Köln. Millionen Singles sind auf der Suche nach der großen Liebe. Die Jagd nach der Zweisamkeit kann zum teuren Vergnügen werden, wenn man dem Zufall auf die Sprünge helfen will. Konventionelle Partnervermittlungen verlangen oft mehrere Tausend Euro und mehr für ihre Dienste, und auch die Monatsbeiträge von Datingportalen läppern sich zu saftigen Beträgen. Auch wenn beides für den einsamen Single mehr oder weniger dasselbe ist, sehen Juristen das ganz anders.
Rechtliche Unterschiede
„Klassische Partnervermittlungen gelten als Heiratsvermittlungen gemäß Paragraf 656 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)“, erklärt der Kölner Rechtsanwalt Harald Rotter, stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Allgemeinanwälte des Deutschen Anwaltvereins. Online-Portale dagegen fallen nach einem Urteil des Amtsgerichts München (172 C 28687/10) nicht darunter, auch wenn einige Verbraucherschützer das anders sehen. „Hier bezahlt man in der Regel nicht für die Vermittlung eines Partners, sondern für die Nutzung der technischen Möglichkeiten des Portals“, erklärt Rotter.
Klassische Partnervermittlungen
Das klingt nach Haarspalterei, doch dieser kleine Unterschied hat große Folgen. Klassische Partnervermittlungen können ihr Honorar gemäß Paragraf 656 BGB nämlich nicht einklagen. Wenn der Kunde nicht zahlt, bleiben die Anbieter also auf ihren Kosten sitzen. Logisch, dass sie normalerweise nur gegen Vorkasse aktiv werden.
Vermittelt der Anbieter statt des gesuchten 1,80 Meter großen, nichtrauchenden Akademikers mit Interesse an klassischer Musik einen 1,65 Meter kleinen übergewichtigen Kettenraucher ohne Schulabschluss, der Vivaldi für einen Dackel hält, liegt juristisch gesehen eine „Schlechterfüllung des Vertrags“ vor. „Entsprechen die vermittelten Personen den Anforderungen nachweislich nicht, kann man sein Geld zurückverlangen“, erklärt Rotter. Sind alle Vorschläge unpassend, gibt’s auch 100 Prozent Geld zurück, ist ein Teil der vermittelten Personen o.k., kann man anteilig kürzen.
Anforderungsprofil wichtig
„Wer eine solche Agentur beauftragen will, sollte seine Wünsche möglichst genau formulieren und sich eine Kopie seines Anforderungsprofils geben lassen“, empfiehlt Rotter. Macht man überhaupt keine Vorgaben, reicht es nämlich, wenn die Agentur irgendwen vermittelt.
Wichtig ist, dass die geforderten Eigenschaften auch tatsächlich objektiv messbar sind. Statt Intelligenz also besser den gewünschten Schulabschluss, statt gutem Aussehen besser Höchstgewicht, Mindestgröße oder Haarfarbe nennen. Tut die Agentur überhaupt nichts, gibt’s ebenfalls das gesamte Geld zurück. Bis dahin erbrachte Leistungen wie beispielsweise ein Videoprofil muss man allerdings trotzdem bezahlen.
Keine Kündigungsfrist
Außerdem kann man bei klassischen Partnervermittlungen jederzeit kündigen. „Es handelt sich um sogenannte Dienstleistungen höherer Art, bei denen eine Vertrauensstellung besteht“, erklärt der Jurist. Solche Verträge können gemäß Paragraf 626 und 627 BGB jederzeit fristlos und ohne Angabe von Gründen gekündigt werden.
Online-Portale
Für Online-Datingportale gilt das alles nicht. Es handelt sich also um ganz normale Verträge, an die man sich halten muss. Wenn der Kunde nicht zahlt, kann der Anbieter sein Geld vor Gericht einklagen.
Vor dem entscheidenden Klick sollte man die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) kontrollieren. Stiftung Warentest hat nämlich ermittelt, dass selbst bekannte Portale nicht immer astreine AGBs haben. Die Anbieter schwächelten vor allem beim Datenschutz sowie den Zahlungs- und Kündigungsbedingungen. Hier muss man höllisch aufpassen, denn meist verlängern sich die Verträge automatisch.
Widerrufsrecht
Grundsätzlich gilt für die Mitgliedschaft das aus dem Online-Shopping bekannte 14-tägige Widerrufsrecht. Dieses umfasst nach einem Urteil des Landgerichts Hamburg (312 O 93/11) auch das meist obligatorische Persönlichkeitsprofil. Weil diese Profile automatisiert erstellt werden, handelt es sich nach Auffassung der Richter nämlich nicht um eine individualisierte Ware, die vom Widerrufsrecht ausgenommen wäre. Die Anbieter müssen also grundsätzlich den Kaufpreis erstatten, wenn der Kunde fristgerecht widerruft – so wie man es auch bei der Rücksendung von Waren aus dem Online-Shop kennt.
Allerdings gibt es dabei einen Haken: Gemäß Paragraf 357 Absatz 8 Satz 1 des BGB steht dem Portal nämlich ein Wertersatz für die bis zum Kündigungstermin genutzten Leistungen zu – schließlich konnte der Kunde das Portal in dieser Zeit ja auch nutzen. Diverse Portale greifen genau hier in die Vollen und verlangen in solchen Fällen häufig mehrere Hundert Euro Wertersatz – selbst wenn der Kunde das Portal nur kurz genutzt hat und dabei nur eine Handvoll Kontakte zustande gekommen ist.
Verbraucherschützer kritisieren solche Forderungen als völlig überzogen. Dementsprechend häufig beschäftigt das Thema die Gerichte – bislang entschieden die Richter nach Angaben von Verbraucherschützern meist zugunsten der Kunden und sprachen den Portalen nur geringe Entschädigungen von wenigen Euro oder sogar gar nichts zu.
Verpasst man jedoch die 14-tägige Widerrufsfrist, muss man die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist einhalten. „Bis dahin muss man weiter zahlen, auch wenn man den Dienst gar nicht mehr nutzt oder keinen einzigen passenden Partner findet“, erklärt Rotter. Wer kündigen will, ist mit einem Einschreiben mit Rückschein auf der sicheren Seite. Inzwischen funktioniert auch die Kündigung übers Internet nach Recherchen von Stiftung Warentest meistens anstandslos. Ist noch genügend Zeit, kann man also zuerst online kündigen und erst, wenn es damit Probleme gibt, das teure Einschreiben hinterherschicken.
Online-Partnervermittlung: Widerruf jetzt günstiger möglich
Fast 400 Euro bezahlen für die viertägige Mitgliedschaft bei einer Online-Partnervermittlung – also fast 100 Euro pro Tag?! Das wollte eine Frau nicht hinnehmen, die eine Mitgliedschaft abgeschlossen und den Vertrag dann innerhalb der gesetzlichen 14-Tage-Frist widerrufen hatte. Die Partnervermittlung forderte einen hohen „Wertersatz“ – und holte sich nun eine klare Abfuhr vom Europäischen Gerichtshof: Im Falle eines Widerrufs kann der Anbieter höchstens die anteiligen Kosten gemäß der bisherigen Laufzeit verlangen, hier also knapp 6 Euro (8. 10. 20, C-641/19).
Laut Stiftung Warentest können viele Betroffene jetzt Geld von den diversen Online-Singlebörsen zurückfordern. Praktische Tipps dazu gibt die Stiftung kostenlos unter test.de.