Mainz. Die Corona-Krise ist eine extreme Belastungsprobe – und bringt vielerlei unerfreuliche Rekordzahlen. Nicht zuletzt in Sachen Kurzarbeit: 7,3 Millionen (!) Bundesbürger mussten im Mai 2020 weniger arbeiten als gewohnt. Extrem betroffen war natürlich das zeitweise stillgelegte Gastgewerbe. In der Industrie gab es für fast ein Drittel der Beschäftigten zu wenig oder gar nichts zu tun, wie die Konjunkturumfrage des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo zeigt.

7,3 Millionen Menschen waren laut Ifo-Umfrage im Mai 2020 mindestens teilweise in Kurzarbeit.

Immerhin federt der Sozialstaat die finanziellen Einbußen ab, mit dem Kurzarbeitergeld, das 2020 großzügiger gewährt wird als je zuvor. Wie man die psychischen Folgen der Kurzarbeit bewältigen kann – darüber sprach aktiv mit Thomas Rigotti. Er ist Professor für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz und Arbeitsgruppenleiter am Leibniz-Institut für Resilienzforschung.

Wenn man trotz guter persönlicher Leistung plötzlich nicht mehr gefragt ist im Betrieb – wie fühlt sich das an?

Das verstärkt zusätzlich den Kontrollverlust, den wir alle erleiden. Wir haben ein Bedürfnis, die Kontrolle über unser Leben zu haben – das wird in der Pandemie gerade massiv gestört. Es sollte aber trösten, dass Kurzarbeit ein bewährtes Instrument zur Rettung von Arbeitsplätzen ist. Und es hilft sehr, wenn die Firma die Kriterien für Kurzarbeit deutlich macht, wenn die Regeln transparent sind und für alle gleich gelten.

Wie kann man die zusätzliche Zeit nützen, sich auch wieder Mut verschaffen?

Man sollte diese ungewöhnliche Phase selbst „positiv besetzen“ – und kann sie, wenn das gelingt, sogar ein Stück weit genießen! Es spricht nichts dagegen, die leeren Stunden bewusst zu füllen: mit mehr Zeit für die Familie, die Kinder, den Sport, die Musik, die Hobbys. Man sollte also überlegen: „Was tut mir denn jetzt gut?“ – und sich dann auch daran freuen.

Was gilt da für einen Nebenjob?

Grundsätzlich hilft es der Psyche immer, sich einzubringen, nützlich zu sein, gebraucht zu werden. Auch einfache Aushilfsjobs sind ja nicht etwa ehrenrührig, sondern haben einen gesellschaftlichen Nutzen. Man kann sich natürlich auch ehrenamtlich engagieren, wenn die finanzielle Lage das erlaubt.

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Wie wäre es mit einem Sprachkurs oder einer IT-Schulung per Internet?

Wenn einem das Spaß macht, spricht gar nichts gegen Weiterbildung. Oft hilft das Unternehmen dabei. Und es ist nie ein schlechtes Signal, wenn man dem Vorgesetzten meldet: Ich möchte etwas dazulernen.

„Kurzarbeit null“ – sollte man sich da noch mit Kollegen treffen?

Auf jeden Fall! Im Austausch bleiben, Rückhalt suchen – das ist sehr wichtig. Über Positives reden, etwa darüber, wie man die Zusammenarbeit nach der Krise vielleicht besser gestalten kann. Gemeinsame Projekte gedanklich anschieben, die man dann schnell umsetzen kann, wenn es wieder richtig losgeht.

Sind dafür auch Whatsapp-Gruppen oder ähnliche Chats sinnvoll?

Warum nicht. Man muss aber aufpassen, dass es keine „Jammergruppe“ wird, in der es am Ende nur noch um die Zukunftssorgen geht. Größere Gruppen benötigen auf jeden Fall einen Moderator.

Wie ist das eigentlich, wenn man jüngere Kinder hat: Sollte man denen erklären, was Kurzarbeit ist?

Ja. Man sollte ganz offen besprechen, warum man nicht mehr so oft in die Firma fährt und dass das leider auch finanzielle Folgen hat. Wir wissen übrigens aus der Arbeitslosenforschung, dass eine solche Phase die Beziehung gerade zwischen Vätern und Kindern deutlich verbessern kann.