Ob Social-Media-Accounts, Streamingportale oder Online-Banking – das Leben verlagert sich immer mehr ins Internet. Doch wie geht es weiter, wenn ein Mensch wegen einer schweren Krankheit oder im Todesfall nicht mehr handlungsfähig ist? Wie können Angehörige oder Freunde Durchblick im Dschungel der virtuellen Verflechtungen bekommen? Viele Fragen können geklärt werden, bevor der Ernstfall eintritt. Wie der digitale Nachlass richtig organisiert wird, erklärt Silke Möhring, Rechtsberaterin bei der Verbraucherzentrale Hessen.

Erster Schritt: Übersicht für Konten, E-Mail-Adressen und Passwörter erstellen

Wer es seinen Freunden oder Angehörigen leicht machen will, das digitale Erbe zu verwalten, sollte zunächst eine Liste erstellen, auf der sämtliche Online-Konten, E-Mail-Adressen oder Abos verzeichnet sind. Dazu gehören die entsprechenden Passwörter und Nutzernamen sowie Anweisungen, wo es unter Umständen Handlungsbedarf gibt. „Für Angehörige ist es wichtig zu wissen, was gerade online läuft“, sagt Expertin Möhring. „Möglicherweise laufen ja noch irgendwo E-Mails ein, die bearbeitet werden müssen.“ Unter Umständen müssen auch Verträge gekündigt werden.

Wer so eine Account-Liste erstellt, sollte sie immer auf dem aktuellen Stand halten und entweder auf Papier ausdrucken oder auf einem unverschlüsselten USB-Stick speichern. Am besten wird sie dann in einem Safe oder Bankschließfach sicher vor fremdem Zugriff aufbewahrt. Hilfe bei der Aufstellung einer solchen Liste bietet die Verbraucherzentrale NRW, sie hat eine Musterliste erstellt.

Zweiter Schritt: Bevollmächtigten bestimmen

Expertin Möhring rät, im nächsten Schritt einen Bevollmächtigten festzulegen, der oder die sich schon zu Lebzeiten um digitale Angelegenheiten kümmert. Wer etwa nach einem Unfall im Koma liegt, kann bereits keine Entscheidungen mehr fällen. Der Bevollmächtigte sollte mit einer Vorsorgevollmacht ausgestattet werden.

Die Vollmacht muss mit einem Datum versehen sein und unterschrieben werden. Eine notarielle Beurkundung ist nicht notwendig. Wichtig ist, dass sie „über den Tod hinaus“ gilt. Der so bestimmte Bevollmächtigte kann dann etwa Versicherungsverträge kündigen oder die Bestattung bezahlen, solange das Erbe noch nicht geregelt ist. Der Bevollmächtigte sollte rechtzeitig informiert werden und Zugang zur Übersicht aller Online-Verbindungen haben: „Das alles setzt natürlich Vertrauen voraus“, sagt Möhring.

Dritter Schritt: Testament verfassen

Der Bundesgerichtshof hat 2018 entschieden, dass auch der digitale Nachlass zur Erbmasse gehört und wie materielle Güter vererbt wird. Im Unterschied zur Vorsorgevollmacht, wo es vor allem um die vorübergehende Verwaltung von Online-Kontakten noch zu Lebzeiten geht, kann deshalb im Testament geregelt werden, was nach dem Tod endgültig mit Instagram-Profilen, Facebook-Auftritten oder selbst gestalteten Websites passieren soll. Sollen sie gelöscht werden oder nicht? Hier können auch bestimmte Personen vom Zugriff auf Daten ausgeschlossen werden.

Allzu oft werde die digitale Erbmasse testamentarisch nicht berücksichtigt. Aber mittlerweile rücke das Thema mehr und mehr ins Bewusstsein. Auch der Umgang mit Fotos und sonstigen Dokumenten auf Smartphones, Laptops und PCs könne im Testament geregelt werden. Natürlich sollte die Übersicht mit allen Online-Kontakten und Anweisungen auch den Erben überlassen werden.

Was tun, wenn nichts geregelt wurde?

Dann müssen sich die Erben einigen, was mit dem digitalen Nachlass passieren soll – nicht selten ein mühsamer Prozess. „Deshalb ist es immer sauberer, zu bestimmen, was man selber wünscht“, so Möhring. Der Mehraufwand für Angehörige sei zudem groß, wenn nichts geregelt wurde. Denn dann müsse jede Plattform und jeder Anbieter einzeln kontaktiert werden. Wahlweise bleiben Profile und Konten verwaist, was die Gefahr des Missbrauchs birgt und womöglich Kosten verursacht.

Social-Media-Anbieter seien allerdings verpflichtet, den Erben Zugriff auf das Konto des Verstorbenen zu gewähren, so Juristin Möhring. Dazu sollte man wissen: Auf Google und Facebook zum Beispiel kann jeder Nutzer in den Einstellungen festlegen, wie es mit den Daten nach seinem Tod weitergehen soll. Auf Facebook besteht etwa die Möglichkeit zu bestimmen, ob das Profil nach dem Todesfall in einen „Gedenkzustand“ versetzt wird. Mit dem „Kontoinaktivität-Manager“ von Google kann unter anderem festgelegt werden, dass das Konto automatisch gelöscht wird.

Einen Überblick über alle Online-Aktivitäten des Verstorbenen zu erhalten, sei ein schwieriges Unterfangen, gibt Möhring zu bedenken. Zwar gebe es Firmen, die Online-Konten und Accounts aufspüren und auch die kommerzielle Verwaltung des digitalen Nachlasses übernehmen. Doch das koste Geld und sei aus Gründen des Datenschutzes und einer Missbrauchsgefahr durchaus problematisch.

Tobias Christ
Autor

Nach seinem Germanistik-Studium in Siegen und Köln arbeitete Tobias Christ als Redakteur und Pauschalist bei Tageszeitungen wie der „Siegener Zeitung“ oder dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Derzeit schreibt er als freier Journalist Beiträge für Print- oder Onlinemedien. Für aktiv recherchiert er vor allem Ratgeberartikel, etwa rund um die Themen Mobilität und Arbeitsrecht. Privat wandert der Kölner gern oder treibt sich auf Oldtimermessen herum.

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