Köln. Es ist mal wieder so weit – das Internet dreht die nächste Unterhaltungsbranche auf links! Nach Musik- und Filmbusiness erwischt es jetzt wohl: die Computerspiel-Industrie! Das Stichwort: Cloud Gaming, Zocken in der Wolke!

Computerspiele, so die Idee dahinter, sollen bald per Internet-Stream übertragen werden wie heute ein Film oder eine TV-Serie. Auf externen Monster-Servern wird die Rechenleistung erledigt, gestreamt wird nur das Bild. Selbst neueste Spiele kann man dann auf schwachbrüstigen Rechnern oder Handys daddeln. Teure Spielekonsolen wie die Playstation wären überflüssig. Steht der Gaming-Markt – weltweiter Jahresumsatz 140 Milliarden Dollar – also vor einer Disruption?

Mit Googles Stadia wird die Sache richtig ernst

Experten halten das für möglich. „Was wir heute von Amazon Prime oder Netflix kennen, werden wir auch bei Spielen sehen“, sagt Professor Jörg Müller- Lietzkow, Medienökonom an der Uni Paderborn. Heißt: Der Gamer zahlt eine monatliche Abogebühr, hat damit Zugriff auf eine Spielebibliothek und kann zocken, bis die Augen viereckig sind.

Auch Felix Falk, Chef beim deutschen Spiele-Branchenverband Game in Berlin, glaubt an den Durchbruch des Spiele-Streamings: „Cloud Gaming ist der nächste Schritt.“ Entsprechende Angebote seien eine niederschwellige Lösung auch für Gelegenheitsspieler, weil jeder unabhängig von der eigenen Hardware seine Wunschtitel spielen könne.

Deutschland ist größter Gaming-Markt in Europa

Den Hardware-Markt dürfte der Trend zum Cloud Gaming ordentlich durchschütteln. Noch im vergangenen Jahr gingen weltweit etwa 50 Millionen Spielekonsolen wie Sonys Playstation oder Microsofts X-Box über die Ladentheken. Und allein in Deutschland, Europas größtem Gaming-Markt, investierten Spiele-Fans 2018 knapp 1 Milliarde Euro in Zocker-Hardware. Für Spielesoftware wurden hierzulande sogar 3,5 Milliarden Euro rausgehauen. Gute Geschäfte also für die Branche.

Nur – wie lange noch? Fristen Cloud-Gaming-Anbieter derzeit noch ein Nischendasein, dürfte sich das mit Eintritt der Branchenriesen Google oder Apple nachhaltig ändern. Per Livestream ließ Tech-Gigant Google Anfang Juni bereits erste Details zu seinem Cloud-Gaming-Projekt Stadia an die Sonne (siehe Grafik). Ab November können deutsche Abo-Kunden eine relativ kleine Auswahl von Titeln gratis spielen. Dabei dürfte es kaum bleiben. Denn wie schnell User bereit sind, Geld für den Zugang zu einem breiten Katalog an Produkten zu zahlen statt nur wenige Einzeltitel selbst zu besitzen, davon kann beispielsweise die Musik-Industrie ein Liedchen singen. Stichwort: Spotify.

Dass die neuen Dienste die etablierten Konsolen und Gaming-PCs sofort vom Markt fegen, glauben Experten zwar noch nicht. „Für die nächsten zehn Jahre rechnen wir mit einer Koexistenz“, prophezeit etwa Candice Mudick, Analystin beim US-Branchendienst Newzoo. Auch weil die elementarste Voraussetzung fürs Cloud Gaming noch nicht überall erfüllt sei: schnelles Internet. Dennoch: „Das Cloud Gaming wird den Spielemarkt ähnlich stark verändern wie das Aufkommen der Smartphone-Games.“

Der Endgegner, vor dem alle bibbern: Wann kommt Amazon?

Erst recht dann, wenn ein von allen Marktteilnehmern gefürchteter Endgegner ins Spiel kommt: Amazon! Denn der Online-Multi hat beste Erfolgsaussichten fürs Spiele-Streamen: die größten Serverkapazitäten des Planeten, dazu mit weltweit 100 Millionen Prime-Kunden einen schlagkräftigen Vertriebskanal.

Was noch fehlt, sind eigene Spiele. Doch es verdichten sich die Anzeichen, dass man im Amazon-Hauptquartier in Seattle daran bastelt. Unlängst nämlich fielen dem US-Onlineportal „The Verge“ mehrere Stellenanzeigen von Amazon auf. Gesucht wurden: hoch spezialisierte Software-Entwickler für Cloud Games.

Cloud Gaming: Was es schon gibt, was bald kommt

Erste Anbieter fürs Spiele-Streaming sind schon da oder stehen in den Startlöchern aktiv gibt einen schnellen Marktüberblick (Quelle: eigene Recherchen aktiv):

Arcade (Apple) Soll im Herbst an den Start gehen und mindestens 100 Spiele gegen eine monatliche Abogebühr bieten. Zwar sind bislang kaum Details bekannt, allerdings wird es die Spiele laut Marktbeobachtern wohl nur im Download geben.

Playstation Now (Sony) Ist so etwas wie der Pionier unter den Anbietern von Cloud Gaming. Für knapp 15 Euro im Monat steht eine üppige Spiele- Bibliothek zur Verfügung. Gestreamt werden kann auf Sonys Playstation-Konsole oder einen Windows-PC.

GeForce Now (Nvidia) Der Streaming-Dienst des Grafikkarten-Riesen ist derzeit noch in der Beta-Phase, Anmelden und Spielen ist kostenlos möglich. Etwa 400 Spiele sind im Katalog. Funktioniert auf PC, Mac und Nvidias eigener Shield-Konsole.

Stadia (Google) Steht ab November für 10 Euro monatlich zur Verfügung. Gespielt wird direkt in Googles Chrome-Browser. Man braucht eine Internetverbindung von mindestens 35 MBit/s. Googles Ass im Ärmel: Gleich zum Start gibt’s den Spiele- Kracher „Baldurs’s Gate 3“!

Project xCloud (Microsoft) Was man weiß: Geplant ist Game-Streaming wohl ab Herbst, auch das Streamen von der eigenen X-Box-Konsole soll möglich sein. Wer so eine hat, kann sein Spiel also quasi auf dem Handy mitnehmen. Noch keine Infos über Preise und enthaltene Spiele.