Frankfurt/Bad Nauheim. „Können mich alle hören? Sieht man mich auf dem Monitor?“ Kaum ein Treffen via Internet, das nicht mit diesen Worten beginnt. Denn oft ist jemand dabei, der sich zum ersten Mal in eine Teambesprechung übers Internet einwählt und zu Beginn erst einmal kleine technische Probleme lösen muss, ehe es losgehen kann.

Und genau solche Abläufe kennen auch Teilnehmer von Online-Weiterbildungsveranstaltungen. Diese sogenannten Webinare waren und sind für viele oft die einzige Möglichkeit, auch während der Corona-Pandemie an Schulungen teilzunehmen.

Ein wichtiger Anbieter digitaler Trainings ist das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft (BWHW). Als zur Bekämpfung der Pandemie von Mitte März bis Mitte Mai neben den Schulen auch alle anderen hessischen Bildungseinrichtungen schließen mussten, waren davon auch das Bildungshaus in Bad Nauheim und die zahlreichen Standorte des BWHW betroffen.

In Rekordzeit kreative Lösungen fürs E-Learning entwickelt

„Wir konnten gleichsam von heute auf morgen keine Präsenzveranstaltungen mehr anbieten, und auch unsere mehr als 500 Mitarbeitenden mussten ins Homeoffice“, erinnert sich Joachim Disser, Vorsitzender der BWHW-Geschäftsführung.

Um die Unternehmen und ihre Beschäftigten dennoch bei ihren Weiterbildungsaktivitäten zu unterstützen, entwickelten sie in Rekordzeit kreative Lösungen – nicht zuletzt dank bereits vorhandener Kompetenzen und Erfahrungen im E-Learning-Bereich.

„Viele Seminare waren ja bereits gebucht, und die wollten wir nicht einfach absagen, sondern eben online anbieten“, erläutert René Marc, Berater Unternehmensservice beim Bildungshaus Bad Nauheim.

Seit März über 100 Online-Seminare veranstaltet

Zu den neuen Instrumenten und Formaten zählen Video- und Audiokonferenztools, interaktive Lern- und Arbeitsplattformen, eigens erstellte Erklärvideos sowie individuelle Lern- und Arbeitspakete und vieles mehr. Hinzu kommen individuelle Beratungs- und Unterstützungsangebote in Zeiten von Corona.

Seit dem 25. März konnten über 100 Online-Seminare zu Themen wie Führung im Homeoffice, virtuelle Führung, Moderation von Online-Meetings, Stressmanagement und mehr durchgeführt werden.

Eines der ersten Unternehmen, die das neue Angebot nutzten, war Samson in Frankfurt. Der Spezialist für Steuerungs- und Regelungstechnik beschäftigt weltweit 4.500 Mitarbeiter, davon rund 2.000 am Stammsitz in Frankfurt. Deren Weiterbildung erfolgt unter anderem über eine eigene Akademie.

IT-Abteilung rüstete Mitarbeiter mit Laptops und Headsets aus

„Als sich im März abzeichnete, dass unsere Seminarplanung wegen Corona nicht funktionieren würde, haben wir nach Alternativen gesucht und beim Bildungshaus sofort Unterstützung gefunden“, erklärt Lars Heinze, Leiter Talentmanagement und Führung im Personalbereich von Sams

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In wenigen Wochen wurden für Samson bereits vereinbarte Weiterbildungsveranstaltungen auf online umgestellt. Während die IT-Abteilung des ernehmens sich um die Hardware kümmerte, Monitore, PCs und Kameras installierte sowie die angemeldeten Mitarbeiter mit Laptops und Headsets ausrüstete, bereitete man beim Bildungshaus die Trainer auf ihre neue Aufgabe vor. „Dabei konnten wir auf unsere bereits vorhandene Expertise aufbauen, weil wir schon vor Corona Weiterbildung übers Internet erfolgreich angeboten haben“, erklärt Bildungshaus-Seminarkoordinator Lukas Stein.

Auch Trainer mussten Neues lernen

Sonst zweitägige Veranstaltungen wurden zum Beispiel in sechs Einheiten von etwa 90 Minuten gesplittet, auch im Bildungshaus Technik auf- und umgebaut, Trainer in die neuen Gegebenheiten eingewiesen und vieles mehr. Mehrere Seminare wurden schließlich durchgeführt, vom klassischen Excel-Kurs in Samson-Eigenregie bis zu Konfliktmanagement gemeinsam mit dem Bildungshaus. „Jeder Schritt half uns, ein Gespür dafür zu bekommen, was geht und was nicht“, betont Heinze.

Samson-Versandmitarbeiter Erich Hagel war nach seinem ersten Online-Seminar „Excel Anfänger“ auf Anhieb sehr zufrieden: „Alles hat sehr gut geklappt. Die Trainerin stand zwar nicht persönlich neben mir, aber sie hat es trotzdem gut geschafft, über die Kopfhörer auf die Teilnehmer einzugehen.“

Für Betriebsingenieur Marius Deutsch sind Online-Seminare „prinzipiell sehr sinnvoll“. Er hat bereits an mehreren teilgenommen und sieht Vorteile, wenn es um die „Hard Skills“ geht, also um klare Wissensvermittlung wie bei Excel-Kursen, Sprachtrainings oder Produktschulungen. Bei Führungskräfte-Schulungen oder einem Kommunikationstraining würde er Präsenzveranstaltungen jedoch vorziehen: „Online sind Mimik und Gestik der anderen via Monitor schwerer zu beurteilen, und Gruppenübungen sind, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt möglich.“

Die Zukunft liegt im guten Mix von Online- und Präsenz-Seminaren

„Je persönlicher die Themen, umso schwieriger die Umsetzung, weil Gruppendynamik und auch Vertrauen zum Trainer und den anderen Teilnehmern online verloren gehen“, erläutert Personalprofi Heinze. Die Zukunft der Webinare sieht er deshalb vorerst mehr bei fachlichen Themen oder bei Hybrid-Veranstaltungen, die Präsenz- und Online-Weiterbildung verbinden.

Daran arbeitet er gerade unter anderem mit René Marc. Denn für Heinze steht fest: „Webinare sparen Kosten, Zeit und Ressourcen und sind im Zeitalter der digitalen Transformation ein wertvolles Weiterbildungsinstrument.“

Die Unterstützung von Bildungshaus und Bildungswerk sind ihm dabei sicher. Joachim Disser: „Nach den Erfahrungen in diesem Jahr werden wir in Zukunft die virtuellen Formate in der Bildungswerk-Gruppe nutzen, digitale Angebote – auch für das Firmengeschäft – systematisch ausbauen und sinnvoll in unsere Projektdurchführungen integrieren.

Das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft

  • Das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft ist die gemeinnützige Bildungsorganisation der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU).
  • Von Mitte März bis Mitte Mai durften Bildungseinrichtungen in ganz Hessen nicht mehr besucht werden.
  • Über digitale Formate konnte das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft (BWHW) seine umfassenden Angebote auch in dieser Phase aufrechterhalten.
  • Inzwischen werden erste Angebote und Inhouse-Schulungen wieder in der klassischen Präsenzform durchgeführt.
  • Den bestmöglichen Schutz stellt das Bildungswerk in seinen Räumlichkeiten durch umfangreiche Hygiene- und Schutzmaßnahmen und einem eigens entwickelten Hygienekonzept sicher.
  • Aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Sensibilisierung für Online-Formate werden diese Angebote auch weiterhin durchgeführt.
  • Das Online-Programm sowie ein Filmclip zum digitalen Lernen und Arbeiten in der BWHW-Gruppe gibt es über den folgenden Link: bwhw.de/von-uns
Maja Becker-Mohr
Autorin

Maja Becker-Mohr ist für aktiv in den Unternehmen der hessischen Metall-, Elektro- und IT-Industrie sowie der papier- und kunststoffverarbeitenden Industrie unterwegs. Die Diplom-Meteorologin entdeckte ihr Herz für Wirtschaftsthemen als Redakteurin bei den VDI-Nachrichten in Düsseldorf, was sich bei ihr als Kommunikationschefin beim Arbeitgeberverband Hessenchemie noch vertiefte. In der Freizeit streift sie am liebsten durch Wald, Feld und Flur.

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