Bonn. Der letzte Schultag ist vorbei, die schriftlichen Prüfungen sind auch schon durch, nur bei dem ein oder anderen steht noch die mündliche an. Hunderttausende Schülerinnen und Schüler in Deutschland stecken gerade mitten drin – im Abi-Stress.
Und auch diesmal wird es so sein: Mehr Mädchen als Jungen erlangen die Hochschulzugangsberechtigung. 2016 gab es 239.637 weibliche und 213.363 männliche Abiturienten bundesweit. „Mädchen sind in den Schulabschlüssen den Jungen überlegen“, sagt Joachim Gerd Ulrich vom Bundesinstitut für Berufsbildung in Bonn. „Und mit dem Abi in der Tasche tendieren sie auch stärker zum Studium.“
Das spüren auch die Unternehmen, der in Zukunft steigende Fachkräftemangel zeichnet sich ab: Denn immer weniger Mädchen beginnen eine Ausbildung. Seit 2009 lässt ihr Interesse nach. Im vergangenen Jahr sank die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge von Frauen um 1,7 Prozent auf rund 204.000. Dagegen nahm die Zahl der abgeschlossenen Verträge mit Männern im selben Zeitraum nur um 0,5 Prozent auf gut 316.000 zu. „Wir werden einen Mangel an beruflich qualifizierten Leuten haben“, stellt Ulrich fest.
Um mehr weiblichen Nachwuchs für Ausbildungen zu begeistern, lassen sich die Betriebe einiges einfallen. Größte Aktion ist der Girls’ Day. Ein bundesweiter Tag, der seit nunmehr 17 Jahren Ende April Tausende Mädchen in Betriebe lockt. Große Konzerne, kleine und mittelständische Unternehmen werben hier um Nachwuchs. Die Teilnehmerzahl steigt kontinulierlich. Gab es im ersten Jahr noch 1.800 junge Gäste, sind es inzwischen über 100.000 Besucher. Ist das alles für die Katz?
„Nein“, so Bildungsexperte Ulrich. „Wir haben in einer Untersuchung herausgefunden, dass der Anteil der Frauen in typischen Männerberufen in den vergangenen Jahren größer geworden ist. Die Zuwächse sind zwar nicht groß, aber der Trend ist da.“ Also mehr Frauen in Männerberufen – und das entgegen der allgemeinen Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt.
Auch an der Uni gibt es mehr Frauen. Die Zuwachsraten der Erstsemester an den Hochschulen sind bei ihnen größer als bei den Männern. Und die jungen Frauen machen hier im Durchschnitt die besseren Abschlüsse.
Dass Mädchen schon in jungen Jahren die Gewinner sind, geht aus dem aktuellen Bildungsbericht hervor, den das Bundesbildungsministerium gemeinsam mit den Kultusministerien der Länder veröffentlicht: Mädchen lesen mehr, haben seltener Sprachförderbedarf, werden seltener von der Einschulung zurückgestellt und landen auch weniger oft im beruflichen Übergangssystem, etwa weil sie keine Lehrstelle finden.
