Eine Knieverletzung auf der Skipiste ist ein Standardeinsatz für die Bergwacht Bayern. Dieselbe Aktion im Sommer bedeutet jedoch ungleich mehr Aufwand, wenn steiles Gelände, Schlechtwetter und einbrechende Dunkelheit hinzukommen. Gar nicht zu reden von kniffligen Rettungen aus dem Helikopter per Seilwinde.
4.517 Einsätze in der Wintersaison 2023/2024 und 3.316 Einsätze im Sommer 2024 weist die Statistik der Bergretter aus. Für die 3.500 Ehrenamtlichen dieser Organisation bedeutet das jährlich mindestens je 15 Diensttage an Wochenenden, Abendtrainings und 30- bis 50-mal raus ins Gelände, wenn ein Notruf kommt.
Aufgrund des Klimawandels nehmen die Gefahren zu
Zur Sicherheit von Patienten und auch zur Schulung von Einsatzkräften betreibt die Bergwacht mit der Stiftung Bergwacht seit 2008 das Bergwacht-Zentrum für Sicherheit und Ausbildung (ZSA) auf der Flinthöhe in Bad Tölz. Das Zentrum ist europaweit einzigartig, hier vernetzen sich Spezialisten aus dem In- und Ausland. Rund 6.000 Einsatzkräfte und Besucher finden sich jährlich zum Training und Austausch ein. Die Aufgaben wachsen, denn die Gefahren nehmen zu – auch aufgrund des Klimawandels, der sich im Alpenraum massiv zeigt. Gleichzeitig sind immer mehr Menschen in den Bergen unterwegs, verbringen dort ihre Freizeit oder ihren Urlaub. „Wir haben Lawineneinsätze im September und Wanderer in kurzen Hosen im Dezember. Hinzu kommen Gäste, die aufgrund von Social-Media-Trends entlegene Orte aufsuchen, oft ohne entsprechende Erfahrung“, sagte beispielsweise Johannes Kuntze-Fechner von der Bergwacht Bad Tölz in einem Gespräch mit dem Tourismusverband Oberbayern München.
Das Rettungsteam wird per Winde abgesetzt
„Mit den vorhandenen Gebäuden, Räumen und technischen Voraussetzungen stehen wir am Limit“, betont die Bergwacht Bayern in ihrem Jahresbericht. Es brauche neue Strukturen, um den professionellen Rettungsdienst und Katastrophenschutz in den Bergen und Naturräumen zukunftssicher zu machen.
Für modernes Training unter realitätsnahen Bedingungen hat das Zentrum vergangenes Jahr bereits einen neuen Flugsimulator bekommen. Damit wird zum Beispiel die Windenrettung aus dem Hubschrauber geübt. Das ist nötig, um bei echten Einsätzen Rettungsteam und Material am Einsatzort absetzen und Verletzte aus unwegsamem Gelände aufnehmen zu können. Der Simulator in der Halle ist dem echten Hubschrauber H145 nachempfunden, den das Unternehmen Airbus im bayerischen Donauwörth produziert.
Trainingsstätte auch für Polizei und Wasserwacht
Direkt neben dem ZSA soll nun das Bayerische Zentrum für Alpine Sicherheit der Stiftung Bergwacht entstehen, Gesamtkosten: 18,9 Millionen Euro. Das Vorhaben wird unterstützt vom Freistaat (Fördersumme: 15 Millionen Euro) sowie durch Spenden von Privatpersonen und auch von Firmen wie Siemens: Das Unternehmen gab 500.000 Euro. Auch Spezialeinsatzkräfte von Polizei oder Wasserwacht sollen die Trainingsstätte künftig nutzen. Beim gemeinsamen Üben bildet sich ein Netzwerk zwischen den Rettungsorganisationen. „So wächst Vertrauen, man weiß, dass man sich beim Einsatz aufeinander verlassen kann", betont die Bergwacht. Wie wichtig dieses Zusammenspiel ist, hat nicht zuletzt die Hochwasserkatastrophe 2024 gezeigt. Die Bergwacht hat damals bei Evakuierungen und Bergungen in Ober- und Niederbayern sowie in Schwaben mit angepackt.
Mehr Sorgfalt bei der Tourenplanung
„Wenn Notlagen entstehen, sind wir da und helfen“, betonen die Bergretter, „ob am Steilhang, auf der Piste, in Canyons, Höhlen und Seilbahn." Sorgen macht ihnen jedoch mangelnde Sorgfalt bei der Planung vieler Outdoor-Unternehmungen. „Im Zeitalter von Handys, Outdoor-Apps, digitalen Karten und GPS scheint es technisch fast unmöglich, dass sich Wanderer verirren oder aus den vielen Tourenvorschlägen für sie ungeeignete Routen auswählen.“ Doch diese Fehlentscheidungen hätten stark zugenommen.
Ihr Rat: Egal wohin es geht, die Planung sollte immer umsichtig erfolgen, entsprechend den eigenen Fähigkeiten und unter Beachtung besonderer Bedingungen wie Schnee, Tageszeit oder Temperatur. Gerade als Neuling im Gebirge sollte man sich langsam herantasten. Die Alpenvereine, Gemeinden in den Bergsportregionen und die örtliche Bergschulen bieten dafür Unterstützung an.
Im TV: Einsatz an Watzmann und Zugspitze
Übrigens: Die Bergretter kommen 2025 ins Fernsehen: Für die Dokureihe „In höchster Not“ hat der Bayerische Rundfunk die Bergwacht Grainau und Ramsau bei echten Einsätzen rund um Watzmann und Zugspitze begleitet. Die Sendung gibt Aufschluss über die herausfordernde Arbeit der Bergwacht, bei der Teamarbeit, Einsatzbereitschaft und die enge Verbindung zur Natur im Mittelpunkt stehen. Die achtteilige Reihe soll ab Frühjahr 2025 in der ARD Mediathek zu sehen sein.

Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.
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