Köln. So was kommt vor: Die Party war wieder länger als geplant, der letzte Bus ist längst abgefahren – und im Portemonnaie findet sich nicht mehr genug Geld fürs Taxi. Also laufen. Doch auf dem Heimweg geht es durch dunkle Parks und leere Gassen. Ein mulmiges Gefühl macht sich breit.

Genau in solchen Situationen kann das Smartphone mit Apps und Notruffunktionen für ein Gefühl von Sicherheit sorgen. Wer nachts nicht ganz alleine unterwegs sein möchte, kann sich so beispielsweise per App einen virtuellen Begleiter holen beziehungsweise von Freunden über das Gerät begleiten lassen. Trotzdem können solche Heimweg-Apps und Funktionen natürlich nie absolute Sicherheit garantieren.

WayGuard – von der Polizei Köln und dem Axa-Konzern entwickelt

Die Begleit-App WayGuard (für iOS und Android) beispielsweise lokalisiert den Anwender den ganzen Weg über und übermittelt die Daten an eine Leitstelle der Firma Bosch. Unterwegs kann er mit dem Team WayGuard chatten oder telefonieren. Auch Freunde können dazu eingeladen werden, den User zu begleiten.

Beispielsweise kann ein Party-Gastgeber beobachten, wo genau sich die Freunde auf dem Heimweg aktuell befinden. Kommt dem Gastgeber an der Strecke etwas komisch vor, kann er schnell die 110 wählen. Mit einem Wisch über den Bildschirm kann der Nutzer unterwegs auch selbst den Notruf absetzen. Zuerst versucht die Leitstelle von WayGuard dann, ihn zu kontaktieren. Antwortet der Nutzer allerdings nicht, wird die Polizei eingeschaltet.

In Zusammenarbeit mit der Polizei Köln hat der Versicherungskonzern Axa die App 2016 entwickelt. Inzwischen gab es laut der Axa mehr als 300.000 Begleitungen. Seit 2016 bis Juni 2019 wurden etwa 160 Notrufe innerhalb der App an die Leitstelle der Polizei abgesetzt.

Innerhalb der ersten drei Jahre hat sich WayGuard stets weiterentwickelt. Seit Neuestem lässt sich die Begleit-App mit dem sogenannten „Flic-Button“ aktivieren. Dieser ist ein Bluetooth-Knopf, den man beispielsweise beim Joggen dazu nutzen kann, Musik abzuspielen, ohne das Handy aus der Tasche zu holen. Während einer WayGuard-Begleitung lässt sich der Notruf automatisch mit einem Doppelklick auf den Bluetooth-Knopf auslösen.

Bei manchen Datenschützern kräuseln sich die Nackenhaare bei dem Gedanken, dass eine Firma die gesamte Zeit die einzelnen Aufenthaltsorte überwachen kann. Die Menge an Daten scheint schier unfassbar. Auf der Internetseite der App heißt es zu dem Thema: „Solange du mit dem Team WayGuard verbunden bist (und nur dann), überwachen wir deinen aktuellen Standort. Dazu speichern wir nur deine jeweils aktuelle Position personenbezogen ab. Sobald du dich bewegst, überschreiben wir deinen letzten Standort.“ Außerdem gibt WayGuard an, alle gesammelten Profil-Daten zu löschen, sofern der User seinen Zugang löscht.

Weitere Apps: KommGutHeim und Vivatar

In den App-Stores lassen sich noch weitere Apps finden. So versprechen auch Anwendungen wie KommGutHeim und Vivatar von Bosch einen sicheren Heimweg. Bei den kostenlosen Versionen der Apps kann der Nutzer seine GPS-Position mit ausgewählten Kontakten teilen. Die Begleit-Apps haben jeweils eine kostenpflichtige Version. So kostet es beispielsweise bei Vivatar Geld, ein professionelles Notfall-Team kontaktieren zu können. Bei KommGutHeim kann man in der Premium-Version mehrere Freunde gleichzeitig im Ernstfall kontaktieren.

Der Kölner Kriminalhauptkommissar Stefan Halbe begrüßt diese Art von Apps. „Diese virtuelle Begleitung vermittelt dem Nutzer ein Gefühl von Sicherheit. Auch der Begleiter am anderen Ende der Leitung kann in Notsituationen die Polizei kontaktieren“, sagt er.

Find my Friends – die eigene Position mit Freunden teilen

Wer ein iPhone oder ein iPad besitzt, kann sich die App Find my Friends herunterladen. Der Nutzer kann seinen Freunden – wenn die ebenfalls ein iPhone haben – anbieten, Geo-Daten miteinander auszutauschen. Das funktioniert entweder über einen bestimmten Zeitraum hinweg oder dauerhaft.

Auch hier kann der Party-Gastgeber theoretisch also seinen Freund während des Heimwegs beobachten und im Ernstfall professionelle Hilfe holen. Der Nachteil laut Kommissar Halbe: „Es gibt keine Möglichkeit auf dem Heimweg mit einer Leitstelle zu kommunizieren oder innerhalb der App die Polizei zu verständigen.“

Das Heimwegtelefon – der ehrenamtliche Service

Wer sich unwohl auf dem Heimweg fühlt, kann auch das Heimwegtelefon anrufen: Unter der Berliner Telefonnummer 030 / 120 74 182 sind nachts ehrenamtliche Helfer erreichbar, die den Anrufer telefonisch bis zur Haustür begleiten. Die Erreichbarkeitszeiten des Heimwegtelefons: Sonntag bis Donnerstag von 20 bis 24 Uhr und Freitag bis Samstag von 22 bis 4 Uhr.

Während des Telefonats sollen die Nutzer den Helfern immer wieder ihren aktuellen Standort durchgeben. Erst wenn die Haustür sicher erreicht ist, beenden die Helfer das Gespräch. Dabei werden nur die Anrufkosten des jeweiligen Mobilfunk-Anbieters fällig. Der Service selbst ist kostenlos.

Laut den beiden Frauen, die den Service gegründet haben, erhält das Heimwegtelefon etwa 15 Anrufe pro Nacht. Die Zahl schwanke aber je nach Wochentag, Wetter und Jahreszeit stark. Noch 2019 möchten die zwei Gründerinnen ihren Service offensiv bewerben. Seit Kurzem können sich auch die Bewohner des österreichischen Linz auf ihrem Heimweg telefonisch begleiten lassen, um sich nicht mehr alleine, sondern sicher zu fühlen. Dort empfiehlt der Stadtrat den Bürgern sogar den Telefonservice.

Auch Halbe äußert sich positiv über einen solchen Service: „Jede Art von technischen Hilfsmitteln für mehr Sicherheit auf dem Heimweg ist grundsätzlich begrüßenswert.“

Da der Dienst ehrenamtlich organisiert ist, ist das Heimwegtelefon nicht zu jeder Zeit der Woche erreichbar. In der Vergangenheit soll es Medienberichten zufolge vorgekommen sein, dass Nutzer nur an einen Anrufbeantworter weitergeleitet wurden.

Smartphone-Hacks – so lässt sich im Notfall unauffällig der Notruf absetzen

Nicht in jeder Situation kann der Nutzer einfach offen das Handy zücken und die 110 oder 112 wählen. Dank verschiedener Funktionen bei Apple und Android muss er das aber auch gar nicht.

Wer ein iPhone besitzt, kann selbst in der Jackentasche unauffällig mit einer einfachen Tastenkombination den Notruf wählen.

iPhone 8 und neuer: Hier muss der User gleichzeitig die Seitentaste und eine der Lautstärketasten gedrückt halten. Es erscheint ein SOS-Schieberegler. Dieser lässt sich über den Bildschirm ziehen und der Anruf geht raus. Falls es dem Nutzer nicht möglich ist, den Schieberegler zu ziehen, kann er die beiden Tasten gedrückt halten. In diesem Fall erscheint ein Countdown. Läuft der Countdown ab, ruft das Smartphone ebenfalls automatisch den Rettungsdienst an. iPhone 7 und älter: Hier muss die Sperrtaste schnell fünfmal hintereinander gedrückt und dann der Schieberegler über den Bildschirm gezogen werden. Apple-Watch: Nutzer müssen die Seitentaste solange gedrückt halten, bis der Schieberegler und der Countdown auftauchen.

Der informierte Rettungsdienst erhält im Anschluss den aktuellen GPS-Standort, auch wenn die Ortungsdienste eigentlich deaktiviert worden sind. Über die Health-App lassen sich mit der Funktion „Notfallpass“ mehrere Notfallkontakte hinzufügen. Diese werden im SOS-Modus, der durch die oben genannten Tastenkombinationen ausgelöst wird, automatisch informiert und erhalten den aktuellen Aufenthaltsort. Auch über Positionsänderungen werden die Notfallkontakte im SOS-Modus über längere Zeit informiert.

Mit einfachen Tastenkombinationen am Android-Smartphone den Notruf wählen

Auch Smartphones mit Android ab Version 5.0 wie zum Beispiel Samsung-Handys, besitzen einen Notfallassistenten. Drückt der Nutzer dreimal hintereinander den Power Button, macht das Handy automatisch mit der Front- und der Rückkamera ein Bild. Diese Fotos schickt das Smartphone direkt mit der Botschaft „Brauche Hilfe“ und dem Standort an vorher festgelegte Kontakte. Auch eine automatisch aufgenommene Sprachaufnahme lässt sich in den Einstellungen aktivieren und im Notfall verschicken. Der Notfallassistent lässt sich in den Einstellungen in der Kategorie „System“ unter dem Punkt „Notfallassistent“ aktivieren. Unter „wichtige Kontakte“ lassen sich bis zu vier Notfallkontakte festlegen.

Tricks und Heimweg-Apps mit Vorsicht genießen

Halbe hält diese Funktionen durchaus für sinnvoll. Allerdings sei er sich nicht sicher, wie bekannt die Tastenkombinationen bei den Bürgern sind. Zudem sei es möglich, dass sich die Menschen in Ausnahmesituationen nicht mehr an die entsprechende Tastenkombination erinnern können. „Da ist es vielleicht leichter, sich von einer App begleiten zu lassen“, sagt er.

Alle technischen Hilfsmittel haben ihre Grenzen. Die Begleit-Apps funktionieren natürlich nur, wenn der Internetempfang stark genug ist. Außerdem ersetze keine App präventives Verhalten. So rät Halbe beispielsweise dazu, sich mit einer selbstbewussten Körperhaltung auf dem Heimweg zu bewegen.

Dunkle Parks oder Gassen sollten die Nutzer vermeiden, selbst wenn das einen Umweg bedeutet. „Wer sich verfolgt oder bedrängt sieht, sollte immer direkt andere Passanten ansprechen oder in öffentlichen Räumen wie einem Kiosk oder einer Kneipe Schutz suchen“, sagt er.

Die beste Begleitung auf dem Heimweg bleibt wohl immer noch eine reale Person.