Hannover. Es ist ein technisches Meisterwerk. Mitten auf dem Elbe-Seitenkanal, einem Highway für Binnenschiffe, steht das Schiffshebewerk in Lüneburg Scharnebeck. So beeindruckend dieser Fahrstuhl für Frachter auch ist – er ist längst ein Nadelöhr. Davon gibt es auf Deutschlands Wasserstraßennetz mehrere.
„An etlichen Stellen wurde jahrzehntelang nicht investiert“, so Professor Torsten Schlurmann vom Franzius-Institut an der Leibniz-Universität Hannover. Die zum Teil über 100 Jahre alten Bauwerke entsprechen nicht mehr dem Stand der Technik, viele sind schlichtweg marode. Das führt zu Sperrungen oder zu sogenannten Ersatzneubauten an den Wasserstraßen des Bundes.
Dennoch konstatiert Ingenieur Schlurmann: „Unsere Wasserstraßen haben ungenutzte Potenziale. Man könnte den Verkehr viel stärker verlagern. Und zwar ohne dass Flüsse und Kanäle an die Grenzen ihrer Kapazitäten gelangen.“
Das ist dringend notwendig, denn Straßen und Schienen werden immer voller. Laut der Bundesverkehrsprognose rechnet die Regierung mit einer Steigerung der Gütertransportleistung um 38 Prozent bis 2030 gegenüber 2010.
Das Wenigste davon geht zurzeit über das Wasser. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts liegt der Lkw mit rund 3,5 Milliarden Tonnen im Jahr 2014 weit vorne. 366 Millionen Tonnen werden mit dem Zug und 228 Millionen Tonnen mit dem Schiff transportiert.
„Dabei ist das Binnenschiff das umweltfreundlichste Transportmittel, sowohl den Energieverbrauch als auch den CO2-Ausstoß betreffend“, so Wasserbau-Experte Schlurmann. Die Vorteile der Binnenschifffahrt seien lange bekannt, aber es fehlten der Wille und die Abstimmung zwischen Bund, Ländern und der Wirtschaft, mehr darauf zu setzen.
Ein Ausweg wäre, die Logistik-Ketten zwischen Zug, Lkw und Binnenschiff besser zu verknüpfen. „Auch der Ausbau von regelmäßigen Liniendiensten in der Binnenschifffahrt ist vielversprechend.“ Zudem könnte die Kooperation zwischen See- und Binnenhäfen viel besser laufen.
Schlurmann: „Die Handelswege zwischen Rotterdam und dem größten europäischen Binnenhafen Duisburg zeigen ja bereits, wie gut das funktioniert. Was hier landet und rheinaufwärts muss oder von dort kommt, transportieren überwiegend Binnenschiffe.“ In Hamburg oder Bremerhaven aber würden die Güter zum allergrößten Teil mit der Eisenbahn oder dem Lkw weiterbefördert.
Projekte bleiben in der Planungsphase stecken
Eine verpasste Chance für den Wirtschaftsfaktor Binnenschifffahrt, von dem in Deutschland rund 400.000 Arbeitsplätze abhängen.
Neben den logistischen Innovationen gibt es aber noch weitere Herausforderungen. „Wir brauchen dringend Ingenieure“, erklärt Jörg Rusche, Geschäftsführer vom Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt. Der Fachkräftemangel führt dazu, dass Gelder aus dem Wasserstraßenetat noch nicht mal abgerufen wurden. „Weil Projekte schlichtweg nicht fertig geplant, nicht baureif waren“, stellt Rusche fest.
Wo nun konkret in unser rund 7.350 Kilometer langes Wasserstraßennetz investiert wird, legt die Regierung in ihrem Bundesverkehrswegeplan fest. Den will Minister Alexander Dobrindt noch in diesem Jahr vorstellen. Dann bekommt auch vielleicht das Schiffshebewerk in Lüneburg eine neue Schleuse, damit dort der Verkehr etwas entspannter läuft.