Köln. Astronaut, Feuerwehrmann, vielleicht Tierärztin: Das sind die Klassiker, wenn man Kinder fragt, was sie denn mal werden wollen. Jetzt kommt wohl ein neuer Traumberuf dazu: Computerspiel-Profi! Und ganz im Ernst: Wer jetzt lacht, hat was verpasst. Den neuen Mega-Trend „E-Sport“!

Als E-Sport, elektronischen Sport also, bezeichnet man das wettkampfmäßige Zocken von Computergames gegen menschliche Gegenspieler. Beliebteste Titel: Das Strategiespiel „League of Legends“, der Ego-Shooter „Counterstrike“, auch die Fußball-Simulation „Fifa“ ist schwer angesagt.

Gedaddelt wird dabei nicht wie früher in schlecht gelüfteten Kinderzimmern. Sondern vor ganz großem Publikum. In ausverkauften Hallen und Stadien, live übertragen im Fernsehen oder Internet.

„Der E-Sport drängt derzeit rasant von der Nische in den Mainstream“, bestätigt Gregory Wintgens, Experte beim Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware in Berlin. „Vor allem in der jungen, digital-affinen Generation hat er die meisten klassischen Zuschauersportarten längst überholt.“ Paar Zahlen gefällig? Die letztjährige Weltmeisterschaft von League of Legends, dem beliebtesten PC-Spiel der Welt, verfolgten weltweit 43 Millionen Fans live am Bildschirm. Und schon ein Jahr zuvor meldete die 12.000 Zuschauer fassende Mercedes-Benz-Arena in Berlin, Austragungsort für ein League-of-Legends-Turnier, nach genau 90 Sekunden: ausverkauft!

Weltweit eine Viertelmilliarde Fans begeistert sich mittlerweile für E-Sport, schätzt die Amsterdamer Beraterfirma Newzoo. In Deutschland verfolgen etwa elf Millionen Menschen regelmäßig E-Sport-Turniere, Tendenz steigend.

Viele Fans bedeuten auch: viel Geld im Markt. Branchenexperten schätzen, dass der Umsatz mit Tickets, Werbung und Fan-Artikeln 2017 weltweit wohl erstmals die Milliarden-Dollar-Marke knackt. Bis 2020 sollen es dann 2 Milliarden Dollar sein.

Klar, dass sich etablierte Offline-Sportvereine ihr Stück vom Kuchen sichern wollen, inzwischen auch hierzulande. Mehrere Klubs der Fußball-Bundesliga, darunter auch Branchenprimus Bayern München, prüfen derzeit einen Einstieg ins E-Sport-Geschäft.

Und zwei Vereine sind da schon weiter: Der VfL Wolfburg und Schalke 04 beschäftigen bereits eigene Profi-Zocker. So hat der Ruhrpott-Klub derzeit insgesamt zehn Spieler für die Titel League of Legends und Fifa unter Vertrag.

„Die Jungs trainieren täglich sechs Stunden in einem eigenen Teamraum auf dem Vereinsgelände, dazu kommen noch Taktik-Analysen, Einzeltraining und medizinische Betreuung“, sagt Tim Reichert, Leiter E-Sport bei Schalke 04. Mit seinem Engagement wolle der Verein „neue, jüngere Zielgruppen mit verändertem Freizeitverhalten erreichen“. Und, wenn es gut läuft, Geld erwirtschaften. Das dann wiederum in den klassischen Fußballbetrieb gepumpt werden kann.

Apropos Geld: Die Stars der E-Sport-Szene kassieren mittlerweile ordentlich Zaster fürs Zocken. Grundgehälter von mehreren 100.000 Euro pro Jahr sind nicht selten. Und siebenstellige Preisgelder für die Gewinner der Spitzenturniere sind bereits die Regel.

Hoch dotierte Turniere, volle Stadien, Millionen an der Glotze – schön und gut. Aber man fragt sich ja doch: Ist das jetzt echter Sport oder bloß Daddelei?

Stress wie beim Elfer im Finale

Professor Ingo Froböse, Sporthochschule Köln, sagt: „E-Sport ist Spitzensport.“ Die Zocker seien „höchsten Belastungen auf motorischer, kognitiver und emotionaler Ebene“ ausgesetzt. „Die Herzfrequenz liegt auf dem Niveau eines Autorennfahrers.“ Man sei voll unter Stress.

Per Speichelprobe maß Froböse den Wert des Stress-Hormons Cortisol. Ergebnis: „Wie beim echten Fußballprofi. Auf dem Weg zum Elfmeterpunkt. Im Champions-League-Finale!“

Hier kann man E-Sport gucken

  • Streaming-Plattformen wie Twitch, Azubu oder Youtube-Gaming zeigen wichtige Ligen und Turniere live. Wie viel Musik im Markt ist, zeigt dieser Deal: 2014 kaufte Amazon die Plattform Twitch für 730 Millionen Euro.
  • Mittlerweile haben auch klassische TV-Sender wie Sport 1 oder Sky E-Sport im Programm. Ziel: junges Publikum zurück zum linearen Fernsehen zu holen.