt man, bei welchen Aktionen man aktuell mitmachen kann.
Für jeden Geschmack ist was dabei. Auf Fotos eine bestimmte Sorte Plankton finden oder ferne Galaxien erkennen? Spannend! Mit Gedächtnis-Tests beim Kampf gegen Alzheimer helfen? Sinnvoll. Gemälde beschreiben, damit Kunsthistoriker sie in Datenbanken leichter finden? Kreativ. „Die Experten kommen durch die Bürgerforscher oft auf neue Ideen“, so Mühlenbein, „und die Freiwilligen bekommen spannende Einblicke in die Wissenschaft.“
Schon Kinder können übrigens mittun, mit ein wenig Hilfe von den Eltern. Etwa mit der „Sensebox“, einem Bausatz für eine Wetter- und Umweltstation. Die privaten Messungen dienen der Klimaforschung – und fließen in eine überregionale Karte ein.