Der Berufseinstieg ist geschafft, das Gehalt fließt regelmäßig und auch das Sparkonto sieht schon ganz gut aus: In so einer Situation liebäugelt man allmählich mit einer eigenen Immobilie. Und wer ein Eigenheim abbezahlt, tut damit ja automatisch auch was für die zusätzliche Altersvorsorge. Ob und wann ein Immoblienkauf aber tatsächlich sinnvoll ist, hängt nicht nur vom Geld ab!
Motivation: Beim Immobilienkauf sollte man sich nicht unter Zeitdruck setzen
Die Immobilienpreise vor allem in den Städten sind hoch, die Zinsen sind viel höher als noch vor Jahren. Dadurch fühlt sich mancher unter Zeitdruck gesetzt. Doch man sollte keine teuren Entscheidungen treffen, hinter denen man nicht wirklich steht. Und das Eigenheim ist ja meistens die größte Investition im Leben! Ein Fehlkauf kommt da erfahrungsgemäß viel teurer als das Abwarten, bis alles wirklich passt.

Karriere: Ein Immobilienkauf ist kaum sinnvoll, wenn man dann noch oft umzieht
Der Kauf eines Eigenheims lohnt sich normalerweise nur, wenn man dann recht lange im Eigentum wohnen wird. Ist schon klar, dass man in den nächsten Jahren aus beruflichen oder privaten Gründen noch umziehen wird, womöglich gar häufiger, bleibt Mieten vorerst die passendere Lösung. Theoretisch könnte man die einmal gekaufte Immobilie zwar auch vermieten – aber das heißt eben auch: Man muss sich dann um eine Mietwohnung kümmern, von der Nebenkostenabrechnung bis zum Wasserrohrbruch. Und das wird erfahrungsgemäß umso schwieriger, je weiter entfernt man selbst lebt.
Familie: Könnte ein Immobilienkauf „auf Zuwachs“ sinnvoll sein?
Eine schnucklige Single-Wohnung wird schnell zu klein, wenn man bald nach dem Kauf die große Liebe trifft und sich vielleicht sogar Nachwuchs ankündigt. Muss man dann die erste Wohnung verkaufen, um sich etwas Größeres anschaffen zu können, kommt das wegen der hohen Kaufnebenkosten (siehe unten) recht teuer. Gegebenenfalls sollte man also entweder gleich „auf Zuwachs“ kaufen – oder aber vorerst weiter mieten (und zugleich Eigenkapital ansparen), bis die Familienplanung abgeschlossen ist.
Zeitaufwand: Auch nach dem Immobilienkauf muss man sich immer wieder ums Eigenheim kümmern
Bei Wohnimmobilien werden meist gleich nach dem Kauf und auch später immer wieder (energetische) Sanierungen, Reparaturen oder Modernisierungen notwendig. Die kosten nicht nur viel Geld, sondern müssen auch gemanagt werden. Das dauert erfahrungsgemäß oft wesentlich länger als gedacht – egal, ob man nun manche Arbeiten selbst durchführt oder Fachbetriebe beauftragt. Vor einer Kaufentscheidung sollte man sich deshalb ehrlich überlegen, wie viel Zeit und Energie man auf Dauer in eine Immobilie stecken kann und will.
Nebenkosten: Beim Immobilienkauf kommt etwa ein Zehntel des Kaufpreises on top
Mit dem Kaufpreis für die Immobilie ist es nicht getan. Zusätzlich muss man noch die sogenannten Kaufnebenkosten bezahlen: die Grunderwerbsteuer (je nach Bundesland ist sie unterschiedlich hoch), die Kosten für den Notar und das Grundbuch – sowie gegebenenfalls für den Makler. Insgesamt macht das 10 bis 15 Prozent des Kaufpreises aus. Bei einer Wohnung für 300.000 Euro kommen also noch mindestens 30.000 Euro on top! Nicht unterschätzen darf man auch die Kosten für notwendige Umgestaltungen eines Altbaus, etwa für eine neue Küche oder für die energetische Sanierung.
Eigenkapital: Ohne eine Menge Erspartes wird der Immobilienkauf kaum klappen
Ein Immobilienkauf ohne Erspartes ist kaum möglich. Die allermeisten Banken verlangen, dass man mindestens die erwähnten Kaufnebenkosten aus Eigenmitteln bezahlt. Sinnvoll ist es, zusätzlich (!) einen möglichst großen Teil des Kaufpreises auf der hohen Kante zu haben, Experten empfehlen da 10 bis 20 Prozent des Preises. Das spart in der Gesamtrechnung zigtausend Euro an Zinsen – und die Immobilie ist viel schneller abbezahlt.
Monatsrate: Damit der Immobilienkauf gelingt, muss die Gesamtbelastung beachtet werden
Man darf die zum Beispiel vom Kreditvermittler oder der letztlich gewählten Bank vorgerechnete Kreditrate nicht einfach mit der Miete gleichsetzen – das Motto „passt schon“ wäre hier riskant! Im Eigenheim können die Ausgaben für Heizung, Strom und Co. nämlich höher sein. Außerdem fallen bei jeder Immobilie irgendwann Reparaturen an, für die man Rücklagen bilden muss. Bei Eigentumswohnungen geschieht das weitgehend automatisch, über das Hausgeld.
44 Prozent aller deutschen Haushalte besitzen Wohneigentum. Die Quote ist damit niedriger als 2011.
Quelle: IW
Aus Sicht von Verbraucherschützern sollte die monatliche Gesamtbelastung nicht mehr als 35 bis 40 Prozent des Nettoeinkommens betragen. Bei 3.000 Euro netto sind das also höchstens 1.200 Euro pro Monat – für die Kreditrate, für alle Nebenkosten und für die Rücklagenbildung. Diese 40 Prozent lassen sich durchaus als Schmerzgrenze verstehen! Schließlich kann das Haushaltseinkommen zwischendurch auch mal sinken, beispielsweise durch Elternzeit oder vorübergehende Arbeitslosigkeit. Und selbst wenn alles glatt geht, läuft eine Immobilienfinanzierung doch meist über 20 bis 30 Jahre – und wer will schon so lange auf schöne Urlaubsreisen oder sonstige Extras verzichten?
Warum gibt es in Deutschland mehr Mieter als Eigenheimer?
Gerade mal 44 Prozent aller deutschen Haushalte leben in den eigenen vier Wänden. So niedrig ist die sogenannte Wohneigentumsquote in keinem anderen Mitgliedsstaat der EU – und der Wert ist seit 2011 sogar leicht gesunken. Regional ist diese Quote allerdings recht unterschiedlich hoch, wie eine iwd-Grafik zeigt: Im Saarland leben sechs von zehn Haushalten im Eigenheim, in Mecklenburg-Vorpommern dagegen nur drei von zehn Haushalten.
Für die insgesamt vergleichsweise niedrige Quote hierzulande gibt es wirtschaftliche, kulturelle und nicht zuletzt historische Gründe. Nach den Bombardierungen deutscher Städte im Zweiten Weltkrieg sowie dem Zustrom von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen danach waren Millionen Menschen ohne Dach über dem Kopf: Da hatte der schnelle Bau von vielen Mietwohnungen Priorität. In der BRD wurde der Bau von Sozialwohnungen entsprechend stark gefördert. In der DDR wurden die Mieten generell staatlich subventioniert und damit künstlich niedrig gehalten. Bis heute erschweren die hohen Kaufnebenkosten und die strengen Vorgaben der Banken für Baukredite grundsätzlich den Kauf eines Eigenheims. Zugleich lassen das sehr mieterfreundliche Mietrecht und die doch über recht lange Zeit stabilen Mieten den Erwerb von Wohneigentum weniger attraktiv erscheinen: Mieten gilt bei uns nicht als zweite Wahl, sondern als normal.
Was könnte unser Sozialstaat tun, um die Wohneigentumsquote zu erhöhen – und damit zugleich die Vermögensungleichheit zu reduzieren? Aus Sicht der Immobilienökonomen im Institut der deutschen Wirtschaft ist da ein ganzes Bündel von politischen Maßnahmen denkbar. Wichtig wäre eine Senkung der Kaufnebenkosten, vor allem auch der Grunderwerbsteuer: Warum nicht den ersten privaten Immobilienkauf im Leben von dieser Steuer befreien? Hilfreich wäre auch eine Senkung der oft überzogenen Vorgaben für Neubauten, um die Baukosten zu reduzieren. Ebenfalls sinnvoll: neue Hilfen bei Finanzierung. So könnten staatliche Bürgschaften oder Nachrangdarlehen als Eigenkapitalersatz dienen.
Silke Becker studierte Soziologie, BWL, Pädagogik und Philosophie. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als Redakteurin und freie Journalistin. Außerdem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht. Am liebsten beschäftigt sie sich mit den Themen Geld, Recht, Immobilien, Rente und Pflege.
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Thomas Hofinger schreibt über Wirtschafts-, Sozial- und Tarifpolitik – und betreut die Ratgeber rund ums Geld. Nach einer Banklehre sowie dem Studium der VWL und der Geschichte machte er sein Volontariat bei einer großen Tageszeitung. Es folgten einige Berufsjahre als Redakteur und eine lange Elternzeit. 2006 heuerte Hofinger bei Deutschlands größter Wirtschaftszeitung aktiv an. In seiner Freizeit spielt er Schach und liest, gerne auch Comics.
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