Stuttgart. In den Freizeitparks drehen Achterbahnen wieder ihre Runden, viele Campingplätze sind ausgebucht, Busse und Bahnen füllen sich. Nach dem Lockdown der Corona-Pandemie macht Baden-Württemberg sich locker! Doch das Virus ist noch nicht ausgelöscht, keiner weiß, ob uns eine zweite Infektionswelle erwartet. Wie schützen wir uns in dieser Phase der Pandemie, etwa auf dem Weg zur Arbeit und beim Arzt? aktiv hat dazu Experten aus verschiedenen Bereichen des täglichen Lebens gefragt. Mark Peters aus Heidelberg zum Beispiel ist Hygiene-Experte und derzeit ein gefragter Mann: Er schult Unternehmen im Umgang mit der Ansteckungsgefahr. „Wenn man seine Maske falsch handhabt“, sagt er, „kann das sogar mehr schaden als nützen!“

Die Angst vor einer Infektion geht zurück

Generell geht die Angst vor Ansteckung zurück, das zeigt eine repräsentative Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach. Demnach hatten im April noch 44 Prozent der Bundesbürger Angst vor Ansteckung, im Mai waren es nur noch 31 Prozent. Laut einer großen Wiederholungsbefragung der Universität Mannheim trafen sich übrigens Mitte Juni schon wieder 44 Prozent der Bürger täglich oder mehrfach pro Woche mit Freunden, Verwandten oder Arbeitskollegen, fast so viele wie vor Beginn der Corona-Maßnahmen: Damals lag der Anteil bei 51  Prozent.

Hygieneregeln perfektionieren

  1. Masken-Fehler vermeiden: aktiv fragte den Heidelberger Hygieneexperten Mark Peters, der unter anderem Industrieunternehmen in Sachen Hygiene berät und Mitarbeiter schult. Was machen wir so alles falsch?
  2. Der häufigste Fehler: Die Maske abnehmen, ohne sich die Hände vorher zu waschen! Peters: „So können vorab aufgenommene Viren von der Hand ins Gesicht gelangen.“ Der ganze Schutz war also womöglich umsonst. Fehler Nummer zwei: Viele schlampen bei der Aufbereitung der Maske. Peters betont: „Es ist wichtig, mehrere Masken zu besitzen und sie regelmäßig mit einem handelsüblichen Waschmittel in der Waschmaschine bei mindestens 60 Grad zu waschen.“ Fehler Nummer drei: Die Maske wird falsch aufgesetzt. Sie muss über der Nase aufliegen und das Kinn vollständig bedecken.
  3. Die Hände sauber halten: Man kann noch mehr tun, als oft die Hände zu waschen. Experte Peters rät, im öffentlichen Raum Kontaktflächen zu meiden und, wenn möglich, Desinfektionsmittel dabeizuhaben. Keime können etwa auf Türklinken lauern, am EC-Terminal oder auch auf fremden Smartphones. Selbst wenn die Zahl an Corona-Neuinfektionen gerade gering ist, ist es ratsam, sich weiter zu schützen. Denn wer will in der aktuellen Lage schon eine eigentlich harmlose Erkältung bekommen?

    Sicher mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit kommen

    • Maske aufsetzen und Abstand halten! Wenn sich in den „Öffis“ alle daran halten, ist das Ansteckungsrisiko gering. Edgar Neumann, der beim Verkehrsministerium Baden-Württembergs die Öffentlichkeitsarbeit leitet, erklärt: „Die meisten Züge öffnen automatisch an den Bahnsteigen alle Türen, dies erfolgt kontaktlos.“ Man muss den Halteknopf also nicht mehr anfassen. „Man sollte sich nicht ins Gesicht fassen und nach der Ankunft gründlich die Hände mit Seife waschen“, rät Neumann.
    • Wenn die Bahn zu voll ist, kann man das melden: dem Verkehrsunternehmen oder an eine zentrale Stelle bei der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg: qualitaet@nvbw.de
    • Was ist eine „Aussteigekarte“? Passagiere können sich an das Zugpersonal wenden, wenn es einen Corona-Verdachtsfall gibt. Das Personal verteilt dann an die Umsitzenden eine „Aussteigekarte“, in der Angaben zur Erreichbarkeit abgefragt werden. Die Angaben werden dann an die Gesundheitsbehörden weitergegeben, damit sie die Kontaktpersonen informieren können, falls sich der Verdachtsfall bestätigt und man sich infiziert haben könnte.

    Arztbesuche nachholen

    • Wieder zur Vorsorge gehen! Jeder sollte wichtige Arzttermine nicht mehr aufschieben, sagt Dr. Wolfgang Miller, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg, gegenüber aktiv: „Dazu zählen auch Vorsorgeuntersuchungen, denn sie tragen dazu bei, erste Anzeichen für Erkrankungen rechtzeitig zu erkennen.“ Auch versäumte Impfungen sollte man jetzt unbedingt nachholen.
    • Das Risiko ist grundsätzlich recht gering: „Aktuell wird wirklich viel für den Schutz von Patienten und Personal getan“, schildert Mediziner Miller. Dank ausgeklügelter Terminvergabe etwa begegnen sich die Patienten untereinander kaum mehr. „In vielen Praxen, die seit Wochen Corona-Positive und auch an Covid erkrankte Patienten behandelt haben, ist im Team und auch, soweit nachvollziehbar, bei den Mitpatienten nicht eine einzige Ansteckung bekannt geworden.“
    • Virtueller Arztbesuch: Immer mehr Ärzte bieten als Ergänzung Fernbehandlung oder Videosprechstunden an. Sie könne den persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt aber nicht voll ersetzen, so Miller.
    • Was tun bei Corona-Verdacht? Hier gilt nach wie vor: Erst einmal den Hausarzt anrufen und weitere Schritte besprechen – oder auch den ärztlichen Bereitschaftsdienst unter der Rufnummer 116117.

    Kinder schützen

    • Hilfe, mein Kind spielt Flüsterpost: Wie viel Nähe zwischen Kindern sollte man zulassen? aktiv fragte Till Reckert vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, der in Reutlingen praktiziert.
    • Keine Angst: „Es gilt weiterhin, vorsichtig und achtsam zu sein, aber nicht panisch“, sagt er. Die neuesten Erkenntnisse deuteten immerhin darauf hin, dass Kinder weniger gefährdet und auch nicht so ansteckend sind wie Erwachsene.
    • Abstandsregeln? Der Kinderarzt erklärt: Dass kleine Kinder schon konsequent Abstandsregeln einhalten können, sei unrealistisch, „bis zu einem gewissen Alter, das ich etwa bis zum Ende der Grundschulzeit ansetzen würde“. Man solle Kinder auch als sich im Sozialen entwickelnde Menschen mit eigenen Bedürfnissen wahrnehmen, rät der Experte, und nicht nur als potenzielle Virusverteiler.
    • Das Risiko begrenzen: „Man sollte viel rausgehen und viel lüften“, rät Reckert. „Tröpfcheninfektionen breiten sich draußen viel weniger aus als in geschlossenen Räumen. Und: Wenn möglich, lieber weniger als mehr Freunde einladen – und öfter die gleichen. „Wenn dann doch irgendwo eine Infektion auftritt, kann man sie besser nachverfolgen und begrenzen.“

    Tipps für den Kontakt mit Risiko-Personen

    • Nähe ist zwar wieder erlaubt: Mit den Lockerungen der Schutzmaßnahmen ist wieder ein engerer Kontakt zu anderen möglich. Doch das birgt auch ein Risiko. aktiv sprach mit Professor Uwe Bähr, dem Vorsitzenden des Landesseniorenrats Baden-Württemberg: Was sollten wir jetzt beispielsweise im Umgang mit Älteren beachten?
    • Vorsichtig bleiben! Es sei wichtig, die Vorschriften, die bis Ende Juni galten, auch darüber hinaus als Leitlinien beizubehalten, um eine zweite Infektionswelle zu verhindern, sagt der Experte. „Deshalb kommt es sehr auf das Verständnis der Menschen an, die Gefahr der Infektion nicht zu vernachlässigen.“
    • Dürfen Oma und Opa ihre Enkel wieder umarmen? „Das hängt sehr von den Umständen ab“, meint Professor Bähr. Einerseits ist die Ansteckungsgefahr noch nicht vorbei, andererseits sei für Senioren auch soziale Nähe wichtig. Deshalb müssten die Familien nun unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände, wie zum Beispiel dem individuellen Infektionsrisiko, sorgfältig abwägen, ob sie direkte Nähe wieder zulassen wollen.