Zwei Meetings stehen an, dazwischen noch ein Telefonat und der Auftrag muss auch noch raus. Ganz schön stressig. Gut, dass da die Schale mit den Süßigkeiten steht – spart das Mittagessen, für das nun wirklich keine Zeit ist. Auf den ersten Blick entspannter geht es für den Kollegen in der Nachtschicht zu. Alles läuft, Konzentration ist trotzdem gefragt. Kaffee, Cola und zwischendrin noch mal ordentlich was auf die Gabel. Das hilft – vorübergehend. Aber auf Dauer?

Viele Krankheiten sind ernährungsbedingt

„Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht – die möglichen Folgen einer nicht so gesunden Ernährung sehen wir fast täglich“, sagen Sarah Kasimir und Andrea Auner. Die beiden gehören zum siebenköpfigen Ärzteteam im Zentrum für Arbeitsmedizin und Arbeitssicherheit (ZAA) Hagen. Sie betreuen die Beschäftigten der Mitgliedsunternehmen in allen Fragen und Problemen rund um Arbeit und Gesundheit, führen unter anderem regelmäßig Vorsorgeuntersuchungen durch. „Wir begegnen dabei dem Durchschnitt der Bevölkerung mit allen Krankheiten“, sagt Auner. Und nicht wenige davon hängen mit der Ernährung zusammen. 

Der Arbeitsalltag macht es vielen nicht leicht. „Bei Stress gibt es was Süßes. Und wenn man acht Stunden nicht richtig gegessen hat, hat man Hunger“, sagt Kasimir. „Dann hat man keine Lust zum Kochen, greift zu Fast Food und Fertigprodukten.“ Das sei sehr kohlenhydratreich und meist zu salzhaltig – und kann Folgen haben, die mitunter erst die Arbeitsmediziner entdecken. „Viele, gerade Jüngere, gehen nicht oft zum Hausarzt. Da fällt dann erst hier auf, dass der Blutdruck zu hoch ist oder schon ein Diabetes vorliegt“, berichtet Auner. Der Schreck sei dann groß. Aber auch bei schon bekannten Leiden wie Rheuma oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen spielt das Essen eine Rolle: Wer sich vernünftig ernährt, kann viele Beschwerden lindern.

Das ZAA Hagen bietet Beratung und Prävention

Dabei möchten die Fachärztinnen künftig noch intensiver helfen. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt in Prävention und Beratung. „Im Studium haben Ernährungsfragen kaum eine Rolle gespielt“, erinnert sich Kasimir. Auch außerhalb der Arbeitsmedizin gibt es noch nicht viele darauf spezialisierte Praxen. Die beiden Arbeitsmedizinerinnen haben sich daher entschlossen, eine Weiterbildung in der Ernährungsmedizin aufzusatteln. Berufsbegleitend beschäftigen sie sich seit eineinhalb Jahren online und in Präsenzterminen mit den verschiedensten Aspekten des Themas. In diesem Jahr stehen weitere praktische Wochenend­seminare an.

„Wenn man allmählich etwas umstellt, wird es nicht mehr als Verlust empfunden“

Sarah Kasimir, Ärztin am ZAA Hagen

Ziel ist es, die Betroffenen optimal zu beraten. „Wir möchten ohne erhobenen Zeigefinger auf die Probleme aufmerksam machen und verschiedene Alternativen zeigen“, betont Auner. „Es gibt nicht den einen richtigen Weg für alle.“ Nach ersten grundlegenden Untersuchungen geht es darum, den Energiebedarf entsprechend der Schwere der Arbeit zu berechnen, außerdem fertigen die Beschäftigten ein Ernährungsprotokoll an. „Auf dieser Grundlage können wir Empfehlungen geben, was ergänzt, was ersetzt werden sollte.“ 

Bei der Umstellung macht die Ärztin Betroffenen Mut: Gewohnheiten und Geschmack könnten sich ändern. „Man braucht nur ein bisschen Geduld. Wenn man allmählich etwas umstellt, wird es nicht mehr als Verlust empfunden.“ Nichts sei verboten, betont die Ärztin, auch Schokolade nicht. „Aber man sollte sie bewusst genießen.“ Und nachfragen, warum man sie brauche – und ob es nicht einen anderen Weg zum Stressabbau gibt. 

Für dieses behutsame Heranführen an eine gesündere Lebensweise hat die Weiterbildung den Fachärztinnen viel gebracht. Vermitteln möchten sie das auch in den Unternehmen, etwa bei Gesundheitstagen oder Vortragsveranstaltungen. „Da kann man ganz locker die Probleme ansprechen.“

Gesund durch den Tag: Tipps für eine gute Ernährung

Mehrere Portionen Obst und Gemüse täglich, wenig Zucker und Fett und dafür reichlich Vollkorngetreide, Eiweiße und Ballaststoffe – die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung gelten auch am Arbeitsplatz. Doch wenn es stressig wird, ist das schnell vergessen. Und schon wird aus der entspannten Pause ein schneller Snack mit zu viel Fett und Zucker. Diese Tipps helfen bei der gesunden Ernährung:

  • Wer morgens noch nicht frühstücken mag, sollte das nach zwei bis drei Stunden nachholen: erst etwas Leichtes wie Joghurt oder Obst, später dann Vollkornbrot oder Müsli.
  • Obst, Gemüse-Sticks oder eine Handvoll Nüsse zwischendurch beugen Leistungstiefs vor und sind gesünder als Süßigkeiten.
  • Wer am Mittag auf Imbissstand oder Fast-Food-Restaurant ausweicht, sollte mit Obst, Gemüse oder Milchprodukten ergänzen.
  • Nicht nebenbei essen! Nehmen Sie sich Zeit für eine bewusste Pause.
  • Ideal ist, eine vorgekochte Extra-Portion oder ein belegtes Brot mitzubringen, beispielsweise mit Käse, Gurken und Tomaten.
  • Ausreichend trinken – und nicht nur Kaffee. Etwa 1,5 Liter am Tag, am besten Wasser oder ungesüßte Tees, sollten es sein.

Fit durch die Nachtschicht

Nachts arbeiten ist anstrengend, da kann man ruhig ein bisschen mehr essen. Falsch! Der Körper schaltet nachts in den Ruhemodus, Verdauung und Stoffwechsel fahren runter – daran ändern auch jahrelange Nachtschichten nichts. Die Expertinnen und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfehlen deshalb

  • Bis Mitternacht kleine Mahlzeiten wie Gemüsesuppen, Sandwiches oder Wraps. Auch Joghurt oder Quark, Obst und Salate halten fit.
  • Kohlenhydrate und Eiweißreiches sind besser als Fetthaltiges.
  • In der zweiten Nachthälfte nichts oder nur einen kleinen Snack essen.
  • Ausreichend trinken, aber vier bis sechs Stunden vor dem Schlafengehen auf Koffeinhaltiges und Energydrinks verzichten.
Hildegard Goor-Schotten
Autorin

Die studierte Politikwissenschaftlerin und Journalistin ist für aktiv vor allem im Märkischen Kreis, in Hagen und im Ennepe-Ruhr-Kreis unterwegs und berichtet von da aus den Betrieben und über deren Mitarbeiter. Nach Studium und Volontariat hat sie bei verschiedenen Tageszeitungen gearbeitet und ist seit vielen Jahren als freie Journalistin in der Region bestens vernetzt. Privat ackert und entspannt sie am liebsten in ihrem großen Garten

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